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Wirtschaft: Frauen machen den Salat

Die Grillsaison ist wieder eröffnet und teilt das Land in Rostfleisch-Verächter und Bratwurst-Fans. Die können sich freuen, Fleischprodukte sind günstiger als im Vorjahr

Wer an sonnigen Tagen durch den Tiergarten spaziert, kommt an dem Geruch nicht vorbei: Die Mischung aus Kohle, Gebrutzeltem und Verbranntem versetzt manchen in Urlaubsstimmung, weckt unspezifische romantische Empfindungen. Anderen vermiest der Duft den Naturgenuss. Spätestens im Mai wird „angegrillt“, wie Bratwurst-Fans sagen, die den Saisonstart seit Monaten herbeigesehnt haben. Freunde und Gegner des öffentlichen Fleischverzehrs stehen sich ab jetzt wieder unversöhnlich gegenüber.

Statistisch ist das Alltagsphänomen gut erfasst. Rund ein Viertel der deutschen Haushalte grillt mindestens einmal im Jahr, hat die Zentrale Markt- und Preisberichtstelle für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ZMP) herausgefunden. Besonders beliebt ist das Grillen bei jungen Menschen unter 30 und bei Familien. Die Preisberichter haben ermittelt, dass Nicht-Griller meist weder über Garten noch Balkon verfügen. „Ein anderer Teil begründet den Verzicht mit dem mangelnden Convenience-Grad, das heißt der aufwändigen und ,lästigen’ Arbeit.“ Die eifrigen Marktforscher haben zudem recherchiert, dass in der Saison durchschnittlich neunmal gegrillt wird und dass dem Event knapp sieben Personen beiwohnen. Die „Verantwortlichen am Grill“, ermittelte die ZMP, sind meist Ehemann, Partner oder Vater, denn: „Grillen ist in erster Linie Männersache.“

„Das Grillen übernehmen die Männer, weil es sich in der Öffentlichkeit abspielt“, sagt die Soziologin Nina Degele von der Uni Freiburg, die das Alltagsphänomen erforscht hat. Während die Männer das Spiel mit dem Feuer übernähmen seien die Frauen für die Zubereitung von Salaten und den Abwasch zuständig. Dabei sei das Grillen in den 70er Jahren, als es zum Massenphänomen wurde, Teil einer emanzipatorischen Bewegung gewesen, die sich gegen die überlieferten bürgerlichen Werte gerichtet habe. Damals habe man über die Grenzen des Wachstums geredet, über postmaterielle Werte sinniert und die Natur gesucht. Auch, um unter freiem Himmel zu essen. Doch heute würden beim Grillen „soziale Albernheiten reproduziert“, sagt Degele. Wie die Rollenverteilung, die den Mann zum Showkoch macht.

Auf deutschen Rosten kokeln am häufigsten eingelegte Schweinesteaks. 30 Prozent der im Auftrag der ZMP befragten Grillfreunde bevorzugen sie. Dann kommt die Bratwurst mit 13 Prozent, vor Rindersteaks mit elf Prozent. Auch Koteletts, Schnitzel und Hühnchen liegen oft auf dem Rost, während es Fischen schwer fällt, sich dort einen Platz zu ergattern.

Wie das Grillen nach Deutschland kam, ist ungewiss. Doch war das öffentliche Speisen im Freien früher ein Privileg der Oberschicht. Das feine Picknick im Grünen, wie es der englische Adel zelebriert habe, war womöglich ausschlaggebend, sagt der Kulturwissenschaftler Alois Wierlacher. „Später imitierte das Volk die Verhaltensweisen der Oberschicht.“ Voraussetzung sei die Wertschätzung der Öffentlichkeit, die sich in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt habe. Und natürlich die fallenden Preise, die es immer breiteren Schichten erlaubt hätten, Fleisch zu kaufen. Auch im Moment ist Fleisch vergleichsweise günstig zu haben: 7,16 Euro kostet ein Kilo Schweineschnitzel aktuell, 35 Cent weniger als vor einem Jahr. Die Preise für Rinderfilet sind stabil geblieben, Brathähnchen kosten trotz Geflügelpest in den Niederlanden derzeit mit 3,38 Euro pro Kilo weniger als Anfang Mai 2002. Allerdings rechnet die ZMP in nächster Zeit mit anziehenden Preisen für Hühnerfleisch.

Doch Grillfreunde sollten nicht nur auf den Preis der Rostauflage achten, sondern auch auf schonende Zubereitung. Sonst wird es richtig ungesund. Zunächst sollte man warten, bis die Kohle richtig durchgeglüht und mit einer weißen Ascheschicht überzogen ist, da sonst noch zu viel schädlicher Rauch auftritt. „Vor allem sollte man darauf achten, dass kein Fett in die Glut tropft“, warnt Karl Honikel von der Bundesanstalt für Fleischforschung. Denn dabei entstehen krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe wie etwa Benzpyren.

Der Wissenschaftler warnt auch vor allen Produkten mit Nitritpökelsalz: Die können auf dem Grill krebserregende Nitrosamine entwickeln. „Dazu gehört auch die Currywurst“, sagt Honikel. Doch Grillen als solches, wenn fachgerecht durchgeführt, ist nach den Erkenntnissen des Fleischforschers nicht ungesund. Alle, für die zum gelungenen Sommerfest gegrillte Rostbratwürstchen, mariniertes Rinderfilet oder sich stundenlang drehender Lammrücken gehören, können also aufatmen und die Pauschalurteile der Grillfleischverächter zurückweisen.

Übrigens haben die ZMP-Marktforscher auch herausgefunden, zu welchen Gelegenheiten die Deutschen am liebsten Grillen: In 17 von hundert Fällen wird die Glut zu Geburtstagen und anderen Anlässen entfacht. 41 Prozent der Grillgelegenheiten sind Partys für Freunde oder Kollegen. Doch meistens, in 57 Prozent der Fälle, grillen die Deutschen „ohne besonderen Grund“.

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