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Wirtschaft: Gazprom und Moskau schließen Vergleich

MOSKAU .Die Vorgänge um Gazprom hielten die Medien in Trab.

MOSKAU .Die Vorgänge um Gazprom hielten die Medien in Trab.Doch die vermeintlichen Spitzenmeldungen erwiesen sich als "Sturm im Wodkaglas".Zwar wies am Morgen Premier Sergej Kirijenko Moskaus obersten Steuereintreiber, Boris Fjodorow, an, sämtliche Konten des Monopolisten zu beschlagnahmen.Gegen Mittag rückten die Rollkommandos der Steuerpolizei in der Firmenzentrale an.Zuvor hatte Vizepremier Boris Nemzow die Ablösung von Gazpromchef Rem Wjachirew angekündigt, der die 35 Prozent Anteile des Staates treuhänderisch verwaltet, sowie die Kündigung des Vertrages selbst.Mit dem Kraftakt sollte ein Exempel für alle säumigen Steuerzahler statuiert werden.Die Aktion sei von Boris Jelzin gedeckt, sekundierte ein Regierungssprecher.Doch der Kreml stoppte am Nachmittag die Strafexpedition und bei einer Krisensitzung am Abend einigten sich Regierung und Aufsichtsrat auf einen Vergleich: Die zwölf Mrd.Steuerrückstände von Gazprom sollen gegen die 13 Mrd.Schulden des Staates gegenüber dem Unternehmen verrechnet werden.Zudem wird Gazprom künftig monatlich vier Mrd.Rubel Vorsteuer zahlen.

Der Schaden ist dennoch immens.Immerhin finanziert sich der russische Haushalt zu 25 bis 30 Prozent aus den Steuern von Gazprom.Gleich nach dem Auftritt der Steuerpolizei aber fielen die Gazprom-Aktien um 14 Prozent.Am Freitag zogen sie zwar um sechs Prozent wieder an, doch der Netto-Verlust beläuft sich immer noch auf über eine Mrd.US-Dollar allein auf dem Binnenmarkt.Rund ein Viertel dessen, was Kirijenko mit seinem Antikrisenprogramm durch Umsatzsteuererhöhungen bis Jahresende erwirtschaften will.

Die Chancen auf Bestätigung des Sparpakets durch die Duma, die ohnehin eher gering waren, tendieren nach der Gazprom-Attacke gegen Null.Gesetze zur Anhebung der Mehrwertsteuer fielen bereits durch und nach Bekanntwerden des Gazprom-Skandals vertagte das Parlament die weitere Erörterung der Krisengesetze.Die Medien - auch solche, an denen Gazprom nicht beteiligt ist - werfen Kirijenko Kurzsichtigkeit vor.Die liberale Wirtschaftszeitung "Kommersant" indessen lobt Kirijenkos Versuch, "Rußlands größtes Unternehmen unter Kontrolle zu bringen", räumt jedoch ein, daß er seinem Ziel nicht einen Schritt nähergekommen sei.Dem ist in der Tat so: Zwar gelang es dem Regierungschef, dem Gazprom-Aufsichtsrat einen seiner Gefolgsleute als sechsten Vorstand aufs Auge zu drücken.Doch Konzernchef Wjachirew kann er nicht entlassen.Da auch der Treuhandvertrag bis auf weiteres gültig bleibt, ist nach dessen Bestimmungen ausgerechnet Kirijenko für die "vollständige Begleichung aller steuerlichen Verpflichtungen des Unternehmens und deren Töchter verantwortlich".Da alles beim alten bleibt, dürfte es Kirijenko schwerfallen, mit jenen Reformzusagen ernst zu machen, die der Internationale Währungsfonds sowohl an die Vergabe der 670 Mill.US-Dollar Ende Juni band, als auch an einen Stabilisierungskredit von 15 Mrd.Dollar, über den gegenwärtig verhandelt wird.Von Entflechtung des Monopolisten sei keine Rede, beruhigte Kirijenko am Donnerstagabend Kommunistenführer Gennadij Sjuganow in der Duma.Mit seinem Versuch, das Konzernmanagement zu verändern, war Kirijenko schon im Mai gescheitert.Viele Unterlagen sind der Regierung nicht zugänglich.Angesichts dieser Tatbestände, so "Kommersant" erübrige sich die Frage, warum Jelzin seinen größten Sponsor auf seinem Posten belassen hat.Die eigentlichen Sieger des Schlagabtausches nennt das Blatt aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Verlag nicht: Das Firmenimperium des Multimilliardärs Boris Beresowski und die Onexim-Gruppe von Tschubais-Intimus Wladimir Potanin.Beide gelten als aussichtsreichste Bewerber für den zweiten Versuch der Privatisierung des Erdölgiganten Rosneft Ende August.Dritter Mitbewerber war das Konsortium Gasprom-Lukoil-Royal Dutch Shell.Doch die Briten stiegen am Donnerstag wegen der Unsicherheiten bei Gazprom aus.

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