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Fraunhofer Institut: Ein Spielplatz für Forscher

Berliner Wissenschaftler arbeiten daran, dass der Datenverkehr im mobilen Internet besser fließt.

Berlin - Thomas Magedanz und seine Mitarbeiter denken voraus. Im Fraunhofer Institut für offene Kommunikationssysteme (kurz: Fraunhofer Fokus) arbeiten sie an Lösungen für Probleme, die die meisten Menschen heute noch gar nicht haben. Die Forscher erwarten, dass der Datenverkehr in mobilen Netzen in den kommenden Jahren exponentiell wachsen wird, so dass die Kapazitäten bei Weitem nicht ausreichen werden, um all diese Daten zu transportieren. „Es gibt immer mehr Bandbreite in den Netzen, aber der Bedarf steigt einfach noch schneller“, sagt Magedanz. Anders gesagt: Es wird Stau geben auf der mobilen Datenautobahn. Magedanz leitet im Institut das Kompetenzzentrum für Next Generation Network Infrastructures. Er und sein Team entwickeln eine Software, damit der Datenverkehr in Zukunft optimal läuft.

Getrieben wird das steigende Datenvolumen im mobilen Internet von neuen Endgeräten wie Smartphones oder Tablet-PCs. Apple hat mit seinem iPhone und dem iPad den Markt bereitet. Laut dem Marktforschungsinstitut Gartner ist bereits jedes fünfte verkaufte Mobiltelefon ein Smartphone – Tendenz steigend. Besitzer dieser Geräte nutzen vermehrt internetbasierte Dienste. Sie navigieren, sehen Filme an oder bearbeiten ihre Geschäftsunterlagen unterwegs. Und während früher vor allem Informationen heruntergeladen wurden, steigt nun auch der Datenverkehr in umgekehrter Richtung. So stellen zum Beispiel immer mehr Nutzer ihre Videos bei Youtube ein.

Das steigende Datenvolumen wird für die Netzbetreiber zum Problem: Mobilfunknetze sind in Zellen aufgebaut. Jede Basisstation versorgt eine Zelle, wobei ihre Leistung begrenzt ist. Wenn ein Teilnehmer zum Beispiel ein Video hochlädt, steht anderen Nutzern in der gleichen Zelle weniger Kapazität zur Verfügung. „Wenn man Pech hat und in der Nähe gerade viele Nutzer sich die Bundesliga live auf dem Smartphone anschauen, kann man im Zweifel keine wichtigen Nachrichten mehr austauschen“, erklärt Magedanz’ Stellvertreter Niklas Blum.

Ein anderes Beispiel: Immer mehr Firmen folgen dem Trend, Software nicht mehr zu kaufen und auf eigenen Rechnern zu installieren, sondern sie zu mieten und über das Netz auf die Anwendungen zuzugreifen. Cloud-Computing nennen die Experten das. Für Konzerne mit vielen Mitarbeitern im Außendienst hat der Service den Vorteil, dass alle auf die gleichen Informationen zugreifen können und dabei immer auf dem neuesten Stand sind. Problematisch wird es, wenn Mitarbeiter im entscheidenden Moment nicht an die Daten herankommen, weil in der gleichen Mobilfunkzelle gerade ein paar Videokonferenzen laufen.

Wenn immer mehr Firmen mobile Dienste nutzen, müssen die Anbieter sicherstellen, dass jederzeit eine Verbindung möglich und dass diese auch sicher ist. „Es wird in Zukunft möglich sein, bestimmten Daten Priorität einzuräumen, sie quasi am Stau vorbeizuleiten“, erklärt Magedanz. „Natürlich muss der Kunde für diese Leistung extra bezahlen.“ Das ist ganz im Sinne der Netzbetreiber, die im Internet, wo vieles kostenlos verfügbar ist, nach neuen Erlösquellen suchen.

In letzter Konsequenz würde das bedeuten: Wer zahlt, hat Vorfahrt im Netz, wer nicht zahlt, muss warten. In der Internetwelt wird bereits heftig über das Thema gestritten. Denn noch werden alle Datenpakete im Netz gleich behandelt, egal was ihr Inhalt oder wer ihr Absender ist. Google war bisher einer der stärksten Verfechter der Netzneutralität. Doch Mobilfunk sei eine andere Sache, findet der Internetkonzern – und befeuert damit die Debatte über eine mögliche Zweiklassengesellschaft im Netz.

Das Fokus-Team arbeitet aber auch daran, die Situation zu entschärfen. Die knapp 40 Forscher entwickeln ein Softwarewerkzeug, das es ermöglicht, verschiedene Netze zu nutzen, je nachdem, welches gerade am günstigsten ist. „Wer im Auto einen Film herunterlädt, kann ein lokales Funknetz nutzen, solange er an einer Ampel wartet“, erklärt Magedanz. Das lokale Netz ist kostengünstiger und nimmt Verkehr vom eventuell stark belasteten Mobilfunknetz. Der Nutzer soll dabei aber gar nicht mitbekommen, welches Netz – Mobilfunk, öffentliche oder private lokale Netzwerke – er gerade nutzt. „Der Kunde interessiert sich nicht für Technik, er will nur möglichst ruckelfreie Bilder“, sagt Blum.

Damit der Übergang von einem Netz zum anderen nahtlos und somit unbemerkt funktioniert, haben die Berliner Forscher ein Test- und Entwicklungslabor aufgebaut, den „Future Seamless Communication Playground“, kurz: Fuseco. Auf diesem „Spielplatz für zukünftige nahtlose Kommunikation“ können Netzbetreiber und Geräteanbieter die Prototypen für neue Breitbandanwendungen erproben. Die Technik ist bisher einzigartig in der Welt, sagen die Berliner Forscher. Sie haben in dem Gebäude an der Kaiserin-Augusta-Allee ein eigenes Funknetz aufgebaut. In einem 40 Quadratmeter großen Raum im vierten Stock brummen einige dutzend Server, auf denen die Anwendungen laufen. Nur mit Mühe kühlt die Klimaanlage den Raum auf 20 Grad herunter. Ein Stockwerk tiefer sitzt Dragos Vingarzan, der den Netzaufbau verantwortet, inmitten vieler kleiner Rechner. „Mit diesen Minirechnern, die man in jedem Laden kaufen kann, sind wir in der Lage, große Netze nachzubauen“, erklärt Vingarzan. Magedanz ergänzt: „Unser Anspruch ist nicht nur, auf Augenhöhe mit den Großen der Welt zu sein, sondern einen Schritt voraus.“

Doch nicht nur die großen internationalen Netzbetreiber sollen sich auf dem Spielplatz der Forscher tummeln. Die Technik bietet auch kleinen und mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit, eigene Dienste und Lösungen für die Netze der Zukunft zu entwickeln. „Im Internet der Zukunft werden die Karten neu gemischt, da in diesem viele Netztypen und Anwendungen nahtlos zusammenspielen müssen“, sagt Magedanz.

Die Forscher im Netz: www.fokus.fraunhofer.de/de/ngni

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