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2010 trat Investor Nicolas Berggruen am Kurfürstendamm als Karstadt-Retter auf.

© p-a/dpa

Gedrückte Stimmung nach Sjöstedts Rücktritt: Kurz nach zwölf im Karstadt-Restaurant

Maris Hubschmid besucht die Filiale am Kürfürstendamm, wo einst die Rettung des Kaufhaus-Konzerns verkündet worden war

Von Maris Hubschmid

Dienstagmittag, zwanzig nach zwölf am Kurfürstendamm. Tag eins nach dem plötzlichen Rücktritt der Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt. Es herrscht Schweigen im Mitarbeiterbereich des Kaufhausrestaurants, der mit einem verschnörkelten Holzgitter von der übrigen Fläche abgetrennt ist. Kaum einer spricht, Messer und Gabeln klimpern über die Teller. Es wirkt, als sei alles gesagt. Möglich, dass es bloß die Erschöpfung ist, nach getaner Arbeit an einem Sommervormittag in schwüler Kaufhausluft. Die paar Gäste im öffentlichen Teil des Lokals reden aber munter: Über das bevorstehende Halbfinale, die bevorstehenden Ferien, bevorstehende Geburtstage. An einem Tisch streift ein Gespräch die jüngsten Entwicklungen im Traditionskonzern: „Oder sollen wir einen Gutschein kaufen?“, schlägt eine etwa 70-jährige Dame ihrer Freundin vor. „Lieber nicht“, entgegnet die – „wer weiß, wie lange es Karstadt noch gibt.“

Hier war Berggruen vorgestellt worden

Vor vier Jahren hatten sie genau hier, im sechsten Stock, die Rettung des Unternehmens gefeiert. Durch den Investor Nicolas Berggruen. Ursula von der Leyen (CDU), damals Bundesarbeitsministerin, hielt eine Rede und lächelte gemeinsam mit Berggruen in die Kameras. Der zog sich im Anschluss in eine nur wenig diskrete Ecke des Restaurants zurück, um dort mit Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) und weiteren Herren aus Berggruens Think-Tank anzustoßen – und sich bei der Gelegenheit über große Fragen der Zeitgeschichte auszutauschen. Das war 2010.

Heute werden die meisten Beschäftigten ungern angesprochen auf den Abgang Eva-Lotta Sjöstedts, die erst Ende Februar die Geschäfte bei der Kette übernommen hatte. Als Hoffnungsträgerin war die Schwedin im Unternehmen gefeiert worden, kompetent, unkompliziert. Zuvor hatte sie für den schwedischen Möbelkonzern Ikea Auslands- und Onlinegeschäfte gemanagt, sich bei Karstadt aber zunächst an die Kasse gesetzt, um zu lernen, wie der Laden läuft. Die Mitarbeiter wollte sie stärker einbeziehen. Mancher Branchenkenner hatte ihre lockere Art, ihren Optimismus, kritisch beäugt, stand er doch all zu sehr im Kontrast zu dem biederen Karstadt-Image und den immer neuen Hiobsbotschaften. 158 Millionen Euro Verlust hat Karstadt im Geschäftsjahr 2011/2012 gemacht, das letzte, aus dem Zahlen bekannt sind. Jetzt geht Sjöstedt, weil Berggruen ihr nicht die zugesagte Unterstützung geleistet hat, wie sie erklärt hat. Weil er nur Geld aus der Firma ziehe, sagen andere. Nicht investieren will in das Unternehmen mit allem, was dranhängt, mit allen, die dranhängen.

Bangen seit sieben Jahren

Wie die Stimmung sei? „Hm“, sagen sie nur, Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter. Ein langer Blick. Achselzucken. Eine junge Kollegin ist da entschiedener: „Die Medien übertreiben immer, das weiß man ja.“ Eine andere, Mitte 40, wirkt fast dankbar, dass sie reden kann – über das, was wohl fast allen auf der Seele brennt. „Wissen Sie, das geht ja schon seit sieben Jahren so. Dass wir gefühlt immer kurz vor dem Aus stehen.“ Man hätte eben gerne mal ein bisschen Ruhe gehabt. Frau Sjöstedt habe so positiv gewirkt. „Aber es muss ja weiter gehen“, sagt sie, reicht einer Kundin die Tüte über den Tresen. Und lächelt: „Dass Sie hier sind, hilft uns schon ein Stückchen weiter.“

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