zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Gefährlicher Aktienkauf auf Pump

Banken warnen vor hohem Risiko / Wenn die Kurse sinken, geht die Sicherheit verlorenVON JOACHIM HOFERWer kein Geld hat und etwas kaufen will, hat zwei Möglichkeiten: Er nimmt einen Kredit auf, oder er verzichtet.Beide Varianten haben eines gemeinsam - sie fordern Überwindung.

Banken warnen vor hohem Risiko / Wenn die Kurse sinken, geht die Sicherheit verlorenVON JOACHIM HOFER

Wer kein Geld hat und etwas kaufen will, hat zwei Möglichkeiten: Er nimmt einen Kredit auf, oder er verzichtet.Beide Varianten haben eines gemeinsam - sie fordern Überwindung.Von den riesigen Renditechancen angelockt, leihen die Deutschen Geld nicht nur für den neuen Wagen oder die Flitterwochen in Kenia, sondern auch für den Aktienkauf.Und das trotz aller Warnungen durch die Experten: "Hochspekulativ" nennt Helmut Achatz vom Deutschen Aktieninstitut den Kauf auf Pump.Der Aktienexperte empfiehlt, "Finger weg für den Ottonormalverbraucher".Das Risiko sei völlig unkalkulierbar, so der Aktienlobbyist.Während sich die Kurse nämlich sowohl nach oben als auch nach unten bewegen können, beharrt die Bank ungeachtet aller Marktbewegungen auf Zins und Tilgung. Damit noch nicht genug: Sinken die Kurse, so muß unter Umständen nachgeschossen werden.Die Banken bewerten die Aktien als Kreditsicherheit in der Regel nur mit einem Teil des Kurswertes.Wertpapiere aus den Emerging Marktes werden bisweilen gerade zu 20 Prozent ihres Kurses als Sicherheit anerkannt.Wird das Limit unterschritten, so fordert das Kreditinstitut vom Anleger neue Sicherheiten.Wenn er diese nicht bereitstellen kann, muß er zu möglicherweise hohen Verlusten seine Wertpapiere verkaufen.Der Zinssatz, den die Banken berechnen, richtet sich nach Angaben der Berliner Commerzbank auch nach dem Vermögen des Kunden.Im Klartext: Wer schon einige Millionen angelegt hat und sich nun zur Abrundung des Portefeuilles für 500 000 DM Wertpapiere zulegen will, hat für den Kredit weniger zu berappen als der Kleinsparer.Anleger müßten mit Zinssätzen zwischen 6,5 und 9 Prozent rechnen, sagte Manuel Rott, Leiter Anlagemanagement bei der Dresdner Bank in Berlin. Helmut Antony, Leiter Anlagestrategie bei der Berliner Commerzbank, rät generell von der Kreditfinanzierung bei Wertpapieren ab."Dazu habe ich schon zu viele sterben sehen", sagte Antony am Mittwoch.Bei einem Zinssatz von acht Prozent müßten die Aktien schon um diesen Prozentsatz klettern, damit allein der Kredit zurückgezahlt werden könnte."Ich würde das nicht tun", empfiehlt Antony."So niedrig können die Kurse gar nicht sein, daß sich ein Kredit lohnt", so ein Commerzbank-Mitarbeiter. Banken sind extrem zurückhaltend, wenn es um die Kreditvergabe zum Wertpapierkauf geht.In einer Umfrage unter Banken wollte gegenüber dem Tagesspiegel kein einziges Institut den Kauf auf Kredit uneingeschränkt empfehlen.Im Gegenteil: Sämtliche Banker wiesen auf die hohen Risiken hin.Das hat seinen Grund.Banken, die naive Kunden zu Spekulationsgeschäften auf Kredit verleiten, müssen den dabei entstehenden Schaden selbst tragen.Das gilt nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes dann, wenn wegen eines besonderen Aufklärungs- und Schutzbedürfnisses des Anlegers ein Warnhinweis der Bank geboten ist, weil sie über einen relevanten Wissensvorsprung verfügt oder selbst für zusätzliche Gefährdung des Kundenvermögens gesorgt hat. In einem Fall hatte ein Bankkunde das Soll auf seinem Kontokorrentkonto auf Millionenhöhe getrieben.Dann verleitete der Bankberater seinen Kunden zur Aufnahme eines Millionenkredits bei variablem Zins, um Spekulationsgeschäfte zu finanzieren.Die Spekulation konnte aber nur bei steigenden Kursen und stabilen oder fallenden Kreditzinsen renditeversprechend sein. Die Bundesrichter entschieden, eine Bank sei nicht verpflichtet, ihre Kunden über Risiken der Verwendung des Kredits aufzuklären, auch dann nicht, wenn er zur Wertpapierspekulation genutzt werden soll.Doch bei diesem, in Aktiengeschäften unerfahrenen Anleger, habe ein besonderes Schutzbedürfnis bestanden, ihm hätte zu so riskanter Geldanlage nicht geraten werden dürfen.

JOACHIM HOFER

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false