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Wirtschaft: Geht es nach dem Willen von acht Börsenchefs, startet der "virtuelle Handelsplatz" im November 2000

Nach monatelangen Verhandlungen haben sich acht führende europäische Börsen, darunter der Finanzplatz Frankfurt (Main), auf die Einführung einer gemeinsamen elektronischen Handelsplattform bis zum November 2000 geeinigt. Der Vorstandschef der Deutschen Börse AG, Werner Seifert, sagte am Donnerstag in der Brüsseler Börse, man habe sich auf einen "virtuellen Handelsplatz" geeinigt, auf dem zunächst die so genannten Blue-Chips, also die Börsenschwergewichte, gehandelt würden.

Nach monatelangen Verhandlungen haben sich acht führende europäische Börsen, darunter der Finanzplatz Frankfurt (Main), auf die Einführung einer gemeinsamen elektronischen Handelsplattform bis zum November 2000 geeinigt. Der Vorstandschef der Deutschen Börse AG, Werner Seifert, sagte am Donnerstag in der Brüsseler Börse, man habe sich auf einen "virtuellen Handelsplatz" geeinigt, auf dem zunächst die so genannten Blue-Chips, also die Börsenschwergewichte, gehandelt würden. Seifert stellte klar, dass keine neue Börse geschaffen werde. Vielmehr werde eine einheitliche elektronische Schnittstelle für alle Teilnehmer eingerichtet. Unklar blieb am Donnerstag, welches Handelssystem die Grundlage für die Europa-Börse bilden soll.

Wie der Präsident der Pariser Börse, Jean-François Théodore, in Brüssel sagte, wurde ein entsprechendes Abkommen am Donnerstag bei einem Treffen der Börsenchefs in der belgischen Hauptstadt unterzeichnet. Beteiligt an dem neuen Handelssystem sind außer Frankfurt und Paris auch die Handelsplätze in Amsterdam, Brüssel, London, Madrid, Mailand und Zürich. Théodore betonte, durch das neue System werde ein "Markt der Märkte" geschaffen. Börsengeschäfte könnten damit in Europa schneller und kostengünstiger abgewickelt werden. "Die paneuropäische Börsenallianz konkretisiert sich", sagte der Börsenchef.

Laut Seifert bringt die Allianz viele Änderungen: "Heute muss sich ein Händler, der gerne europäische Blue Chips über die Grenzen hinweg handeln möchte, acht Mal an acht Börsen anschließen", so der deutsche Börsenchef. "Das alles wird der Vergangenheit angehören. Er hat künftig einen elektronischen Stecker, den schließt er an, und er hat einen virtuellen Blue-Chip-Markt vor sich." Der Privatanleger habe es künftig einfacher, sich ein internationales Portfolio an Werten zusammen zu stellen. Im Zeitalter der Elektronik sei der Ort der Börse nicht mehr wichtig. Seifert erwartet sinkende Preise bei Börsengeschäften. Die neue Allianz werde rechtzeitig starten: "Das wird entschieden früher sein als jeder andere Wettbewerber, egal wer hinter ihm steht." Der Börsenchef spielte damit auf Pläne von US-Investmenthäusern an, eine elektronische Börse in Europa aufzubauen(siehe Kasten). "Die Börsentransaktionskosten der acht Börsen sind schon so niedrig, dass ich es keinem anderen privaten Netzwerk zutraue, unter diese Kosten zu kommen."

Die neue gemeinsame Börse solle im November 2000 mit einer Zahl von Blue Chips starten, die "größer als 300 und kleiner als 600" sei. Der neue Handelsplatz solle das Gewicht zwischen den einzelnen Börsen nicht verschieben, aber die Nachfrage nach Blue Chips insgesamt steigern. Es werde sich um einen "Markt der Märkte" handeln. Zur Frage nach den Kosten des Projekts sagte er, die Zusammenschaltung der acht Computer sei billiger als einen neuen Computer zu schaffen. Ein Sprecher der Deutschen Börse in Frankfurt sagte, die bestehenden Handelssysteme sollten nun über eine gemeinsame elektronische Schnittstelle miteinander vernetzt werden. Um diese Frage hatte es lange Zeit Streit unter den beteiligten Börsenplätzen gegeben. Im Hintergrund stand dabei auch die Zukunft der prestieträchtigen Aktienindizes wie dem deutschen Dax oder dem britischen FTSE-100. Mit der Einigung auf die Weiternutzung der nationalen Handelssysteme scheint deren Fortbestand nun gesichert.

Die europäischen Börsen haben schon mehrfach Anlauf genommen, um ihre Handelssysteme und -zeiten anzugleichen. Ziel ist es, einen gemeinsamen europäischen Kapitalmarkt zu schaffen, um sich gegenüber der New Yorker Wall Street zu behaupten. Am Montag glichen in einem ersten Schritt die beiden größten Börsen Europas, Frankfurt und London, ihre Handelszeiten an; die anderen sechs Börsen wollen sich in den kommenden Monaten anschließen.

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