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Spitzenjob in Sicht? Nicht immer ist es sinnvoll und möglich, die Karriereleiter schnurgerade nach oben zu marschieren. Auf eine konkrete Position hinzuarbeiten, wird Experten zufolge immer schwieriger. Foto: fotolia

© Sergey Nivens - Fotolia

Wirtschaft: Geplanter Erfolg

Guter Job, hohes Gehalt, Entwicklungschancen: Das wünschen sich Studenten für ihre Zukunft. Aber unbedingt Karriere machen – das wollen längst nicht mehr alle.

Abitur, Studium und dann ein Job mit einem guten Einstiegsgehalt, in dem man sich von Position zu Position in der Hierarchie nach oben hangelt: So stellen sich auch heute noch viele Studenten eine gelungene Karriere vor. Das geht aus einer Untersuchung der Hochschule Koblenz in Kooperation mit der Jobbörse Jobware zu den Karrierezielen von Studenten hervor. Danach strebt jeder vierte Mann einen Vorstandsposten an. Nur etwa halb so viele Frauen wollen eine Position an der Spitze. Doch kann man eine Karriere überhaupt generalstabsmäßig planen? In zwei Jahren Teamchef, in fünf Jahren Abteilungsleiter, in zehn Jahren Mitglied der Geschäftsführung? Und ist das wirklich erstrebenswert?

„Es gibt da vielleicht eine Aspiration, ein Wunschbild, das man vor Augen hat. Bestimmte Zeiträume, sieben bis zehn Jahre, lassen sich eventuell noch überschauen, aber eine Karriere ingenieursmäßig durchzuplanen, das geht eigentlich nicht“, sagt Thomas Sattelberger. Er war bis 2012 Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Deutschen Telekom. Zuvor arbeitete er in der gleichen Position für den Automobilzulieferer Continental, leitete die Personalentwicklung bei Lufthansa und Daimler-Benz. Heute ist er im „aktiven Ruhestand“ und unter anderem Themenbotschafter für das Thema Personalführung der Initiative Neue Qualität der Arbeit (www.inqa.de).

Seiner Meinung nach sollte man an die Karriereplanung eher so herangehen wie an den strategischen Prozess eines Unternehmens. Das heißt: Umwege einkalkulieren, auch mal einen Fehlschlag in Kauf nehmen, eine Bandbreite an strategischen Möglichkeiten zulassen und gegebenenfalls nachjustieren. „Wenn etwas in die Hose geht, sollte man einen Plan B zur Hand haben“, sagt Sattelberger.

Die Karriereleiter gerade nach oben zu marschieren, ist eher die Ausnahmen und auch nicht immer sinnvoll. „Es gibt zwar noch die klassischen Aufstiegskarrieren, aber auch viele Projektkarrieren“, sagt der frühere Personalchef. Damit meint er vor allem Berufslaufbahnen von „Professionals“, deren Kompetenzen sich von Projekt zu Projekt erweitern, die aber nicht in der tradierten Manager-Hierarchie aufsteigen.

Sattelberger plädiert dafür, Karriere zunehmend wie den englischen Begriff „career“ zu verstehen. Er impliziere nicht nur die berufliche, sondern auch die persönliche Entwicklung und sei mit einem gestalterischen Anspruch und lebenslangem Lernen verbunden.

Die Hamburger Karriereberaterin Svenja Hofert findet es durchaus in Ordnung, zwischenzeitlich keinen Karriere-Plan zu haben. Ihre Erfahrung ist: „Zwei bis fünf Prozent der Menschen wissen ganz genau, wo sie hinwollen und können darauf zuarbeiten, die große Masse ist aber nicht so zielgerichtet.“ Sie ermutigt zum Experimentieren: „Man kann sich mal ein oder zwei Jahre Zeit nehmen, in denen man verschiedene Sachen ausprobiert, bis man sich entscheidet, wie es weitergehen soll.“

Auf eine konkrete Position hinzuarbeiten, wird Hofert zufolge immer schwieriger – schon deshalb, weil immer neue Jobbezeichnungen aufkommen, die je nach Firma etwas anderes meinen können. Vielen ihrer Klienten geht es eher um Werte, die sie verwirklichen wollen, zum Beispiel interdisziplinär oder eigenverantwortlich zu arbeiten. „Wenn man sich dieser Ansprüche bewusst ist, kann man nach einem passenden Job suchen.“

Komplett planlos durchs Berufsleben zu stolpern, hält Svenja Hofert allerdings auch für schwierig. „Dann besteht die Gefahr, dass man irgendwann aufwacht und sich unzufrieden und fremdgesteuert fühlt“, sagt sie. „Die richtige Balance zwischen Gelassenheit und Zielstrebigkeit ist wichtig.“

Einer Langzeituntersuchung des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) zufolge macht Karrieremachen auch nicht automatisch glücklich. Die Forscher David Johnston und Wang-Sheng Lee haben zwischen 2002 und 2010 knapp 2000 Beschäftigte zu ihrem Beruf befragt. Sie fanden heraus, dass die Aussicht auf eine Beförderung zwar zunächst die Arbeitsmotivation erhöht. Spätestens drei Jahre nach dem Aufstieg ist die Zufriedenheit aber wieder ähnlich wie vorher. Stress und eine höhere Arbeitsbelastung gleichen die positiven Aspekte wie ein höheres Ansehen und mehr Geld offenbar aus. Der psychische Gesundheitszustand verschlechtere sich auf längere Sicht in Positionen mit mehr Verantwortung sogar merklich. „Angesichts dieses Ergebnisses ist es interessant, dass Angestellte auf der ganzen Welt, in allen Branchen und Berufen nach Beförderungen streben“, resümieren die Autoren.

„Wenn man nur an Macht und Geld interessiert ist, dann verfliegt der Adrenalinrausch schnell“, sagt Thomas Sattelberger. Er sieht die Aufgabe eines guten Personalprofis auch darin, die Erwartungen realistisch zu managen. „Es gibt manchmal abwegige, ja sogar auch dumpfe Vorstellungen, wie und in welchen Zeiträumen man Karriere macht.“

So sei ein guter akademischer Abschluss in der Regel gerade mal die Eintrittskarte in ein Unternehmen. Er schaffe aber kein Anrecht auf einen bestimmten Posten. „Jemand kann fachlich toll sein, muss aber deshalb noch lange keine Führungskompetenz haben“, sagt Sattelberger. „Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, der kriegt auch mit, dass es im Laufe eines Berufslebens nicht nur Aufstiege, sondern auch Abstürze gibt.“

Ihm sollte auch nicht entgehen, dass man für einen Vorstandposten Opfer bringen muss. Dazu sind viele der befragten Studenten aus der Studie von Jobware und Hochschule Koblenz nicht bereit. Nur jeder zweite Student, der Vorstand werden will, würde einen Job annehmen, der ein doppeltes Gehalt bietet und eine 60-Stunden-Woche verlangt.

Für Wolfgang Achilles, Geschäftsführer von Jobware, ist das ein Indiz dafür, „dass es die Diversität an Fach- und Führungspositionen erlaubt – nebst der klassischen Karriere als Aufstiegsmodell – nunmehr auch horizontal orientierte Karrieren anzustreben.“ Immerhin ein Drittel der Studierenden hat schon vor dem Start ins Berufsleben das Thema Karriere ad acta gelegt: 37,5 Prozent der Frauen und 32,8 Prozent der Männer können sich vorstellen, ganz darauf zu verzichten.

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