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Schein und Sein. Die US-Konjunktur fasst wieder Tritt, Europas Wirtschaft dümpelt dahin. Der Dollar ist deshalb wieder gefragt.

© dapd

Gemeinschaftswährung: Schwacher Euro-Kurs muss kein Nachteil sein

Der Euro-Wechselkurs fällt und fällt. Das gibt der exportlastigen deutschen Wirtschaft Rückenwind. Angesichts der ungelösten Finanzprobleme ist eine erneute Zinssenkung der EZB möglich.

Berlin - Der Euro steht unter so starkem Druck wie seit Monaten nicht mehr. Der Wechselkurs der Gemeinschaftswährung sank am Freitag deutlich auf nur noch 1,2698 Dollar, das war der niedrigste Stand seit anderthalb Jahren. Womöglich geht es in den kommenden Wochen weiter abwärts – Devisenfachleute rechnen damit, dass der Euro-Kurs auf bis zu 1,20 Dollar fallen könnte. Das würde einerseits Rückenwind für die exportlastige deutsche Industrie bedeuten, andererseits könnten dadurch Importgüter teurer werden.

Vor allem in den vergangenen zweieinhalb Monaten hat der Euro eine steile Talfahrt hingelegt, Ende Oktober kostete er noch 1,42 Dollar. In britischen Pfund gerechnet ist er so günstig wie seit 16 Monaten nicht, in Yen ist er so wenig wert wie seit elf Jahren nicht. Anleger wenden sich vom Euro ab, weil sich die US-Wirtschaft derzeit erholt, während in der Euro-Zone die Zeichen auf Rezession stehen. „In den USA sieht die Konjunktur einfach robuster aus“, sagte Stefan Rieke, Devisenexperte der BHF-Bank. Das US-Arbeitsministerium meldete am Freitag, dass die Zahl der Beschäftigten im Dezember um 200 000 gestiegen sei. Das Plus lag doppelt so hoch wie im November, die Arbeitslosenquote sank auf 8,5 Prozent.

Spiegelbildlich dazu geht es in Deutschland abwärts. Die Industrie verzeichnete im November einen Auftragsrückgang von 4,8 Prozent, wie das Bundeswirtschaftsministerium erklärte. Damit bestätigt sich die Angst vieler

Ökonomen vor einer Abkühlung oder einer Rezession in Europas größter Volkswirtschaft.

Zusätzlicher Druck lastet auf dem Euro-Kurs, weil der Fortgang der Schuldenkrise unklar ist. Erneut steht infrage, ob Griechenland sein Defizit in den Griff bekommt, außerdem müssen sich Italien und Spanien in den kommenden Monaten Hunderte Milliarden Euro frisches Geld an den Finanzmärkten leihen. Unklar ist auch das Schicksal vieler Banken, die sich neues Kapital besorgen müssen. Die Banken zögern deshalb, einander Geld zu leihen und parken es lieber bei der Europäischen Zentralbank – trotz schlechterer Konditionen. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag erreichten diese kurzfristigen Einlagen den Rekordwert von 455,3 Milliarden Euro, wie die Zentralbank mitteilte. Vor Weihnachten hatten die Einlagen erstmals die 400-Milliarden-Marke überschritten.

Der US-Spekulant George Soros hat vor diesem Hintergrund erneut vor einem Scheitern der Gemeinschaftswährung gewarnt. Dies wäre nicht nur „für Europa katastrophal, sondern auch für das weltweite Finanzsystem“, sagte er der indischen Zeitung „Business Line“. Die Krise der Euro-Zone sei „ernsthafter und gefährlicher als der Zusammenbruch von 2008“.

Angesichts der ungelösten Finanzprobleme ist in Europa eine erneute Zinssenkung möglich – die EZB hat zuletzt bereits zweimal die Geldpolitik gelockert. Das würde den Euro zusätzlich unter Druck setzen, sagte BHF-Fachmann Rieke. „Der Euro gleicht einer heißen Kartoffel, die derzeit niemand anfassen will“, findet er. Ein Abrutschen der Währung auf 1,25 Dollar in den nächsten Wochen hält er für vorstellbar. Es könne auch in Richtung 1,20 Dollar gehen, glaubt Carsten Klude, Chefökonom der Hamburger Privatbank M.M. Warburg.

Für die deutsche Wirtschaft muss das kein Nachteil sein. Zwar sorgen heftigere Währungsschwankungen dafür, dass es für Konzerne teurer wird, das Kursrisiko abzusichern. „Für Deutschland ist ein schwächerer Euro aber eine gute Nachricht“, sagte Klude. Kein Land Europas sei derzeit international so gut aufgestellt. „Ein günstiger Kurs verbessert die Wettbewerbsfähigkeit weiter.“ Ein schwacher Euro hat aber auch Nachteile: Importgüter und Vorprodukte werden teurer. „Das würde sich aber erst auswirken, wenn der Kurs ein Jahr lang niedrig bliebe“, sagt Dirk Schlotböller, Ökonom beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Das sei derzeit kaum absehbar.

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