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Wirtschaft: „Gas wird noch einmal teurer“

Gernot Schaefer, Vorsitzender des BDI-Energieausschusses, über den Gaskonflikt zwischen Russland und der Ukraine, Energiepreise und die Bundesnetzagentur

Herr Schaefer, Russland und die Ukraine streiten um den Preis für Erdgas. Betrifft das auch uns?

Wenn Moskau und Kiew Probleme miteinander haben, trifft das auch uns. Die Ukraine könnte mittelfristig die Durchleitungsgebühren durch ihr Gebiet erhöhen, das schlägt sich dann auch in den deutschen Gaspreisen nieder. Deshalb stellt die geplante Ostsee-Pipeline eine sehr gute strategische Vorsorge dar.

Wie dringend braucht Deutschland die Ostsee-Gaspipeline, in deren Betreibergesellschaft Altkanzler Schröder den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen soll?

Wir brauchen sie nicht zwingend zur Versorgung, mengenmäßig würden auch die bisherigen Landleitungen reichen. Aber als Alternative ist sie hervorragend geeignet, weil wir so unsere Bezugswege diversifizieren. Bisher gibt es nur zwei Möglichkeiten für russisches Gas, nach Deutschland zu kommen: über die Ukraine oder über Weißrussland. Durch die Pipeline wird die politische Gefährdung geringer.

2005 hat sich Energie für Verbraucher und Unternehmen deutlich verteuert. Wird 2006 besser?

Ich denke, dass sich die Märkte ein wenig beruhigen. Die Opec scheint ja eine ganz gezielte Politik zu betreiben: Sie will den Ölpreis bei rund 60 Dollar je Barrel halten. Der Gaspreis hängt nun einmal am Ölpreis. Insofern werden wir dort die gleichen Entwicklungen haben – allerdings mit einem halben Jahr Verspätung. Wegen dieses Nachholeffekts wird Gas Anfang 2006 sicher noch einmal teurer, zunächst im Januar, wahrscheinlich aber auch noch mal im April. Was Strom betrifft, habe ich die Hoffnung, dass die Regulierung durch die Bundesnetzagentur eine preisdämpfende Wirkung erzielt.

Wie ließe sich der Gaspreis denn senken?

Was den Gasimport angeht, wird man nicht viel machen können. Wir haben drei große Fördergesellschaften in Europa, zwei in Norwegen und Gasprom in Russland, und die machen ihre Preise am Ölpreis fest. Aber innerhalb Deutschlands könnte man durchaus für mehr Wettbewerb sorgen. Im Grunde genommen haben wir nur zwei große Anbieter – Eon-Ruhrgas und Wingas –, die ihre Netze für den jeweils anderen dicht halten. Hier muss die Bundesnetzagentur vernünftige Regeln finden, damit man als Kunde wenigstens zwischen diesen beiden Unternehmen wählen kann.

Die Industrie in Deutschland beklagt, dass der Staat an den hohen Energiepreisen mit schuld sei. Ist das entscheidend?

Es ist zumindest ein sehr wichtiger Punkt. Zum Teil haben wir Doppelbelastungen: auf der einen Seite die CO2-Emissionszertifikate, die sich auf den Strompreis niederschlagen, auf der anderen Seite die Ökosteuer, die noch obendrauf kommt. Der Staat hätte durchaus Potenzial, die Energiekosten und damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu beeinflussen.

Was heißt das konkret?

Man muss sich entscheiden, was man will. Als Industrie stimmen wir dem Umweltschutz zu, aber der CO2-Zertifikate-Handel ist dazu nur ein teilweise geeignetes Instrument. Und die Ökosteuer sollte auf jeden Fall abgeschafft werden, da hier eine Doppelbelastung stattfindet.

So wird das Klima nicht entlastet.

Die Industrie versucht seit Jahrzehnten, den Energieeinsatz so gering wie möglich zu halten. In meiner Branche, der Kalkindustrie, macht Energie 40 Prozent der Kosten aus. Es ist also das ureigenste Interesse, Energie zu sparen. Die Politik sollte sich da heraushalten.

Sehen Sie schon Anzeichen, dass sich die Politik unter der Großen Koalition eher auf die Forderungen der Industrie zubewegt als unter Rot-Grün?

Es wird durchaus mehr pro Industrie gedacht. Frau Merkel will in den nächsten drei Monaten einen Energiegipfel einberufen, das Thema ist also in der Spitze der Regierung angekommen. Hauptziel muss sein, dass Energie günstiger wird.

Einiges passiert auch jetzt schon. Mehrere Bundesländer gehen derzeit gegen Strompreiserhöhungen vor.

Da ist allerdings viel Populismus im Spiel. Wenn man wie in Hessen alle Tarifanpassungen pauschal ablehnt, dann trifft das die Endverteiler, also die Stadtwerke. Die müssen sich ihren Strom aber bei den großen Energiekonzernen einkaufen. Deshalb muss man dort ansetzen.

Die Erzeugungskapazitäten sind fest in der Hand der großen vier – Eon, RWE, Vattenfall und EnBW.

Das ist in der Tat ein Oligopol. Gefährlich wird es, wenn die große Marktmacht missbraucht wird.

Hegen Sie diesen Verdacht?

Der Haken ist die Energiebörse EEX in Leipzig. Sie ist relativ intransparent, außerdem werden hier nur geringe Mengen gehandelt – nämlich knapp 15 Prozent des gesamten Stromverbrauchs. Trotzdem wird für alle Stromgeschäfte der Börsenpreis als Referenz herangezogen. Das könnte dazu verleiten, dass man damit „spielt“. Ich will nicht sagen, dass die Unternehmen das tatsächlich tun, aber es gehört mehr Transparenz rein, dann wäre dieser Vorwurf schnell aus der Welt.

Nach dem Stromausfall im Münsterland wurden die Versorger wegen unzureichender Investitionen in die Netze kritisiert. Zu Recht?

In diesem konkreten Fall teile ich die Auffassung von RWE, dass das höhere Gewalt war. Aber es gibt keinen Zweifel, dass mehr in die Netze investiert werden muss. Zum Teil sind die Stromnetze wirklich alt und müssen erneuert werden.

Wer kann das sicherstellen?

Die Bundesnetzagentur und die Politik können das nur fordern. Letztlich sind die Betreiber in der Pflicht.

Und wenn die nicht wollen?

Dann muss die Politik versuchen, Einfluss zu nehmen.

Das hört sich sehr zurückhaltend an. Ihr Vorgänger im BDI-Energieausschuss, Werner Marnette, betonte die Interessen der Energieverbraucher stärker.

Im BDI sind beide Seiten vertreten: Energiekunden und -erzeuger. Folglich sind wir zu Diskussion und Kooperation aufgerufen. Das bringt letztlich auch mehr als die Konfrontation.

Das Interview führte Anselm Waldermann.

Gernot Schaefer leitet seit Oktober den Energieausschuss des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, in dessen Vorstand er sitzt. Seine Firma in Diez bei Limburg betreibt Kalkwerke.

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