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Wirtschaft: Geb. 1957

Am liebsten kletterte er auf Vulkane. Wenn’s ging auf aktive.

Am liebsten kletterte er auf Vulkane. Wenn’s ging auf aktive. Er hinterließ 69 Lampen und 12 komplette Laternen.

Zufall oder Schicksal? Haben die Dinge, sich immer angekündigt – in seinem Leben, in der Geschichte der Familie? Bemerkenswert ist es allemal, dass sich die Eltern ausgerechnet in der „Aktiengesellschaft Vulcan“, einer Kölner Gaslaternenfabrik kennen gelernt haben.

Als Albrecht fünf war, entdeckte er bei seinen Großeltern, dass man nicht nur auf stumpfen Platten, sondern auch mit Gas kochen kann. Das Klicken des Anzünders! Die tanzenden blauen Flämmchen! Dieses Rauschen! Wer das Kind suchte, wenn es wieder einmal beunruhigend still war, fand Albrecht meist in der Küche. Wenn es im Sandkasten spielte, sang das Kind: „Snipp! Snapp! Alles brennt!“ Gaslaternenanzünder wollte er werden. Oder Gaslaternenputzer. Als Albrecht zehn Jahre alt war, schenkten ihm seine Eltern den ausgemusterten Aufsatz einer Schinkelleuchte. Das war der Anfang.

Das mit dem Gaslaternenanzünder ist nichts geworden, Albrecht Schwarz studierte Versorgungstechnik und plante später im Bezirksamt den Einbau der Küchen, Heizungen und Klimaanlagen für die Spandauer Kindertagesstätten. Aber auch das passte, denn schon als Kind war er das, was die Menschen einen richtigen Jungen nennen. Einer, den die Technik fasziniert. Modellflugzeuge, ferngesteuerte Boote, Dampfeisenbahnen . . . Wenn Albrecht Flugzeug spielte, warf er mit lauten Gebrumm erst den rechten Arm als Propeller an. Dann begann der linke zu rotieren. Schließlich drehte Albrecht, der Hyperaktive, völlig durch. Oder der Junge spielte Unimog, rammte als Zugmaschine jeden, der sich ihm in den Weg stellte. Er redete viel und manchmal altklug daher. Dass Albrecht anders war, nahmen ihm in der Schule manche Kameraden übel. Mal kam das Kind mit einem blauen Auge nach Hause, dann mit nur einem Schuh.

Das mit dem Ärger in der Schule legte sich mit der Pubertät. Etwa zu dieser Zeit entdeckte Albrecht Schwarz den Umweltschutz. Er trat der Alternativen Liste, dem Berliner Vorgänger der Bündnisgrünen, bei. Als in den achtziger Jahren der Spandauer Forst gerodet werden sollte, zeltete Schwarz mit Freunden tagelang im Wald und kettete sich in den Baumkronen fest. Seinen Spandauer Schrebergarten baute er später zu einem Modellprojekt in Sachen Ökologie aus: naturbelassen mit Wiese und Teich, Sonnenkollektoren, Regenwassertonne und automatischer Sprenkleranlage.

Doch was seinen Garten besonders machte, war das Licht. Der warme Schein der Gaslaternen. Acht alte aufgemöbelte Lampen, sandgestrahlt und gestrichen, wiesen den Gästen den Weg zur Gartenparty. Albrecht Schwarz war Sammler; was nicht in den Garten passte, kam in den Keller: 69 Lampen und 12 komplette Laternen hat Schwarz hinterlassen. Er fuhr durch die Bundesrepublik, nach Mainz, Heidelberg und Frankfurt, um ausgemusterte Modelle zu beschaffen. Er knüpfte Kontakt zu Experten in Deutschland, Frankreich und der DDR, und er gründete die „Berliner Gaslichtinitiative“, die sich in Berlin für die Erhaltung der nostalgischen Leuchten einsetzte. Als zum Beispiel am Neuköllner Hertzbergplatz sechs alte Exemplare durch ein Kompetenzgerangel zwischen Bezirk und Senat bedroht waren, alarmierte Schwarz die Presse.

Albrecht Schwarz war zuweilen ein Draufgänger. Einer, der Felswände erklomm, vor denen sich andere schaudernd abwandten. Er fuhr Auto, als hätte er es immer eilig. Und griff am qualmenden Grill fröhlich zur Spiritusflasche. Wenn die Gäste dann vor Schrecken sprangen, lachte Albrecht Schwarz. Mir passiert doch nichts, sagte er.

Das schrieb er auch, wenn er sich per E-Mail von seinen Reisen durch Lateirika meldete. Jeden Winter flog er für sechs Wochen davon, um umherzufahren, zu wandern und zu klettern. Am liebsten auf Vulkane. Am besten auf aktive. Seine letzte Karte hat ein Fotograf aus der Luft aufgenommen: Der Krater des Cotopaxi, Schnee bedeckt die Spitze. Cotopaxi lockte Schwarz. „Ich weiß aber nicht, ob derzeit meine Kondition dafür reicht“, schrieb er.

Albrecht Schwarz liebte Lateinamerika – die Landschaft, die Mentalität, die Frauen; „die sind nicht so kompliziert wie hier". Da drüben war aber auch er ein anderer, ein Exot. Großgewachsen, blond mit blauen Augen. Spanisch sprach er längst fließend, als eine 20-jährige Chilenin ihn auf der Straße ansprach. 1988 heiratete er sie in Berlin, und: Es wurde kompliziert. Weil die Frau unter Heimweh litt. Weil ihr die Deutschen so fremd waren. Weil Schwarz mit ihrer theatralischen Art nicht zurechtkam. Als sich die beiden nach fünf Jahren scheiden ließen, verkündete er ein neues Frauenideal. Mit beiden Beinen sollte die Zukünftige im Leben stehen.

Er suchte, im Internet-Chat, beim Tanzunterricht, beim Sprachkurs, und fand sie nicht. Trotzdem, diese Zeit hat Schwarz verändert. Er war noch immer dickköpfig und in seiner Hilfsbereitschaft beinahe aufdringlich, wenn er der Mutter Internet und Winterreifen aufschwatzte. „Aber Albrecht ist ruhiger geworden, ausgeglichener“, sagt die Mutter. Anfang des Jahres zog er wieder los, nach Ecuador, zu den Kordillieren, auf die Galapagos-Inseln. „Die gute, alte Boeing 727“ habe auf dem Flug zu den Inseln schon ziemlich zerbrechlich gewirkt, schrieb er gut gelaunt nach Hause. „Über die Galapagos-Inseln bin ich mit einer noch klapprigeren Cessna geflogen.“

Fünf Tage vor Urlaubsende, stieg er wieder in eine „gute, alte Boeing 727“, eine Freundin in Kolumbien erwartete seinen Besuch. Doch beim Anflug verwehrte der Tower dem Piloten die Landeerlaubnis. Als die Boeing eine Warteschleife drehte, geriet sie in eine dichte Wolkendecke und prallte in 4700 Metern Höhe gegen eine Wand. Es war der Krater eines Vulkans. Katja Füchsel

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