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Wirtschaft: Fünf teure Worte

Als sich im November 2004 abzeichnete, dass George W. Bush zum zweiten Mal die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen würde, jubelte die Wall Street.

Als sich im November 2004 abzeichnete, dass George W. Bush zum zweiten Mal die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen würde, jubelte die Wall Street. Noch bevor Bushs Herausforderer John Kerry seine Niederlage eingestand, machten Dow Jones und Nasdaq einen Kurssprung. Aktienhändler sprachen von einer „Erleichterungsrallye“. Doch der vorauseilende Kurssprung erwies sich als Luftnummer: Nach Bekanntgabe der amtlichen Wahlergebnisse fielen die Kurse wieder in sich zusammen. Politische Börsen, so sagt ein reichlich strapaziertes Sprichwort, haben kurze Beine.

Der Deutsche Aktienindex ist in der vergangenen Woche um fast zwei Prozent gestiegen. Die Börse glaubt, dass die Tage der rot-grünen Bundesregierung gezählt sind. Die Aussicht auf Neuwahlen und einen Machtwechsel in Berlin beflügelten die Kurse. Banken erhöhten ihre Prognosen für deutsche Aktien. Neun Prozent seien beim Dax jetzt binnen Wochen drin, meinte zum Beispiel die Hypo-Vereinsbank. Händler sprachen von einer, nun ja, „Erleichterungsrallye“.

Werden die Beine der politischen Börse in Deutschland so kurz sein wie die der Wall Street im vergangenen Jahr?

Die Empirie hilft bei der Beantwortung der Frage leider nicht weiter. Denn die Beine der Weltbörsen waren in der Vergangenheit mal kürzer und mal länger. Selbst die Schockwellen, die Kriege, Attentate und Katastrophen an den Finanzmärkten auslösten, bewegten sich in höchst unterschiedliche Richtungen. Als zum Beispiel die Anschläge des 11. September 2001 die Welt erschütterten, stürzten die Aktien kurz ab, um dann in einer ebenso kurzen „Patriotismusrallye“ steil nach oben zu schießen – bevor sie schließlich in einem quälend langsamen Crash bis Anfang 2003 in sich zusammenbrachen.

Ob Kuba-Krise, Kennedy-Attentat, Golf-Krieg I und II oder Putsch in Moskau – die Aktienmärkte reagierten meist anders als der gesunde Anlegerverstand es vorausgesagt hatte. Wer also auf eine Fortsetzung der „Merkel-Rallye“ an der deutschen Börse wetten will, muss eine hohe Risikoprämie einkalkulieren. Schon Börsenaltmeister André Kostolany wusste, wie die fünf teuersten Worte an der Börse lauten: „Diesmal wird alles anders sein.“

über Neuwahlen,

politische Börsen und kurze Beine

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