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Frankfurter Börse: Sarkasmus gegen die schlechte Stimmung

Nur kurz hält sich der Dax über der Marke von 6000 Punkten, dann rauscht er in die Tiefe. Wie es an der Frankfurter Börse zugeht.

Frankfurt am Main - Bulle und Bär stehen sich auch an diesem regnerischen Börsentag vor der Frankfurter IHK eher grimmig dreinschauend gegenüber. Die beiden großen Bronzefiguren sind das Symbol für das Treiben drinnen im Börsensaal. Der Bulle – Zeichen für steigende Kurse – reckt die Hörner stolz in die Höhe. Zu melden aber hat er in diesen Tagen nichts. Im Gegensatz zum Bären, der in geduckter Haltung ihm gegenüber kauert. Er triumphiert: Am Dienstag rutschen die Kurse in Frankfurt am zehnten Handelstag in Folge in den Keller. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, schüttelt drinnen auf dem Börsenparkett Fidel Helmer den Kopf. Der waschechte Bayer muss es wissen. Schließlich arbeitet er seit über 40 Jahren als Börsenhändler für die Privatbank Hauck&Aufhäuser.

Dabei sieht es am Dienstagmorgen bei Börseneröffnung um neun Uhr so aus, als ob auf den großen schwarzen Kurstafeln an den Wänden des Frankfurter Handelssaales endlich wieder Pluszeichen auftauchen würden. Doch das Rattern der Ziffern hinter den Notierungen der Aktien und hinter der Zahl für den wichtigen Deutschen Aktienindex Dax erweist sich als trügerisch. Nur kurz hält sich der Dax über der Marke von 6000 Punkten, dann rauscht er in die Tiefe.

„Eine solche Phase und solche Schwankungen hatten wir selbst nicht 2008 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise“, sagt Stefan Scharffetter, der für die Baader Bank Aktien handelt. Durch seine randlose Brille starrt er auf die sechs Monitore, über die im Sekundentakt hunderte von Kursen, Daten und Nachrichten auf ihn einströmen. Es ist nichts dabei, was Hoffnung machen würde. Die Aussichten auf bessere Börsenzeiten sind mau. „Allenfalls eine technische Reaktion könnte es geben“, sagt der 51-Jährige, der seit mehr als 20 Jahren im Börsengeschäft ist. Darunter verstehen Börsianer Käufe nach einer langen Durststrecke, ohne dass gute Nachrichten einen Anlass liefern.

Auch Carsten Sommerfeld vom Handelshaus Tradegate macht sich an seinem Platz hinter den runden weißen Handelsschranken keine Illusionen. Bis Herbst werde die Flaute anhalten, mutmaßt er. Und lacht. „Die Stimmung ist super.“ Der Sarkasmus ist nicht zu überhören. „Wir erleben ein politisches Desaster in den USA und auch in Europa“, schiebt er den Politikern die Schuld für die beispiellose Talfahrt in die Schuhe. Tatsächlich ist die Stimmung auf dem Parkett schlecht, aber von der vermuteten Hektik ist wenig zu spüren. Die verbreiten am Dienstag allenfalls Fernsehreporter. Sie stehen Schlange bei den wenigen Interviewpartnern. Das Börsengeschehen spielt sich längst nicht mehr auf dem Parkett ab. „Das ist nur noch Kulisse für die Medien“, sagt Fidel Helmer. Seit Ende Mai hat die Deutsche Börse die Händler zu Spezialisten gemacht, die sich nur noch um weniger gefragte Papiere kümmern. Mehr als 95 Prozent der Aktienkäufe und -verkäufe laufen schon seit Jahren über die Computer des Xetra-Handelssystems.

Während die Fernsehteams weiter Interview um Interview aufzeichnen, entspannen sich die Mienen der Händler. Aus Amerika kommen Signale, dass die Wall Street wieder einmal mit Pluszeichen eröffnen könnte. Rolf Obertreis

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