zum Hauptinhalt
Weselsky

© dpa

GDL-Vize Claus Weselsky: "S-Bahn-Fahrer sind heiß auf den Streik"

Der Vertreter der Lokführergewerkschaft spricht mit dem Tagesspiegel über die Gründe des erneuten Arbeitskampfes – und die Stimmung an der Basis.

Herr Weselsky, wie soll ich am Montag zur Arbeit kommen?

Die Situation in Berlin ist nicht ganz so einfach, das stimmt. Aber es gibt ja andere Verkehrsmittel – Taxi, Auto, Fahrrad.

Warum gibt es angesichts des BVG-Streiks keine Ausnahmeregelung?

Das ist etwas schwierig, weil gerade unsere Kollegen von der S-Bahn Berlin sehr auf einen Arbeitskampf drängen. Die sind jetzt heiß auf den Streik.

Sie können also ihre besonders engagierten Leute nicht zügeln?

Ja.

Wollen Sie auch ein Zeichen setzen? Die Bahn hat hier ihre Zentrale, die Bundespolitiker werden die Folgen hautnah spüren.

Niemand kann ernsthaft behaupten, dass es Kalkül der GDL ist, dass die Arbeitskämpfe hier so zusammentreffen. Immerhin quälen wir uns bereits seit mehr als elf Monaten mit dem Tarifstreit. Nicht wir waren es, die bereits getroffene Vereinbarungen – den eigenständigen Vertrag und die Lohnsteigerung – wieder infrage gestellt und die Umsetzung des Tarifergebnisses von weiteren Vorbedingungen abhängig gemacht haben.

Die Lokführer bekommen im Schnitt elf Prozent mehr Geld. Davon träumen viele. Warum streiken sie trotzdem?

Es stimmt, elf Prozent sind viel. Viele Bürger wissen aber jetzt, dass die Bezahlung der Lokführer nicht nur bescheiden, sondern desaströs ist. Das gilt immer noch, noch haben unsere Mitglieder ja keinen Cent mehr bekommen.

Die Bahn zahlt bereits Abschläge, obwohl noch kein Tarifvertrag in Kraft ist.

Auf dem Lohnstreifen der Lokführer steht, dass dies unter dem Vorbehalt einer Einigung steht. Wenn nichts zustande kommt, müssen unsere Leute das Geld also zurückzahlen. Für eine Wohltat halte ich das nicht.

Erwarten Sie noch Verständnis für diesen Kampf um Geld und Macht?

Ja, weil wir noch nicht am Ziel sind. Die Bedingungen, die die Bahn und die anderen Gewerkschaften an einen Abschluss knüpfen, sind für uns unannehmbar. Demnach sollen wir unsere Regelungen von Transnet und GDBA absegnen lassen. Wenn ein Partner gezwungen werden soll, seine Eigenständigkeit aufzugeben, hat das aber nichts mit Machtbalance zu tun. Wir können gemeinsam Ziele abstecken, mehr aber auch nicht. Wer glaubt, dass die GDL ihre tarifpolitische Kompetenz an der Pforte abgibt, ist auf dem Holzweg.

Muckt nicht auch Ihre Basis auf? Zu Anfang haben sie 31 Prozent mehr Geld gefordert.

Nein, auch wenn das immer wieder kolportiert wird. Die Leute stehen hinter uns. Wir haben die Mitglieder zwischenzeitlich noch einmal befragt und klare Unterstützung bekommen.

Nicht jeder Lokführer wird elf Prozent bekommen – für einige wird es nur sieben Prozent geben, für andere 15. Verstehen Ihre Leute das?

Unser Problem liegt nicht in der unterschiedlichen individuellen Wirkung. Die gibt es, sicher. Es kommt darauf an, dass wir auch in Zukunft für die Mitglieder eine vernünftige Tarifpolitik machen können.

Gibt es etwas, das den Streik ab Montag noch verhindern kann?

Eine Unterschrift des Vorstands unter den Lokführervertrag, den wir am Montag bereits unterzeichnet bei der Bahn abgegeben haben – sonst nichts.

Ihre Streiks waren bislang stets befristet, nun nicht mehr. Warum?

Wir streiken nicht unbefristet, das stimmt nicht. Der Arbeitskampf endet, wenn der geschäftsführende Vorstand es beschließt. Ich wünsche uns allen nicht, dass wir überhaupt beginnen müssen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Arbeitskampf besonders lange dauern wird. Folgen und Kosten sind ja bekannt.

Wann setzt sich der Vorstand wieder zusammen? Nach drei Tagen, nach fünf?

Die Bahn kann jederzeit auf uns zukommen, wir stehen permanent bereit – momentan gibt es allerdings keine neuen Termine. Ich will das Ende des Streiks nicht an Bedingungen knüpfen, er kann auch zwischendurch ausgesetzt und wieder fortgesetzt werden. Wir werden aber nicht mehr so nett sein und den Arbeitskampf aussetzen, nur weil es Gespräche gibt. Das schwächt die Streikbereitschaft der Basis, das haben wir in den vergangenen Monaten gesehen.

Sie verschärfen also ihre Gangart.

Das ist die Lehre aus dem bisherigen Streit. Auch, weil das Vertrauen in den Bahn-Vorstand dahin ist. Die Bahn hat mehrfach Versprechen gebrochen, nur um für sich einen Vorteil zu ziehen.

Wenn sich die GDL durchsetzt, kann künftig jede Bahn-Gewerkschaft für sich verhandeln. Wird es einen Wettbewerb um die höchste Forderung geben?

Das ist das alte Gespenst, das die Bahn an die Wand malt. Es gibt viele Unternehmen, wo kleinere und größere Gewerkschaften eigenständige Verträge haben, etwa die Lufthansa. Dort gibt es nirgends Probleme. Die Bahn hat über viele Jahre hervorragend mit einer handzahmen Hausgewerkschaft, der Transnet, gelebt. Dass die schöne Zeit vorbei sein soll, geht offenbar in den Kopf von Herrn Mehdorn nicht hinein.

Ihr Ziel ist es also, den anderen Gewerkschaften Mitglieder abzunehmen?

Nein, wir wollen Tarifpolitik für unsere Mitglieder machen. Wenn wir unsere Sache gut machen, kommen auch mehr Leute zu uns. Es geht um Arbeitszeit und Einkommen, nicht um Macht.

Jetzt soll ein Gericht den Streik stoppen.

Ja, die Prozesshanselei fängt wieder an. Wer in Verhandlungen keine Argumente mehr hat und zu Täuschungen und Tricksereien greifen muss, um sich durchzusetzen, der sucht am Ende auch sein Heil vor Gericht. Wir gehen davon aus, dass es wieder so ausgeht wie vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht – mit einer krachenden Niederlage für die Bahn.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

Zur Startseite