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FÜR KLIMA UND WETTBEWERB Die Herausforderung für die Energiepolitik: Hilfe für die Kernkraftfreunde

Neuer Deutschland-Bericht der Internationalen Energieagentur stützt Wirtschaftsminister Glos

Berlin - Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) glaubt zunehmend an die Chance zur Revision des Atomausstiegs. Zwar gebe es „gegenwärtig noch keine Mehrheit“, um die in rot-grüner Regierungszeit vereinbarte Abschaltung des letzten AKW in Deutschland 2022 zu korrigieren. Doch, so der Minister, helfe „die Angst der Menschen vor der Erderwärmung“ der Atomkraft womöglich doch noch zu einer längeren Lebensdauer hierzulande.

Unterstützung bekam der Minister am Montag in Berlin durch Claude Mandil, den Chef der Internationalen Energie-Agentur (IEA). Die Organisation stellte ihren jüngsten Bericht über die deutsche Energiepolitik im Bundeswirtschaftsministerium vor und äußerte sich darin auch ganz im Sinne von Glos: „Die vorzeitige Stilllegung der Reaktoren geht auf Kosten der Versorgungssicherheit, der Wirtschaftlichkeit und der Umweltverträglichkeit“, heißt es in dem Bericht. Und Mandil sagte, er wolle Deutschland „ermutigen“, seine Politik „zu überdenken“. „Mit dem Kernenergieausstieg droht eine Erhöhung des CO2-Gesamtemissionsniveaus, und er wird Deutschland sicherlich daran hindern, sein Potenzial zur Emissionssenkung auf längere Sicht voll auszuschöpfen“, heißt es in dem Bericht. Die IEA war 1974 infolge der Ölpreiskrise gegründet worden, um sich um die Rohstoffsicherheit ihrer 26 Mitgliedsstaaten zu kümmern. Glos nannte die Organisation am Montag zwar „völlig unverdächtig und unparteiisch“, doch immer wieder werfen Kritiker der IEA vor, sich vor allem um die Interessen der Energiekonzerne zu kümmern.

Abgesehen vom Thema Kernkraft fällt der jüngste Länderbericht – alle vier Jahre erstellt die IEA eine derartige Studie – positiv aus für Deutschland. Mandil sprach sogar von bemerkenswerten Fortschritten, die „für ganz Europa wichtig“ seien. Positiv sei beispielsweise die Einrichtung der Bundesnetzagentur, die seit 2005 die Nutzung der Energienetze reguliert und dabei etwa im Bereich Strom die vier großen Konzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW zur Absenkung der Netzgebühren gezwungen hat. Um die Bedeutung der Netzregulierung zu illustrieren, nahm sich Mandil den Frankfurter Flughafen zu Hilfe: Es sei völlig undenkbar, dass der Airport allein von der Lufthansa betrieben würde, aber so seien in etwa die Verhältnisse, unter denen die Energienetze von den jeweils regionalen Monopolen betrieben würden.

Mandil plädierte für die Etablierung unabhängiger Netzbetreiber, lehnte dazu aber einen eigentumsrechtlichen Eingriff, also gewissermaßen die Enteignung der Netze ab. In diese Richtung denkt aber die EU-Kommission. Deshalb wollen an diesem Mittwoch Stromkonzerne aus Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten offenbar eine grenzüberschreitende Netz-Plattform gründen. Die Plattform mit dem Namen „North-West European Market Parties Platform“ solle 2009 starten, meldete die Deutsche Presseagentur. Beteiligt seien neben den Stromkonzernen auch Ministerien, Netz- und Regulierungsbehörden, Netzbetreiber sowie Energieverbände. Ziel sei, die Strommärkte in den fünf Ländern besser zu verzahnen und eben der von der EU geplanten Entflechtung entgegenzuwirken.

Zu den erneuerbaren Energien äußerte sich die IEA zurückhaltend und kritisierte die Förderung der Solarenergie als zu aufwendig. Glos sagte dazu, er wolle künftig bei der Förderpolitik vor allem auch die Wirtschaftlichkeit berücksichtigen und die sogenannte Einspeisevergütungsregelung, die Investoren in regenerative Energie feste Einnahmen sichert, anders justieren. Ferner setzt der deutsche Wirtschaftsminister auf CO2-freie Kohlekraftwerke, die aber in den nächsten zehn Jahren vermutlich keinen nennenswerten Beitrag zur Energieversorgung leisten werden. Auch deshalb, so Glos, brauche Deutschland „die Kernenergie als Übergangsenergie“.

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