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Wirtschaft: Geb. 1941

Regine von Ramin

Regine von Ramin

Da sitzen also der Ex-Mann und die Freundin in der Villa in Lichterfelde, trinken Gin Tonic und sind seit Jahren Mann und Frau. Regine hat uns verkuppelt, sagen sie, aber das ist eine lange Geschichte. Die Kurzfassung geht so: Heirate du mal den Reinhard. Nein: Heirate du mal meinen Mann, hat sie gesagt, der ist gut für dich. Irgendwann, es hat ein paar Jahre gedauert, hat die Freundin es eingesehen, sich gefügt. Da waren Reinhard und Regine von Ramin schon lange geschieden, hatten ihr Herz schon ein paar Mal aufs Neue verschenkt, die Zeiten waren danach. Aber „ihr Mann“ war er, zumindest der Redensart nach, immer noch, blieb es lebenslang, sogar nachdem das mit dem Verkuppeln mit der Freundin geklappt hatte.

In den fünften Stock willst du ziehen, fragte der Ex-Mann seine Ex-Frau vor ihrer Ehe. Ganz ohne Aufzug? Was ist schon dabei, war ihre Antwort, so schlimm ist das nun wirklich nicht. Sie reiste am Tag des Umzugs nach Düsseldorf, zum Einkaufen, er schleppte ihre Möbel in der Uhlandstraße die Treppen hoch. Er konnte ihr nichts abschlagen, auch als sie schon seit Jahren mit anderen zusammen war. Vielen Freunden ging es so. Sie war interessant und anregend, da war es nicht wichtig, dass der Kühlschrank leer war, wenn man zu Besuch kam. Man brachte etwas mit zum Essen, ertrug ihre Launen. Sie saß da wie die Spinne im Netz, gab gute Tipps und aß am liebsten Geleebananen.

Als er sie auf einer Party kennen lernte, war die schöne Regine, die gekämmte Perücken trug, weil sie Friseurbesuche hasste, gerade mit einem Dänen verlobt. Das hat sie schnell beendet – einen von Ramin, 1000 Jahre vorpommerscher Uradel, traf man auch damals nicht jeden Tag. Er fand sie faszinierend und sehr attraktiv, doch eine zum Anlehnen war sie nicht. Bei ihrer Hochzeit froren die Blumen am Auto fest, so kalt war es. Den Ehering mit dem großem Brillanten ließ sie auf einer Reise bei Limerick liegen, neben einem Waschbecken.

Warum hast du mich eigentlich geheiratet, wollte er einmal von ihr wissen, als sie schon geschieden waren und so ins Plaudern kamen. Weil alle sagten, den kriegst du nie rum, antwortete sie. Der Name klang auch gut. Sie konnte gnadenlos ehrlich sein. Ihre Freunde mochten das. Schonungslosigkeit ist die wichtigste Tugend einer guten Ratgeberin.

Ihre Mutter wäre nie so mit ihrem Mann umgegangen. Die duckte sich, wenn der Vater schrie, versteckte sich in der Küche. So war das eben in den Fünfzigern. Regine gehörte zur neuen Zeit. An Kinderkriegen hat sie ihr Leben lang nicht gedacht – wie die meisten ihrer Freundinnen. Mit 16 ist sie abgehauen nach England, hat als Zimmermädchen gearbeitet. Die Zeit schmeckte nach Revolution, nach Beatmusik, dann kam die Pille, die Revolte auch gegen die Rolle des Heimchens am Herd.

In Deutschland wurde sie Chefsekretärin im Musikverlag Meisel, war hautnah dran am glamourösen Showgeschäft, an Beatles und Stones. Die Konzerte waren ekstatisch, die Haare lang. Bei alldem blieb sie aber eine Frau von Stil. Sie wohnte in einer Villenetage in Dahlem, sammelte Schmuck, Möbel, Menschen. Und wenn ihre Kollegen ausgingen, hatte sie Migräne.

Sie verließ ihren Mann für einen jungen Musikmanager, ging mit ihm nach London und hauste in einer feuchten Wohnung. Er war wild, mit schwarzer Lockenmähne und Hawaiihemd, ein Urtyp. Er war anders als alles, was sie kannte. Er war ihre große Liebe. Als er sie sechs Jahre später verließ, war es vorbei mit der Migräne. Sie bekam Rheuma.

Sie hätte einen Krankenhausführer schreiben können: „Von Bad Bramstedt bis BadenBaden“, so viele Kliniken hat sie besucht, so viele Gelenke wurden ihr ausgetauscht, die Arme waren blau vom Cortison. Welche Schmerzen sie gehabt haben muss! Aber Mitleid wollte sie nicht. Ihre Leidenschaft galt altem Schmuck und Antiquitäten. Ansonsten zog sie sich aus der Gesellschaft zurück, im Rollstuhl oder mit Stock auf einer Party erscheinen, das behagte ihr nicht, sie zitierte nur noch den engsten Kreis der Vertrauten an ihr Krankenbett, ihre Männer, den Ex und die große Liebe von einst, die gehörten dazu.

Wir waren bis zum Schluss Freunde, sagt ihr Ex-Mann. Bei uns war seit zwei Jahren Funkpause, sagt die Freundin. Ein Streit. Nicht um Männer, Gott bewahre. Nein, weil Regine nie im Restaurant bezahlen wollte, seit 25 Jahren nicht. Aus Prinzip, aus Geiz, Marotte oder Machtspiel? Wer weiß das schon. Auf keinen Fall war es Grund genug für einen endgültigen Bruch. Regine hat sich mit jedem mal überworfen, sagt die Freundin, das gehörte dazu. Es hätte sich schon wieder eingerenkt, irgendwann. So war es schließlich immer.

Kirsten Wenzel

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