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Geplatzte Fusion von EADS und BAE: Wer hat Schuld am Scheitern?

Nach dem Scheitern der Megafusion schieben sich die Bundesregierung auf der einen Seite und die Opposition und Konzernführung auf der anderen Seite die Schuld gegenseitig zu. Dabei tauchen auch alte Kritiker wieder auf der Versenkung auf.

EADS stellt nach dem Scheitern der Fusion mit dem Rüstungskonzern BAE Systems das eigene Wehrgeschäft auf den Prüfstand. Ohne den britischen Partner muss sich die Sparte mit dem Namen Cassidian neu sortieren. Dabei setzt der europäische Luft- und Raumfahrtriese weiter auf Konzernchef Tom Enders. Der Verwaltungsrat stärkte dem deutschen Manager am Donnerstag demonstrativ den Rücken und betonte, dass EADS auch künftig von Enders geführt werden solle.

Das Gremium habe bei einer regulären und seit längerem geplanten Sitzung am Donnerstag dem Manager seine volle Unterstützung zugesichert, sagte ein Konzernsprecher in München. Der Vorsitzende des Gremiums ist der französische Großaktionär Arnaud Lagardère, der sich zuvor ebenfalls kritisch zum Plan für einen Zusammenschluss mit BAE geäußert hatte. Das von Enders vorangetriebene Projekt war am Mittwoch endgültig am Widerstand aus der Politik gescheitert.

Während die wichtigste Tochter Airbus vom Platzen der Fusion eher wenig betroffen ist, trifft Cassidian das Aus für die ambitionierten Pläne hart. „Wir müssen unsere Konzernstrategie und insbesondere unsere Verteidigungsaktivitäten auf den Prüfstand stellen“, schrieb Enders in einem Brief an die Mitarbeiter des Konzerns. Die Sparte büßte 2011 gut 2 Prozent Umsatz ein und verdiente operativ mit 331 Millionen Euro 28 Prozent weniger.

Vor allem aber treiben die Manager Zukunftssorgen um. Zu den ohnehin drückenden Rüstungskürzungen in den europäischen Staaten könnten weitere Einschnitte kommen. Seit langem laufen Gespräche, etwa über eine reduzierte Abnahme von Kampfflugzeugen oder Hubschraubern. In der Eurofighter-Wartung in Manching gibt es bereits Kurzarbeit. Unterdessen wächst die Kritik an der Bundesregierung, an deren Widerstand der Milliarden-Deal wohl vor allem gescheitert war.

Enders räumte in dem Schreiben ein, den Widerstand aus Berlin unterschätzt zu haben. „Ich bin bereit einzugestehen, dass ich nicht mit so heftigem Widerstand gegen diesen Zusammenschluss gerechnet habe, vor allem nicht aus Berlin.“. Die Regierungen in Frankreich und Großbritannien hätten starke Bemühungen unternommen, um die politischen Hürden zu überwinden, betonte er in dem Brief.

Die Bundesregierung dagegen verteidigte ihre kritische Haltung zur Fusion. Luftfahrtkoordinator Peter Hintze (CDU) sagte der „Bild“-Zeitung (Donnerstagausgabe): „Es war die Pflicht der Bundesregierung, die deutschen Standortinteressen zu wahren. Da geht es um Schlüsseltechnologien und Arbeitsplätze.“ sagte Hintze.

CSU und SPD gaben dagegen der Bundesregierung eine Mitschuld am Scheitern

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Martin Lindner, wies Schuldzuweisungen an die deutsche Politik ebenfalls scharf zurück: „Die Schuld bei anderen zu suchen ist einfach. EADS-Chef Tom Enders muss sich an die eigene Nase fassen“, sagte Lindner dem „Handelsblatt“ (Freitagausgabe) in Anspielung auf die Äußerungen Enders'. Die Fusion sei in seinen Augen schlecht vorbereitet gewesen, sagte er. „EADS ist mit seiner Rüstungssparte kein Unternehmen wie jedes andere“, erklärte der FDP-Politiker. EADS habe staatliche Anteilseigner und zahlreiche Kunden aus der Luft- und Raumfahrtindustrie, die in staatlicher Hand seien. „Da muss der Staat ein Auge darauf haben, auch wenn das Der FDP-Politiker fordert Enders nach der geplatzten Fusion auf, die deutschen Standorte mit ihren derzeit knapp 50.000 Beschäftigten langfristig zu erhalten. Enders solle eine überzeugende Strategie vorstellen, bei der das Know-how im Rüstungsbereich in Deutschland verbleibe. „Dann mache ich mir um die Zukunft des Unternehmens keine Sorgen“, sagte Lindner.

Politiker von CSU und SPD gaben dagegen der Bundesregierung eine Mitschuld am Scheitern der Fusionspläne. Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) warf der Regierung um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, eine „historische Chance“ verpasst zu haben, wie er in einem Kommentar für die britische „Financial Times“ (Donnerstag) schreibt. Ein Zusammenschluss der Konzerne hätte aus politischer und wirtschaftlicher Sicht zahlreiche Vorteile gebracht. Es sei überraschend, dass sich gerade Deutschland, das stets mehr europäische Kooperation fordere, dagegen gewandt habe.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn sagte in Berlin, seiner Auffassung nach hätte „Gefeilsche um nationale Anteile“ das Projekt zum Scheitern gebracht. In Hahns Augen hat die deutsche Seite nicht entschlossen genug verhandelt. Vor allem ärgerte sich der CSU-Verteidigungsexperte über den Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt, Peter Hintze (CDU): Es sei „absurd“, dass Peter Hintze als Vertreter der Bundesregierung das Scheitern der Fusion begrüß habe. „Man muss sich fragen, ob Deutschland überhaupt je ernsthaft verhandelt hat“, ergänzte Hahn.

Auch der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels kritisierte die Bundesregierung scharf. Der Verteidigungsexperte sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Onlineausgabe), die Bundesregierung habe „mit ihrer völlig unentschlossenen Haltung nicht dazu beigetragen, dass die Fusion gelingt“. Aber auch EADS-Chef Enders habe mit seiner „Diplomatie mit dem Holzhammer“ ständig neue Hindernisse geschaffen. Letztlich habe die Bundesregierung „zugeguckt, wie Enders die Sache vor die Wand fährt“. Zugleich riet er den Konzernen möglichst bald einen neuen Anlauf zu wagen. In einigen Jahren könne es dafür zu spät sein, da sich beide Konzerne mittelfristig neu ausrichten müssten. Der Chef der CSU-Wirtschaftskommission, Markus Blume, erneuerte seine scharfe Kritik am Luft- und Raumfahrtkoordinator der Bundesregierung, Peter Hintze. „Hintze muss aufpassen, mit seinem «Feldzug« das Erbe von Franz-Josef Strauß in der Luft- und Raumfahrt nicht leichtfertig zu verspielen“, sagte Blume.

Eine Alternative zu der gescheiterten Fusion brachte am Donnerstag bereits Italien ins Spiel. Das Scheitern der Verhandlungen eröffne Spielräume, die in Kürze vom italienischen Technik- und Rüstungskonzern Finmeccanica und dann von der Regierung abgeschätzt werden sollten, sagte der italienische Verteidigungsminister Giampaolo Di Paola am Donnerstag laut Nachrichtenagentur Ansa. EADS wollte sich zu solchen Überlegungen aber nicht äußern. Es müsse nun erst einmal genau die Lage analysiert werden, bevor man weitere Überlegungen anstelle. (dapd, dpa)

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