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Fusion: Das 24-Milliarden-Euro -Missverständnis

Für die Allianz war die Übernahme der Dresdner Bank ein Desaster – Es könnte am Sonntag enden.

Frankfurt am Main - Große Worte fallen am 7. August 2001 auf dem Frankfurter Jürgen-Ponto-Platz vor dem 165 Meter hohen Turm der Dresdner Bank. Unter dem Motto „Doppelt gut voran“ lassen sich Henning Schulte-Noelle, der damalige Allianz-Chef und heutige erste Mann des Allianz-Aufsichtsrates, und Bernd Fahrholz, der damalige Vorstandssprecher der Dresdner Bank, feiern. Mit der Übernahme der Dresdner Bank für rund 24 Milliarden Euro, die beide vier Monate zuvor verkündet hatten, würden Versicherung und Bank eine „Pionierrolle“ in Deutschland übernehmen. Die Ampel stehe jetzt auf Grün, frohlocken die Manager unter dem Beifall der Mitarbeiter. Bis 2005 sollen Kosten- und Ertragssynergien in Höhe von 2,2 Milliarden Euro erzielt werden. Schöne, am Ende aber hohle Worte. Die Übernahme der Dresdner Bank entpuppt sich für die Allianz als Desaster und wird zu einem der größten Missgriffe in der deutschen Finanzszene.

Nun will die Allianz die Notbremse ziehen. Erwartet wird, dass der Vorstand unter Chef Michael Diekmann dem Aufsichtsrat am heutigen Sonntag vorschlagen wird, die Bank zu verkaufen – wahrscheinlich an die Commerzbank. Damit soll Schlimmeres verhindert werden. Ausbügeln lässt sich der Fehler von damals ohnehin nicht mehr.

Die Übernahme von 2001 war auch eine Reaktion auf den gescheiterten Zusammenschluss von Deutscher Bank und Dresdner Bank ein gutes Jahr zuvor, den die Allianz mit angestoßen hatte. Die Investmentbanker der Deutschen Bank und mit ihnen vor allem der heutige Bank- Chef Josef Ackermann verhinderten die mit großem Brimborium verkündete Fusion. Aus heutiger Sicht zum Vorteil der Deutschen Bank. Auch die danach aufgenommenen Gespräche zwischen Dresdner und Commerzbank verliefen im Sand.

Schon ein Jahr nach der Übernahme durch die Allianz zeigen sich die Probleme. Das Kreditportfolio der Dresdner Bank ist schlecht bis marode, bedarf dringend der Sanierung. 2002 und 2003 verbucht das Institut Verluste in Höhe von fast drei Milliarden Euro, danach gibt es lediglich 2005 einen deutlichen Gewinn von 1,7 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr 2008 rutscht die Bank durch die Finanzkrise und dadurch entstandene Belastungen von mittlerweile rund drei Milliarden Euro wieder mit gut einer Milliarde Euro ins Minus. Unter dem Strich hat die Dresdner Bank damit der Allianz in sechseinhalb Jahren Verluste in Höhe von fast 800 Millionen Euro beschert. Die Erfolge im gegenseitigen Vertrieb von Versicherungs- und Bankprodukten sind überschaubar. Allenfalls neun Milliarden Euro dürfte die Bank heute noch wert sein.

Für das Scheitern führt Banken-Analyst Konrad Becker vom Bankhaus Merck, Finck & Co aber auch unglückliche Umstände an. „Die Bankenkrise 2002/2003 und die seit einem Jahr andauernde Finanzkrise waren natürlich nicht eingeplant und zwangen zu hohen Abschreibungen. Da hatte die Allianz einfach Pech.“ Allerdings ist nicht nur für Becker nie wirklich klar geworden, warum die Dresdner Bank für die Allianz ein Plus sein sollte. Gegenseitig seien kaum Kunden gewonnen worden. „Vor allem hat die Allianz viel zu lange am Investmentbanking festgehalten.“ Thilo Gorlt von der BHF Bank will die Übernahme nicht generell schlechtreden. Ohne die Dresdner Bank, glaubt er, hätte die Allianz Marktanteile verloren. Entscheidend für den Misserfolg sei aber, dass Versicherung und Investmentbanking nicht zueinander passen. Auch Gorlt kritisiert, dass die Allianz die Investmentbanking-Sparte Dresdner Kleinwort nicht schon längst abgestoßen hat.

Auch mehrfache Sanierungsschritte und der Abbau von rund 13 700 auf heute nur noch 26 300 Arbeitsplätze haben nicht geholfen. Der Verkauf der Dresdner Bank jedenfalls markiert den Tiefpunkt in der mittlerweile 136 Jahre alten Geschichte der Bank. Gegründet wurde das Institut am 1. Dezember 1872 in Dresden. Die aufstrebende deutsche Industrie brauchte schlagkräftige Banken. Unterbrochen von Einschnitten durch die beiden Weltkriege und von einer zweifelhaften Rolle in der Nazizeit stieg die Dresdner Bank hinter der Deutschen Bank bis in die 90er Jahre zur Nummer zwei im deutschen Bankenmarkt auf. Weltweit fast 50 000 Mitarbeiter zählte das Institut in seinen besten Zeiten. Managementfehler und die Selbstüberschätzung etlicher Vorstände leiteten den Niedergang ein. „Da herrschten zeitweise Chaos und Eifersüchteleien“, sagt ein Kenner.

Die Ambitionen im Investmentbanking und damit der Versuch, den Abstand zur Deutschen Bank nicht noch größer werden zu lassen, erwiesen sich als überzogen. Drei Milliarden Deutsche Mark für den Kauf der britischen Investmentbank Wasserstein Perella Ende der 90er Jahre waren viel zu viel. Die im April 2000 gescheiterte Fusion mit der Deutschen Bank war ein weiterer Meilenstein auf dem Weg nach unten, den letztlich auch die Allianz mit der Übernahme nicht stoppen konnte.

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