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Am grünen Tisch des Sponsors. Ex-Bundespräsident Christian Wulff vergnügte sich 2011 beim Sommerfest im Schloss Bellevue am Stand des Mobilfunkunternehmens E-Plus mit Schauspieler Ralf Möller (l.) und Moderator Cherno Jobatey.

© promo

Geldgeber gesucht: Wulff-Affäre schreckt Sponsoren von Polit-Events ab

Sommerfest, Parteitag, Presseball – das finanzielle Engagement im politiknahen Betrieb hat sich bislang für Unternehmen doppelt ausgezahlt. Doch nun ist Schluss mit lustig.

Christian Wulff wird nicht mehr erwähnt. Der Name des ehemaligen Bundespräsidenten und die Turbulenzen im Schloss Bellevue – lieber kein Wort dazu. Fragt man Unternehmen in diesen Tagen nach ihrer Nähe zur Politik, nach Geld und Günstlingen und nach dem Sponsoring politischer Veranstaltungen in Berlin und anderswo, dann sind sie alle noch vorsichtiger als früher.

„Alle schauen jetzt genauer hin“, heißt es bei einem Autokonzern – und damit seien beide Seiten gemeint: Politik und Wirtschaft. Wer lädt wen ein? Wer nimmt wessen Einladung an? Wer finanziert Partys und Parteitage? Wulffs Affären und das unschöne Bild, das seine Unternehmerfreunde dabei abgaben, ist potenziellen Sponsoren eine Warnung: „Die Öffentlichkeit ist viel aufmerksamer als in der Vergangenheit“, sagt einer aus der Industrie. „Wie wir wahrgenommen werden, entscheidet künftig darüber, ob wir uns engagieren.“

Früher war die Sorge, in der Öffentlichkeit in den Dunstkreis der Korruption zu geraten, nicht so groß, wenn Unternehmen etwa das jährliche Sommerfest des Bundespräsidenten im Park des Bellevue finanzierten. Der Sponsoringbericht des Bundesinnenministeriums, der die Zuwendungen an die Bundesverwaltung auflistet, weist für die Jahre 2009 und 2010 Gaben an das Bundespräsidialamt in Höhe von insgesamt knapp 3,1 Millionen Euro aus (Zahlen für 2011 liegen noch nicht vor). Insgesamt flossen in den beiden Jahren 93,4 Millionen Euro an Ministerien und Behörden. Platz eins mit großem Abstand: das Gesundheitsministerium mit Zuwendungen in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro.

Zu den größten Sponsoren des präsidialen Sommerfestes gehörten die AOK, Daimler, Vattenfall oder Rewe. Dieses Jahr wird die Liste um einige prominente Namen kürzer sein. Einen Strich unter alle seine Sponsoringaktivitäten zieht der Staatskonzern Deutsche Bahn: „Wir beteiligen uns an all den Veranstaltungen und Arten von politischem Sponsorship nicht mehr“, sagte Bahn-Chef Rüdiger Grube der „Leipziger Volkszeitung“. Dazu gebe es einen Beschluss der Konzernführung. Explizit nennt Grube die Wulff-Affäre als Grund für den Rückzug.

Wie sich Vertrauen zurückgewinnen lässt

Andere Unternehmen sind diplomatischer. Der Elektronikkonzern Philips – 2009/2010 mit zusammen knapp 72 000 Euro beim Sommerfest des Bundespräsidenten dabei – hat mehr mit sich selbst zu tun. „Wir werden uns dieses Jahr nicht beteiligen“, sagt eine Sprecherin. Das Unternehmen streiche im laufenden Sanierungsprozess Kosten – auch beim Sponsoring. Im Übrigen lege man als niederländischer Konzern Wert auf „ethisches Verhalten“. Einen direkten Zusammenhang zu Wulff sieht man natürlich nicht.

Auch Daimler (130 000 Euro) wird beim Sommerfest fehlen. „Wir sind 2012 nicht dabei“, sagt ein Sprecher, der sich zu den Gründen nicht äußern will. Bekommt dann BMW den Zuschlag? Oder Audi? Die Dinge sind im Fluss im Bundespräsidialamt. Zu hören ist, dass BMW – beim Kultur- und Sportsponsoring eine große Nummer – die Ausgaben in diesem Bereich generell überprüft. Womöglich auch als eine Lehre aus den Kapriolen des Bundespräsidenten. Absagen bekommen die Organisatoren des Sommerfestes mit bis zu 5000 Gästen auch vom Schuhverkäufer Deichmann (2009/2010: 70 000 Euro). Das Engagement in den Vorjahren habe die Erwartungen nicht erfüllt, heißt es dort. Der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS (2010: 40 000 Euro) prüft noch. „Thyssen-Krupp will sich auch 2012 beteiligen“, sagt ein Sprecher des Stahlkonzerns. Allerdings hat man noch nicht entschieden, ob man sich wie im Vorjahr in der Königsklasse – als Sponsoring-„Partner“ für 75 000 Euro – engagiert. Es geht auch preiswerter: „Förderer“ zahlen 40 000 Euro, „Unterstützer“ 15 000 Euro, damit im Schlosspark ein buntes Rahmenprogramm mit internationalen Stars veranstaltet werden kann.

Ob Sommerfest, Parteitag, Party oder Presseball – das finanzielle Engagement im politiknahen Betrieb, zumal in Berlin, hat sich bislang für die Unternehmen doppelt ausgezahlt. Die Ausgaben dienen nicht nur der besseren Vernetzung im Apparat, sie sind auch steuerlich absetzbar. Und anders als bei Spenden ab 10 000 Euro müssen Parteien die Geldgeber nicht veröffentlichen. Kritiker aus der Politik, aber auch aus der Wirtschaft, wollen seit den Wulff-Affären mehr Licht in diese Grauzone bringen. Obwohl sich fast alle Großunternehmen strenge Korruptionsrichtlinien vorgeben und Ministerien und Behörden bei der Beschaffung peinlich auf Korrektheit achten müssen, lebt das Polit-Sponsoring munter von der Diskretion aller Beteiligten.

Der Vorsitzende der Corporate-Governance-Kommission der Bundesregierung und Commerzbank-Aufsichtsratschef, Klaus-Peter Müller, sprach sich unlängst für strengere Vorgaben für Zuwendungen an Politiker und Parteien aus. Und die Antikorruptionsorganisation Transparency verlangt von der Politik eine „Integritätsoffensive“, um Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen. Im Fall des Bundespräsidenten hält Transparency- Geschäftsführer Christian Humborg das Verbot von Sponsorenzuwendungen für überfällig: „Dieses Land sollte genug Geld haben, um ein Sommerfest aus Steuergeldern bezahlen zu können“, sagte Humborg dem Tagesspiegel.

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