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Wirtschaft: Fünf Millionen Arbeitslose realistisch

Arbeitslosenverband: 1997 wird Jahr der Negativrekorde auf dem Arbeitsmarkt sein BERLIN (mot).Ein Anstieg der Arbeitslosenzahl um 700 000 auf fünf Mill.

Arbeitslosenverband: 1997 wird Jahr der Negativrekorde auf dem Arbeitsmarkt sein

BERLIN (mot).Ein Anstieg der Arbeitslosenzahl um 700 000 auf fünf Mill.im kommenden Jahr ist nach Einschätzung des Arbeitslosenverbandes Deutschland (ALV) eine realistische Prognose."Diese Schätzung ist keine Schwarzmalerei, sondern stützt sich auf die vorausgesagten Insolvenzen, die Baukrise im Osten und die angekündigten Entlassungen der Unternehmen", erklärte der Präsident des Betroffenenverbandes, Klaus Grehn, am Mittwoch in Berlin.Besonders dramatisch sei die Situation in Ostdeutschland, wo sich die inoffizielle Arbeitslosenquote auf 50 Prozent zubewege, wenn man Beschäftigungsmaßnahmen des zweiten Arbeitsmarktes, Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung einrechne.Insgesamt werde das Jahr 1997 als Jahr der Negativrekorede in die Geschichte der Republik eingehen: Die 1996 im Jahresdurchschnitt bei der Bundesanstalt für Arbeit registrierte Arbeitslosenzahl (3,96 Mill.) werde in diesem Jahr um rund 440 000 übertroffen.Einschließlich der Familien seien davon 1,2 Mill.Menschen betroffen.Besorgniserregend sei der Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit auf 65 Prozent.Verfestigt hätten sich auch Frauen- und Jugendarbeitslosigkeit sowie die Arbeitslosigkeit der über 55jährigen. Als "unbegründet optimistisch" bezeichnete Grehn Vorhersagen über eine mögliche Trendwende am Arbeitsmarkt oder das Ziel der Bundesregierung, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 halbieren zu wollen.Die Politik habe 1997 den "Bruch im Sozialsystem" in Kauf genommen und untaugliche Vorschläge zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit gemacht.So sei auch die Subventionierung von Löhnen abzulehnen, solange den eingestellten Arbeitslosen anschließend keine dauerhafte Beschäftigung angeboten werden könne.Der sogenannte "Kombilohn" sei in erster Linie ein Instrument zur Entlastung der Unternehmen, die aber offenkundig keine neuen Arbeitsplätze schafften.Auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen müßten auf zukunftsträchtige Branchen, etwa den Energie- und Umweltsektor, konzentriert werden, um den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zu erweitern. Mit Blick auf die Ergebnisse des Luxemburger Beschäftigungsgipfels warnte Grehn davor, die vereinbarten Leitlinien zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit als verbindliche Grundlagen für Verbesserungen auf den Arbeitsmärkten mißzuverstehen.Die im Schlußdokument formulierte Maßgabe, arbeitslosen Erwachsenen binnen 12 Monaten mit "individueller Betreuung in Form von Berufsberatung" zu helfen, werde sich als "Fata Morgana" der Arbeitsmarktpolitik erweisen.Auf europäischer Ebene hätten sich die Hoffnungen, Arbeitslosigkeit zu reduzieren, zerschlagen.Die Bundesrepublik, die etwa 22 Prozent der Arbeitslosen in der EU stelle, bleibe "Europameister" bei den Arbeitslosen.Gleichwohl bestehe in der EU die Gefahr, daß aufgrund unterschiedlicher Zählmethoden, Erwerbslosenzahlen "schön gerechnet" würden.Bei genauerer Betrachtung relativierten sich so die "Jobwunder" in den Niederlanden und Großbritannien. Als "völlig irrig" wies Grehn die Annahme zurück, die meisten Arbeitslosen wollten nicht arbeiten, man müsse darum nur ausreichend Druck ausüben."Der Anteil der Arbeitsunwilligen liegt bei unter fünf Prozent", sagte der ALV-Präsident.Der Verband erwäge deshalb Verfassungsklage gegen die Zumutbarkeitsregelung für Arbeitslose bei der Jobannahme.Das seit 1.April geltende Arbeitsförderungs-Reformgesetz und das Sozialgesetzbuch III, das am 1.Januar 1998 in Kraft tritt, verschenke Qualifikationen und verschärfe die durch Arbeitslosigkeit verursachte Armut.Auch die Gewerkschaften hätten Unterstützung für einen Gang nach Karlsruhe signalisiert.

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