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Wirtschaft: "Freiraum für den Einzelnen"

BERLIN (kvo). "Neue Trends in der Personalentwicklung" war das Thema der Diskussionsreihe "Treffpunkt Tagesspiegel" am Montag abend im Hotel Inter-Continental, und als erstes wurde ein Fragezeichen hinter den Titel gesetzt.

BERLIN (kvo). "Neue Trends in der Personalentwicklung" war das Thema der Diskussionsreihe "Treffpunkt Tagesspiegel" am Montag abend im Hotel Inter-Continental, und als erstes wurde ein Fragezeichen hinter den Titel gesetzt. George Turner, ehemaliger Berliner Wissenschaftssenator und an diesem Abend als Moderator auf dem Podium, stellte die Frage, ob die Personalentwickler nicht vor allem alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen würden.

Daß nicht alles neu sei, was als neu verkauft werde, war Konsens an diesem Abend. Trotzdem wurden eine Reihe neuer Entwicklungen genannt. Norbert Bensel, Mitglied des Vorstandes der Debis AG, wies vor allem auf die zunehmende Globalisierung der Unternehmen und die gesteigerten Anforderungen an die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter hin, die sich auch in der Personalentwicklung niederschlagen würden.

Daneben werde aber auch das eigene Unternehmens-Marketing immer wichtiger. "Der Unternehmensauftritt ist wichtig für die Auswahl der passenden Mitarbeiter - und was bei der Auswahl falsch läuft, können Sie hinterher kaum wieder aufholen", schilderte Bensel. Die Debis AG setze bei der Personalentwicklung vor allem auf das Lernen am Arbeitsplatz mit einer Unternehmenskultur, die auch Fehler zulasse und Freiräume zum Ausprobieren biete.

Ähnlich wie die Debis AG muß auch das mittelständische Berliner Software Unternehmen Acotec GmbH auf dem leergefegten Arbeitsmarkt für Informatiker um qualifizierte Mitarbeiter kämpfen - und tut das mit ähnlichen Mitteln. "Wir setzen vor allem auf flache Hierarchien, hohe Eigenverantwortung und eine Kultur des Miteinander-Redens", beschrieb Geschäftsführer Thomas Schröter die Unternehmenspolitik.

Für Hans-Uwe Hohner, Organisationspsychologe an der Freien Universität Berlin, war dieser Mix allerdings nicht ganz unproblematisch. "Gerade in kleineren Unternehmen müssen die Rollen klar verteilt sein, sonst wird es problematisch", warnte er. Die Personalentwicklung der Unternehmen werde vor allem durch häufigere Arbeitsplatzwechsel geprägt. "Das führt zu immer kürzer werdenden Umschlagzeiten innerhalb der Unternehmen", schilderte der Psychologe. Weil auch Personalentwicklung dadurch immer schnellere Ergebnisse zeigen müsse, habe sich ein Trend zur Individualisierung entwickelt. Die einzelnen Unternehmen würden dabei immer gezielter auf ihre Mitarbeiter eingehen.

Neben den gesteigerten Anforderungen an die Selbständigkeit der Mitarbeiter sind es für Michèle Neuland, Geschäftsführerin des Personalentwicklungsinstitutes Neuland & Partner, vor allem die sozialen Kompetenzen, die in den vergangenen Jahren wichtiger geworden sind. "Die Fähigkeit zur Teamarbeit wird von den jungen Leuten häufig nur ungenügend mitgebracht", sagte sie und machte in erster Linie ein auf Wissensvermittlung fixiertes Ausbildungssystem dafür verantwortlich. Auch Gerd Appenzeller, Redaktionsdirektor des Tagesspiegels, sprach die Gefahr an, daß die neue PC-Generation "autistische Neigungen" entwickeln und sich nicht mehr ohne Probleme in einen Betrieb eingliedern lassen könnte.

Diese Befürchtungen teilten die anderen Teilnehmer auf dem Podium allerdings nicht. Die jungen Leute heutzutage seien besser als ihr Ruf, meinte Hans-Uwe Hohner und bekam Unterstützung aus der Wirtschaft. "Im vergangenen Jahr haben wir rund 1000 junge Leute eingestellt - und das waren keine PC-Krüppel", schilderte Debis-Vorstand Bensel. Auch im Privatleben erlebe er häufig, daß junge Menschen viel besser Konflikte austragen könnten als die Generationen vor ihnen.

Mehr Beifall bekam Neuland allerdings für ihre Kritik am deutschen Ausbildungssystem. "Mehr globale Denke", forderte Schröter von den Universitäten, für eine generell bessere Ausstattung der Schulen und Hochschulen trat Bensel ein. Eine längere bildungspolitische Debatte entwickelte sich an diesem Abend jedoch nicht. Das mag aber nicht zuletzt an den besänftigenden Worten des ehemaligen Wissenschaftssenators gelegen haben: Früher, so Turner, sei von den Universitäten mehr Orientierungshilfe für die Studenten gefordert worden - wenn jetzt wieder der Ruf nach mehr Eigenverantwortung lauter werde, so dürfe man das nicht überbewerten. "Eine Katastrophe ist das alles nicht - vielleicht sollten wir uns gar nicht so viele Gedanken machen und es einfach mal so laufen lassen."

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