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Einen Beitrag leisten. Darunter verstehen Angestellte und Firmenchefs längst nicht mehr nur Spendengalas. Stattdessen: Soziales Engagement als Firmenauftrag. Foto: dpa

© picture alliance / dpa-tmn

Wirtschaft: Geld allein reicht nicht

Angestellte erwarten vom Arbeitgeber soziales Engagement – Mitmachprogramme dienen auch der Mitarbeiterbindung.

Malaysische Manager der Allianz-Versicherung haben neuerdings einen Nebenjob: Sie lassen sich zu Verkehrssicherheits-Botschaftern schulen. Chin Chap Nguen, Vertriebschef im Bundesstaat Perak, hat einen solchen halbtägigen Kurs des Verkehrsministeriums absolviert. Regelmäßig steht er nun zusammen mit Polizisten an stark befahrenen Straßen in der malaysischen Stadt Ipoh. Dort hält er Motorradfahrer ohne Kopfschutz an, warnt sie vor ihrem hohen Unfallrisiko und schenkt ihnen Helme.

So wie in Malaysia engagieren sich in mehr als 30 Ländern Mitarbeiter des deutschen Versicherungskonzerns ehrenamtlich, um dabei zu helfen, die Zahl der Verkehrsopfer global zu senken. Unternehmen sind nicht nur ökonomische Akteure, sondern tragen auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Wenn über diese guten Taten auch noch publikumswirksam gesprochen wird, haben die Konzerne meist nichts dagegen.

Jeder kennt die Bilder von Gala-Veranstaltungen, wo Schecks für einen guten Zweck überreicht werden. Dabei geht es meistens um den guten Ruf, hier und da auch um Standortpflege. „Es reichte lange, hier ein Opernhaus zu fördern und da die freiwillige Feuerwehr. Eine globale Strategie und ein zentrales Management steckte aber nicht dahinter. Das hat sich grundlegend gewandelt“, sagt Astrid Kaltenegger, die den Bereich „Allianz4Good“ der Gruppe leitet. Sie fährt fort: „Heute schauen wir gezielt, wo wir unsere Expertise nutzbringend für die Gesellschaft beisteuern können.“

Ihre Kollegen können sich außer zu Verkehrssicherheit und Unfallprävention auch dafür schulen lassen, Kindern und Teenagern den sinnvollen Umgang mit Geld beizubringen. Werbung für Allianz-Produkte ist dabei tabu. Diese Themen des „Corporate Volunteering“-Programms sind global festgelegt, aber die jeweiligen Aktionen vor Ort werden von den Mitarbeitern organisiert.

Inzwischen erwarten viele Beschäftigte von ihrem Arbeitgeber Einsatz für die Gesellschaft oder die Umwelt. So ergab eine Befragung durch das Weiterbildungsinstitut „die Führungskräfte“ unter rund 440 Managern, dass 36,1 Prozent von ihnen bei der Wahl ihres Arbeitgebers auch auf die Ethik ihres Unternehmens geachtet haben. Für weitere 29,5 Prozent war das Unternehmensimage „zum Teil“ wichtig.

Wie wichtig das Thema „soziales Engagement“ für die Belegschaft insgesamt ist, zeigt eine Mitarbeiterbefragung der Allianz in den USA und Österreich. Ihr Ergebnis überraschte die Personalmanager in der Münchener Zentrale. „Dass der Arbeitgeber es ermöglicht, an sozialen Projekten teilzunehmen, wurde in diesen beiden Ländern höher eingestuft als Weiterbildungsangebote“, sagt Astrid Kaltenegger. Zwar bleibt ein als fair empfundenes Gehalt das Hauptargument für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz, „aber Mitarbeiter stellen immer öfter die Sinnfrage“.

Daher sollen Mitmachprogramme für Gesellschaft und Umwelt auch dazu dienen, Mitarbeiter an ihren Arbeitgeber zu binden. „Viele Beschäftigte haben kaum Zeit, sich neben dem Job und der Familie in Eigenregie stark zu engagieren. Da finden sie es toll, wenn der Arbeitgeber etwas vorbereitet“, sagt Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung an der Fachhochschule in Ludwigshafen. Die Professorin erforscht, wie sich Belegschaften in ihrer Leistungsbereitschaft und ihren Erwartungen an Arbeitgeber wandeln.

So kommt es, dass Angebote für Freiwilligeneinsätze bei großen Arbeitgebern zunehmen – und international abgestimmt werden. Der Chemiekonzern Bayer nimmt zum Beispiel sein 150-jähriges Firmenjubiläum in diesem Jahr zum Anlass, um ehrenamtliches Engagement erstmals weltweit finanziell zu unterstützen. Egal ob Mitarbeiter, Pensionär oder Bürger aus den Einzugsgebieten der 153 Werke, in drei Runden können sie sich bewerben. Die besten 150 Ideen werden bezuschusst – mit maximal je 5000 Euro. Schwerpunkte sind naturwissenschaftliche Bildung, Gesundheit und Soziales.

Die Palette der Ideen reicht von der Vorlese-Oma in einer Grundschule am Firmensitz in Leverkusen über Forscher, die Experimentierkästen kaufen und damit vielleicht im indischen Hyderabad Teenagern Chemie nahebringen, bis hin zur Suppenküche für Obdachlose im brasilianischen São Paulo. Insgesamt stellt der Konzern 750 000 Euro zur Verfügung.

Damit die rund 110 000 Mitarbeiter weltweit davon erfahren, veröffentlicht Bayer den Aufruf zur Teilnahme im Intranet und in der Mitarbeiterzeitschrift. Dirk Frenzel, Leiter Gesellschaftspolitik und Umwelt, sagt: „Außerdem haben wir eine Bewerber-Hotline geschaltet und eine Matching-Datenbank eingerichtet, damit sich Kollegen zu gemeinsamen Projekten zusammenfinden können.“

Internationale Zusammenarbeit der Kollegen in Sachen soziales Engagement ist auch das Ziel sogenannter „Social Sabbaticals“, wie sie länger schon etwa von IBM, neuerdings auch von SAP, angeboten werden. Das SAP-Programm richtet sich dabei nur an Führungskräfte. Bis zu zehn von ihnen reisen für je vier Wochen auf Kosten des Arbeitgebers und bei vollem Gehalt in Schwellenländer wie Indien oder Südafrika, um dort Verbände, Behörden oder Bildungseinrichtungen bei der Lösung akuter Probleme zu unterstützen.

Die ersten IT-Berater, Juristen und Marketingexperten aus fünf Ländern, darunter Kommunikationsleiter Evan Welsh, waren kürzlich in Brasilien. In Belo Horizonte, der drittgrößten brasilianischen Metropole, halfen sie Müllsortierern dabei, ihre Organisation Asmare bei Abnehmern recycelbarer Wertstoffe bekanntzumachen.

Das Durchwühlen der Abfälle nach Wiederverwertbarem ist für die Bewohner der Slums oft die einzige Möglichkeit, sich über Wasser zu halten. Schon Kinder werden zu „Catadores“, wie die Brasilianer die Müllverwerter nennen. Obwohl das Manager-Trio eine Kommunikationsstrategie mit Web-Konzept für die Organisation entwarf, weiß Welsh: „Es bleibt noch sehr viel für uns zu tun.“ (HB)

Claudia Obmann

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