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Wirtschaft: Für 100 Euro in die USA

Schnäppchenangebote auch für lange Flugstrecken nehmen zu. Doch am Ende sind sie meist viel teurer

Berlin - Bisher war die Langstrecke die lukrative Domäne der klassischen Netzwerk-Fluggesellschaften wie Lufthansa, Air France/KLM oder British Airways. Jetzt drängen verstärkt auch Günstiganbieter auf den Markt. Jüngste Beispiele: Air Berlin mit dem Erwerb der LTU und Ryanair mit der Ankündigung einer eigenen Interkontinental-Tochter. Doch eine Übertragung des Billigflieger-Modells auf Fernflüge wird es nach Ansicht von Luftfahrtexperten nicht geben.

Einst hatten die Billigflieger auf der Langstrecke begonnen, allen voran der legendäre Sir Freddie Laker. Sein „Skytrain“ beförderte 1977 Passagiere für 59 Pfund von England in die USA. 1983 probierten die amerikanischen People’s Express mit 149-Dollar- Tickets Ähnliches. Beide hatten einen Riesenerfolg, gingen aber Pleite.

Die neuen Billigflieger konzentrieren sich auf die Kurzstrecke. Dort spielt Service keine Rolle. Auf der Langstrecke zeichnet sich dagegen ein entgegengesetzter Trend ab. Die klassischen Fluggesellschaften wetteifern mit immer neuen Service-Angeboten um die Gunst der Erste-Klasse-Passagiere und Geschäftskunden. Fluglinien wie EOS und Max-Jet (USA) sowie Silverjet (Großbritannien) schicken ihre Maschinen in reiner Business-Class-Bestuhlung über den Atlantik – und sind dabei teils deutlich günstiger als die hochwertigen Tarife der Netzwerk-Fluglinien. Auch die Lufthansa lässt schon einen Flieger nur für Geschäftsreisende zwischen Düsseldorf und New York verkehren.

Überrascht hat daher der Kauf der LTU durch Air Berlin. Konzernchef Joachim Hunold hatte vor kurzem noch ein Engagement im Langstreckenbereich ausgeschlossen. Der Billigflieger soll als Zubringer für die Interkontinentalverbindungen ab Düsseldorf und ein mögliches zweites LTU-Langstreckendrehkreuz in Berlin dienen. An eine Änderung des Tarifkonzepts für die Fernflüge werde bisher nicht gedacht, betont Air-Berlin-Sprecher Peter Hauptvogel. Gegenwärtig düst LTU ab 199 Euro pro Strecke nach New York. Der Trend geht laut Hauptvogel eher dahin, die Business Class auszuweiten.

Air Berlin hat zudem ein Kooperationsabkommen mit Condor getroffen und gilt als Kaufinteressent für die Fluglinie des Thomas-Cook-Touristikkonzerns. Die jüngsten Entwicklungen haben den zweiten großen Reisekonzern Tui alarmiert. Der überlegt jetzt, Langstreckenjets ausländischer Gesellschaften nach Deutschland zu beordern oder gecharterte Großraumjets unter der Marke des eigenen Billigfliegers Tuifly starten zu lassen.

Auch die Ankündigung eines eigenen Langstrecken-Billigfliegers durch den Iren Michael O’Leary erregte Aufsehen. Ryanair könnte ab 2010 seine europäischen Drehkreuze mit kleineren Flughäfen in den USA verbinden. Kostenpunkt: ab 100 Euro pro Strecke. Für Verpflegung und Unterhaltung wird extra zur Kasse gebeten. Zusatzeinnahmen sollen durch zollfreie Verkäufe an Bord entstehen.

Die Billigflieger würden mit einem Einstieg in die Langstrecke ihr eigentliches Modell aufweichen, sagt Uwe Weinreich, Analyst der Hypo Vereinsbank. Um Geld zu verdienen, müsse der Erlös pro Passagier etwa für den Hin- und Rückflug nach New York bei 300 bis 350 Euro liegen. Niedrigsttarife könne es hier nicht geben, sagt auch der Luftfahrtexperte der Bayerischen Landesbank, Ulrich Horstmann. Die Schnäppchenpreise seien durch Steuern und Gebühren und die drohende Klimaabgabe Augenwischerei. Dennoch könnten Billigflieger bei Verzicht auf kostenlose Extras die bestehenden Flugpreise um bis zu 40 Prozent unterbieten.

Seit Oktober fliegt Oasis zwischen Hongkong und London und wirbt mit einem Tarif ab 75 Pfund (110 Euro) pro Strecke. Mit Steuern und Gebühren summiert sich der tatsächliche Preis für Hin- und Rückflug aber auf 267,41 Pfund (392,50 Euro). Bald kommen auch Oakland und Vancouver ins Streckennetz der Asiaten, Berlin und Köln/Bonn sollen 2008 folgen. Die kanadischen Zoom Airways verbinden ab Juni für einen Preis von 129 Pfund (rund 190 Euro) London und New York.

Auch die deutschen Ferienflieger locken mit Schnäppchen. So bietet Condor „Fliegenpreise“ von 99 Euro pro Strecke etwa nach Mauritius. Plus Treibstoffzuschlag und Servicegebühr werden daraus allerdings 165 Euro. Immer lohnt sich ein Vergleich mit aktuellen Sonderangeboten klassischer Fluglinien im Internet. Eines haben alle Angebote mit den Billigfliegern auf europäischen Kurzstrecken gemein: Sie erfordern flexible Passagiere. Wer auf feste Reisezeiten angewiesen ist oder umbuchen will, muss auch künftig mehr bezahlen.

Rainer W. During

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