zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Gegenbauer-Bosse: Die Old-Boys-Connection in Berlin verabschiedet sich

Seine Saubermänner sind in Berlin bekannt. Sie saugen Teppiche in Hotels, waschen Kopfkissen von Kliniken und halten vor Bürogebäuden ungebetene Gäste vom Eingang fern.

Von Antje Sirleschtov

Seine Saubermänner sind in Berlin bekannt. Sie saugen Teppiche in Hotels, waschen Kopfkissen von Kliniken und halten vor Bürogebäuden ungebetene Gäste vom Eingang fern. Fast 6000 Menschen in der Hauptstadt und dem Umland von Brandenburg haben bei Werner Gegenbauer einen Arbeitsplatz. Noch mal so viele beschäftigt das Unternehmen in anderen Regionen Deutschlands. Gut 500 Millionen Mark zahlen seine Kunden pro Jahr in die Firmenkasse ein und sorgen damit dafür, dass sich das Unternehmen Gegenbauer-Bosse zu den Top-Fünf der deutschen Gebäudemanagement-Branche zählen darf.

Zu wenig, findet nun der Chef, und hat den größten Teil des 75 Jahre alten Familienbetriebes an die Salamander AG in Kornwestheim verkauft. Deren Reinigungs- und Gebäudemanagement-Bereiche werden ab Oktober mit den Abteilungen der Gegenbauer-Gruppe fusioniert. Nicht Millionen-, sondern Milliardenumsätze sollen Gegenbauers 12 000 Mitarbeiter in Zukunft erarbeiten. In Deutschland und ganz Europa. Dass der Ein-Mann-Betrieb von Carl Gegenbauer, der in den zwanziger Jahren noch selbst zu Eimer und Wischmob gegriffen hat, jetzt in einer börsennotierten Aktiengesellschaft aufgeht, war vorhersehbar. Nicht vor zwanzig Jahren, als Sohn Werner im eingemauerten West-Berlin zum ersten Mal auf dem Chefsessel saß. Denn damals war der Markt fest umrissen und es galt in der Berliner Branche: Du wischst hier, ich fege da, und keiner kehrt sich um den Dreck des anderen. Und wohl auch noch nicht, als die Mauer abgerissen wurde. Denn das ostdeutsche Umland musste vom Tag der Wiedervereinigung an von Unrat befreit werden. Und Gegenbauer wusste im Unterschied zu den Brandenburgern schon 1990, wie man das erfolgreich macht.

Spätestens Ende der neunziger Jahre allerdings ahnte Gegenbauer wohl, dass er mit den Geschäftsmethoden der Frontstadt Berlin auf Dauer seine Position im Markt nicht behaupten kann. Wohnungsgesellschaften und Immobilienkomplexe stellten längst viel komplexere Anforderungen an Dienstleistungsunternehmen wie seines. Verwaltung, Infrastrukturpflege, Catering und vieles mehr verlangen heute Kunden aus Industrie und Behörden. Mit personalkostenintensiven Putzkolonnen allein ist längst kein Geld mehr zu verdienen. Dazu kommt, dass immer häufiger Aufträge europaweit ausgeschrieben werden und Wettbewerber auch in Gegenbauers Heimatmärkte eindringen. Um Schritt zu halten, braucht ein Unternehmen nicht nur eine effiziente Verwaltung, sondern auch das Kapital zum Expandieren.

Vor gut einem Jahr schlossen sich deshalb Gegenbauer und sein Berliner Wettbewerber Claus Bosse zusammen. Doch auch gemeinsam konnte der Erfolg nur von kurzer Dauer sein. Denn in einem so fragmentierten Dienstleistungsmarkt wie in Deutschland ist die Akquise von einzelnen Kunden viel zu kostenintensiv. Um neue Kunden in Süddeutschland oder in europäischen Nachbarländern zu finden, durfte Gegenbauer nicht an deren Türen um Aufträge bitten - er musste seine Wettbewerber, und damit den Markt, aufkaufen. Und diese Art der Expansion fällt den meisten Familienunternehmen schwer.

Ohne Wehmut wird sich Werner Gegenbauer wohl kaum vom väterlichen Betrieb getrennt haben. Mit 51 Jahren hat er noch längst nicht das Altenteil im Blick. Und dann ist Gegenbauer in Berlin ja schließlich nicht irgendwer. Engagiert bei Hertha; Golf- und Tennisspieler dort, wo die Mächtigen der Stadt ein- und ausgehen und seit 1997 an der Spitze der örtlichen Industrie- und Handelskammer. Kurz, der Unternehmer Gegenbauer ist ein festes Rädchen in der Gesellschaft dieser Stadt. Zwar weist er einen Sitz in der Old-Boys-Connection zurück. Aufsichtsratsmandat bei der Messe Berlin und gleichzeitig Auftragnehmer des landeseigenen Unternehmens, Kontrolleur der strauchelnden Landesbank und enger Vertrauter von Klaus Wienhold, der mit Parteispenden sein Unternehmen Aubis und den CDU-Chef Klaus Landowsky in Verruf brachte: Ganz wegwischen kann Gegenbauer den Verdacht nicht, dass auch er ein Teil dieser Elite Berlins ist, die sich jetzt - wie Gegenbauer selbst sagt - aus den Chefetagen verabschiedet hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false