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Gastkommentar: "Labortüren öffnen!"

Die Technologie für effizienten Klimaschutz ist vorhanden – man muss sie nur einsetzen. Von Peter Löscher

In sechs Wochen beginnt die vielleicht wichtigste Zusammenkunft, die die Vereinten Nationen je veranstaltet haben: Auf der Klimakonferenz in Kopenhagen versuchen mehr als 190 Staaten, eine verbindliche Vereinbarung zu erreichen, um die Erwärmung unserer Atmosphäre in erträglichen Grenzen zu halten. Das ist eine politische Herkulesaufgabe. Nicht minder groß sind die Herausforderungen, wenn es danach um die Umsetzung geht und die Emissionen an Treibhausgasen in den nächsten Jahrzehnten drastisch zurückgefahren werden sollen.

Die gute Nachricht ist, dass viele Technologien für effizienten Klimaschutz bereits vorhanden sind. Wir müssen sie nur breit einsetzen! Hier ist viel in Bewegung gekommen. Beispielsweise steigt weltweit der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix. Viele Länder haben hierfür ehrgeizige Programme gestartet. Und erst vor wenigen Wochen bildete sich eine Initiative aus Industrie- und Regierungsvertretern, um das Desertec-Projekt Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei soll Solar- und Windstrom aus Nordafrika und dem Mittleren Osten künftig nicht nur die Stromversorgung vor Ort sichern, sondern bis nach Europa übertragen werden.

Eine realistische Zukunftsvision könnte so aussehen: Stromautobahnen übertragen Solarstrom aus der Wüste und Windstrom von den Küsten hoch effizient über tausende Kilometer. Ein Smart Grid, also ein intelligentes Stromnetz, verteilt den Strom der Energieversorger nach Bedarf und passt die Tarife an. So können die Menschen Strom sehr flexibel beziehen und die Energieversorger ihre Kapazitäten besser ausnutzen. Zugleich wird Strom, wenn er – etwa bei starkem Wind – im Überschuss vorhanden ist, zwischengespeichert. Hierfür bieten sich vor allem die Batterien von Elektroautos an. Strom wird zum allumfassenden Energieträger, denn er lässt sich sehr umweltfreundlich erzeugen und effizient nutzen. Letzteres gilt für Lampen mit Leuchtdioden genauso wie für stromsparende Haushaltsgeräte oder Elektromotoren in der Industrie.

Obwohl vorhanden, müssen viele Technologien weiter optimiert, andere erst zur Marktreife gebracht werden. Hier ist der Beitrag der Wissenschaft gefragt. Die Grundlagenforschung kann völlig neue Materialien hervorbringen, mit denen Energie noch effizienter genutzt werden kann. Wenn etwa die Speicher für Elektroautos kleiner, leichter und kostengünstiger werden, dann könnte viel schneller ein Massenmarkt entstehen. Gleiches gilt, wenn es gelänge, Kohlendioxid mit Katalysatoren so umzuwandeln, dass daraus neue Bausteine für die chemische Industrie werden.

Für Siemens sind daher Kooperationen mit Universitäten von strategischer Bedeutung. Pro Jahr starten wir rund 1000 solche Projekte. Die Zeiten geschlossener Labortüren sind vorbei. Um den Austausch zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft weiter zu fördern, veranstalten Siemens und die Max-Planck-Gesellschaft am heutigen Montag in Berlin den sogenannten „Future Dialogue“. In dieses Forum kommen Spitzenforscher wie der Klimaexperte Hans Joachim Schellnhuber oder Dennis Meadows, der Autor der berühmten Zukunftsstudie über die „Grenzen des Wachstums“. Zugegen wird auch Khaled Awad sein, der Direktor von Masdar City, einer Stadt im Nahen Osten für bis zu 50 000 Menschen, die keinerlei Treibhausgas-Emissionen verursachen soll.

Es geht darum, wie die Zusammenarbeit von Entscheidungsträgern intensiver und zielgerichteter werden kann. Denn den entscheidenden Herausforderungen des 21. Jahrhunderts kann die Industrie nur im Schulterschluss mit praxisorientierten Grundlagenforschern und entschlossen handelnden Politikern begegnen.

Der Autor ist Vorstandsvorsitzender der Siemens AG.

Peter Löscher

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