zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Für die Schönheit über die Oder

Kosmetische Operationen im polnischen Grenzgebiet sind preiswert – doch Experten warnen vor offenen Haftungsfragen

Berlin. Der Operationssaal ist grün gekachelt. In der Mitte steht ein schwarzer Behandlungsstuhl neben den Geräten für den Anästhesisten. „Die kommen aus Deutschland“, sagt Chirurgin Elzbieta Baranski und zeigt auf die Maschinen mit den Schläuchen und Knöpfen. „Das ist alles neu.“

Sie und ihr Mann Andreas Baranski leiten die Klinik für plastische Chirurgie „InterMed“ in Slubice. Hier lassen sich Patienten den Bauch straffen, das Gesicht liften oder Fett absaugen. Die Nachfrage ist groß, und deshalb zieht die Klinik jetzt um. Sie tauscht das heruntergekommene Arztgebäude gegen ein weißes Haus mit rotem Giebel, Rasen und Blumen, nur 200 Meter weiter. „Wir haben täglich zwei Kunden. 80 Prozent kommen aus Deutschland“, sagt Baranski.

Die Kunden reisen nach Frankfurt (Oder) und über die Brücke nach Slubice, vermittelt durch die deutsche Esculap-Agentur, die für 50 Euro Informationen und Zertifikate der polnischen Ärzte verschickt, Anreise und Operationstermin vereinbart. Eine Brustvergrößerung, einschließlich zwei Tagen Klinikaufenthalt und Dolmetscher, kostet bei „InterMed“ 2300 Euro – die deutschen Kollegen jenseits der Grenze nehmen das Doppelte.

Die niedrigen Preise sind verführerisch. In Internetforen tauschen sich Männer und Frauen über günstige Schönheitsoperationen im Ausland aus und geben Adressen von Ärzten weiter. Denn der Wunsch nach dem perfekten Körper ist groß, aber teuer. Kosmetische Eingriffe werden von den Krankenkassen grundsätzlich nicht gezahlt. Einzige Ausnahme: Die plastische Operation wird nach einem Unfall oder einer Krankheit notwendig. Die meisten Patienten legen sich jedoch freiwillig unter das Messer der Schönheitschirurgen. 400000 Mal ließen im vergangenen Jahr allein in Deutschland Menschen aus kosmetischen Gründen an ihrem Körper schneiden, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie. Wie viele sich im Ausland behandeln lassen, weiß niemand.

Generell gilt: Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen medizinisch notwendige Behandlungen jenseits der Oder nur in Ausnahmefällen. Zwar besteht seit 1991 ein Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Polen. Doch fallen darunter nur Arbeitnehmer oder Grenzgänger, die sich im Partnerland verletzen oder krank werden. Touristen sind ausgenommen. „Man kann nicht einfach für eine Operation nach Polen fahren, weil es dort billiger ist. Die Kosten übernehmen wir nicht“, sagt Thorsten Jakob, Sprecher der Barmer Ersatzkasse. Anders sieht es bei den privaten Versicherungen aus. „Wenn sich ein Mitglied in Polen behandeln lassen will und der Eingriff notwendig ist, zahlen wir das“, sagt Hannes Tutschku, Sprecher der Signal Krankenversicherung.

Ärztliche Ausbildung und medizinische Standards in Polen gelten keineswegs als schlecht. „Die Diplome werden nach der EU-Osterweiterung sicher anerkannt“, sagt Verena Hoppe von der Bundesärztekammer. Trotzdem rät sie von Operationen im Ausland ab. Probleme treten vor allem bei der Haftung auf. Das gilt besonders für Folgen kosmetischer Korrekturen. „Die Kosten für die Behandlungen sind in Polen unverhältnismäßig geringer, weil die Haftungsfragen nicht geklärt sind", sagt Detlef Witzel, Vorstandsmitglied der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen.

„Wir verbieten niemandem, sich in Polen auf private Kosten operieren zu lassen, raten aber zur Vorsicht“, sagt Barmer-Sprecher Jakob. Die Eingriffe seien nur günstiger, wenn das Ergebnis stimme. „Wenn man immer wieder zur Nachbehandlung muss, wird es eine Milchmädchenrechnung.“ Bekommt ein Patient allerdings gesundheitliche Probleme, springen die Kassen wieder ein.

„Das kann doch eigentlich nicht sein, dass die Versicherer zahlen“, sagt Prof. Bodo Hoffmann, Leiter der Abteilung für Kieferchirurgie und Plastische Gesichtschirurgie am Uniklinikum Benjamin Franklin in Berlin. Manchmal müsse ein Patient nach einer kosmetischen Operation monatelang nachbehandelt werden. „Das kostet Unmengen. Und das zahlt dann die Solidargemeinschaft“, sagt er. „Im Einzelfall geht das, aber doch nicht bei einem stärker werdenden Medizintourismus.“

Carina Frey

Zur Startseite