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Helm an den Nagel. Die Rente mit 63 zielt vor allem auf Facharbeiter ab. Eine Frühverrentungswelle will die Regierung aber verhindern.

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Für die Rente mit 63: Ministerin Nahles schaltet in den Kampfmodus

Andrea Nahles streitet für die Rente mit 63. In der Koalition wächst der Unmut über das Vorhaben - und die nächste Reform ist schon in Planung.

Andrea Nahles ist nicht zu beneiden in diesen Tagen. Erst vor ein paar Wochen musste die SPD-Arbeitsministerin den Gesetzentwurf zum umstrittenen gesetzlichen Mindestlohn durchboxen, jetzt ist schon das Rentenpaket dran. Ständig ist Nahles unterwegs im Berliner Regierungsviertel, um für ihre Pläne zu werben. Bei den Wählern ist das Vorhaben zwar beliebt, Arbeitnehmer schon mit 63 Jahren in den Ruhestand zu schicken und ältere Mütter besserzustellen. Doch viele Lobbyisten sind von dem Vorhaben alles andere als begeistert.

Zum Beispiel die Handwerker. Hans Peter Wollseifer, der Präsident des Verbandes, hat kürzlich im Tagesspiegel-Interview das Ziel von 25 000 neuen Jobs in seiner Branche kassiert – wegen der Regierungspolitik. Am Donnerstag ist seine Meinung dazu nicht besser geworden. Er spricht von „der größten Operation, die je am Herzen der deutschen Sozialpolitik in Angriff genommen wurde“. Es werde „Tür und Tor für eine Frühverrentungswelle geöffnet“. Und das, wo den Betrieben schon heute die Fachkräfte fehlten und die Lebenserwartung steige.

"Ich kann Ihnen gerne mal die Dachdecker vorbeischicken"

Unter Freunden. Andrea Nahles (SPD) begrüßte am Donnerstag Betriebsräte der Dax-Konzerne – sie finden die Rente mit 63 gut. Foto: dpa
Unter Freunden. Andrea Nahles (SPD) begrüßte am Donnerstag Betriebsräte der Dax-Konzerne – sie finden die Rente mit 63 gut. Foto: dpa

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Andrea Nahles ist trotzdem gekommen, um ihre Reform zu verteidigen. Sie weiß aus ihrer Familie, wie anstrengend Arbeit sein kann – der Vater war Maurer, der Großvater Schmied. „Da braucht man eine gewisse Zähigkeit – die braucht man auch, wenn man ein Rentengesetz macht.“ Sie kennt die Argumente der Wirtschaft, etwa, dass die neuen Gesetze bis 2030 rund 200 Milliarden Euro extra kosten werden. Aber sie hält tapfer dagegen: Dass die höheren Mütterrenten nicht aus Steuermitteln finanziert würden, sondern aus Sozialbeiträgen, sei kein Beinbruch. Schließlich flössen schon jetzt 81 Milliarden Euro aus dem Bundesetat in die Rentenkasse. „Dieser Betrag wird noch weiter steigen.“ Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe sie verabredet, dass der Zuschuss bis 2019 um weitere zwei Milliarden aufgestockt wird. Zudem sei die Rentenkasse gut gefüllt. „Deshalb ist es solide und verantwortbar, was wir tun.“

Sie kennt die Einwände, dass das Paket ungerecht sei – weil es fast nur Facharbeitern zugute komme, und dort nur wenigen Jahrgängen. „Das halte ich für absolut gerechtfertigt. Das sind Leute, die arbeiten, seit sie 15 oder 16 sind. Die haben durchgezogen.“ Und noch etwas ist Nahles aufgefallen. Viele Dachdecker und Maurer vor Ort sähen die Rentenpläne zudem offenbar ganz anders als die Wirtschaftsverbände. „Ich kann die Ihnen gerne mal vorbeischicken.“

Flexirente: "Das packen wir noch dieses Jahr an"

Für die Koalition ist das Rentenpaket ein wichtiges Projekt. Die Union will damit ein altes Versprechen gegenüber den Müttern einlösen, Die Union will damit ein altes Versprechen gegenüber den Müttern einlösen, die SPD nach dem Streit um die Agendapolitik wieder näher an die Gewerkschaften heranrücken. Docdie SPD nach dem Streit um die Agendapolitik wieder näher an die Gewerkschaften heranrücken. Doch in der Koalition ist der Unmut noch immer groß, bei der Union wächst er offenbar sogar noch. Beim Mittelstandsflügel murren sie und wollen Zugeständnisse in Sachen Rente von der SPD, vor allem, um zu verhindern, dass tausende älterer Beschäftigte in Frührente gehen. „Wir werden gesetzliche Maßnahmen ergreifen, um eine Frühverrentungswelle zu verhindern“, sagte Nahles dazu. Auch eine weniger starre Altersgrenze findet sie gut, die sogenannte Flexirente. In das Rentenpaket, das Ende Mai durchs Parlament soll, mag sie es aber nicht mehr stecken. „Das packen wir dieses Jahr noch an.“

Schon am Montag hatte Nahles Ärger mit der Rente – bei einer Expertenanhörung im Bundestag ließ kaum ein Fachmann ein gutes Haar an dem Vorhaben. Da tat es vermutlich gut, dass es am Donnerstag auch einmal Applaus für das Projekt gab. Die Betriebsräte der 30 Dax-Konzerne waren nach Berlin gekommen, um der Ministerin den Rücken zu stärken. Die Rente mit 63 komme in den Betrieben gut an, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von BMW, Manfred Schoch. Niemand in den großen Unternehmen habe die Absicht, Mitarbeiter mit 61 abzuschieben. Die Ministerin war entzückt. „Ich fühle mich bestätigt durch die Berichte der Kollegen aus den Betrieben.“

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