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Wirtschaft: Geburt eines neuen Telekom-Giganten

LONDON .Nach intensiven Verhandlungen haben die Verwaltungsräte zweier marktbeherrschender Telefongesellschaften, nämlich Telekom Italia SpA (TI) und Deutsche Telekom AG (DT), sowie die jeweiligen Regierungen nun endgültig der 82 Mrd.

LONDON .Nach intensiven Verhandlungen haben die Verwaltungsräte zweier marktbeherrschender Telefongesellschaften, nämlich Telekom Italia SpA (TI) und Deutsche Telekom AG (DT), sowie die jeweiligen Regierungen nun endgültig der 82 Mrd.Dollar-Fusion zugestimmt - historisch gesehen wohl einer der größten Zusammenschlüsse.Durch dieses Geschäft wird der zweitgrößte Telekom-Gigant nach der japanischen Nippon Telegraph & Telephone Co.(NTT) aus der Wiege gehoben.Die Verschmelzung der Unternehmen kam allerdings erst zustande, nachdem die Bundesregierung den Italienern versicherte, auf ihr Stimmrecht künftig zu verzichten.Denn der Bund ist noch mit rund 72 Prozent an der Deutschen Telekom beteiligt.

Unangenehme Folgen hat die Fusion für France Télécom-Chef Michel Bon: Der düpierte Franzose steht nach dem italienischen Seitensprung Ron Sommers plötzlich ohne Partner da.Die größte Hürde müssen Sommer und Bernabé aber noch nehmen.Aktionäre, Kontrollinstanzen und besonders der Geldmarkt müssen für das Geschäft gewonnen werden.Zweck der Transaktion ist es, den Fernmelde-Goliaths der USA, die immer stärker auf die internationalen Märkte drängen, einen gleichwertigen europäischen Konkurrenten entgegenzusetzen.Eine DT/IT-Holding hätte einen Börsenwert von 178 Mrd.Dollar, welcher über dem Marktwert von 173 Mrd.Dollar liegt, der bei einer Verbindung der amerikanischen SBC Communications Inc.und der Ameritech Corp.liegt.Bezieht man sich auf Zahlen von 1997, läge der Umsatz bei stattlichen 62,3 Mrd.Dollar, der nur noch von 77 Mrd.Dollar Umsatz der NTT übertroffen wird.

Die Zustimmmung der Aktionäre ist jedoch nicht die einzige Hürde.Es muß mit Auflagen seitens der EU-Kommission gerechnet werden, welche das deutsch-italienische Gemeinschaftsunternehmen noch schwächen könnten.Weiterhin besteht die Möglichkeit, daß sich die italienischen Telekom-Aktionäre für die feindliche Übernahmeofferte von Olivetti SpA entscheiden.So will Olivetti 11,5 Euro in bar pro italienischer Telekom-Aktie bezahlen.Die künftige Holding schätzt die TI-Aktien zwar auf einen Wert um die 12 Euro, allerdings schwankt der Kurs mit dem Aktienpreis der T-Aktien.Sollte jener Kurswert bedeutend fallen, wird die Kaufoption von Olivetti für die Aktionäre um einiges attraktiver.Und am Mittwoch fiel die Notierung der DT-Aktien um tatsächlich 52 Euro Cents auf 36,08 Euro, also um 1,4 Prozent.

Die finanzierenden Banken des deutsch-italienischen Teams halten ihr Angebot für das bessere, denn mit Olivetti würde den Minderheitsaktionären nicht die entscheidene Rolle des Züngleins an der Waage zukommen, und das würde wiederum den Angebotswert einer Aktie von 11,50 Euro herabsetzen.Nichtsdestotrotz hofft Olivetti, daß die Barzahlung verlockender sein wird als der von der Deutschen Telekom angebotene Aktientausch.

Obwohl die Deutsche Telekom größer als ihr italienisches Pendant ist, wird von einer "Fusion unter Gleichen" gesprochen, ein Punkt, auf dem die Italiener bestanden.Sie verhinderten zugleich, daß bei einem Zusammenschluß das TI-Kapital unter die Kontrolle der deutschen Regierung gerät.Um letzte Zweifel auszuräumen, hat das Bonner Finanzministerium versichert, so schnell wie möglich die Telekom-Anteile der bundeseigenen Keditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die bei etwa 72 Prozent liegen, zu reduzieren.Zudem versprach sie, sich nicht in die Geschäftspolitik einzumischen.

Die Niederlassung der DT/TI-Holding wird sich rechtmäßig in Deutschland befinden, aber es soll zwei Zentralen geben, eine in Bonn und die andere in Rom.Der Aufsichtsrat wird sich aus fünf Deutschen und fünf Italienern zusammensetzen und der Vorsitz wird im jährlichen Wechsel an die Deutsche oder die Italienische Telecom gehen.Weiterhin sind zwei Generaldirektoren vorgesehen, nämlich der Deutsche Telekom-Chef Ron Summer und sein italienischer Kollege Franco Bernabè.Eine zusätzliche Sitzung des italienischen Verwaltungsrats wird höchstwahrscheinlich für nächste Woche angesetzt, um in einer gesonderten Aktionärssitzung die Fusion endgültig genehmigen zu lassen.Da das Gesamtunternehmen Gegenstand eines Übernahmeangebots ist, ist die Telecom Italia gezwungen, sich die Unterstützung ihrer Aktionären zu sichern, die mindestens 30 Prozent des Kapitals repräsentieren müssen.Nur dann wird das Geschäft bewilligt.Doch das könnte sich gegebenenfalls schwerer als erwartet gestalten.

Wenig überraschend ist, daß die Rivalen der Deutschen Telekom und Telekom Italia die Fusion zu untergraben versuchen.Laut Mannesmann-Chef Klaus Esser - Mannesmann ist größter Konkurrent der Deutschen Telekom und mit Olivetti in Italien verbandelt - werden die einzelnen Mitbewerber nicht unbedingt in größerer Konkurrenz zueinander stehen.Aber er sieht die Gefahr, daß Politiker mit einer solchen Fusion einen Rückschritt ins Zeitalter der Monopole machen.Deshalb muß Italiens Kartellbehörde aber auch das schriftliche Angebot von Olivetti umfassend prüfen.Der Computerhersteller hat für die komplette Telekom Italia 60,4 Mrd.Euro geboten, was Europas größte feindliche Übernahme bedeuten würde.

Es existieren andererseits noch Unklarheiten über die deutsch-italienische Fusion: Nach Angaben eines beteiligten Bankinstituts ist die unterzeichnete Vereinbarung nicht unbedingt mit dem vollständigen Abschluß des Geschäfts gleichzusetzen.Deshalb muß in diesem Anfangsstadium noch viel Übergangsarbeit geleistet werden, insbesondere bei einer derartig großen grenzüberschreitenden Verschmelzung zweier Unternehmen.Von den bisherigen Vorstandsvorsitzenden Sommer und Bernabè wird erwartet, daß sie alsbald ihre genauen Pläne zur Fusion offenlegen.Dazu gehören unter anderem ihre Vorstellung zur Zusammenführung der jeweiligen inländischen Netze sowie der internationalen Verbindungen.Doch werden mit dieser Fusion auch erhebliche Kosteneinsparungen angestrebt: Man erhofft sich in den nächsten Jahren fünf bis zehn Mrd.Dollar.Für beide Firmenchefs ist dies wohl aber erst der Anfang für weitere Aktivitäten, denn erklärtes Ziel ist die Schaffung eines europäischen Champions, der im Wettbewerb mit den amerikanischen Großunternehmen der Telekombranche bestehen kann.

Übersetzt, gekürzt und redigiet von Birte Heitmann (Telekom, Koalitionen) und Svenja Rothley (Euro, Thatcherismus).

GAUTAM NAIR

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