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Wirtschaft: Gerhard Schröder und seine virtuelle Tafelrunde

Wie sich Niedersachsens Ministerpräsident in Sachen Wirtschaft beraten läßtVON MARTIN NOÉ HANNOVER.Es ist nicht immer leicht, Gerhard Schröders Berater zu sein.

Wie sich Niedersachsens Ministerpräsident in Sachen Wirtschaft beraten läßtVON MARTIN NOÉ HANNOVER.Es ist nicht immer leicht, Gerhard Schröders Berater zu sein.Wenn Bodo Hombach seine knapp drei Zentner bis in den vierten Stock zu Schröders Dachwohnung in Hannover hochgewuchtet hat und ihm der Schweiß übers Gesicht perlt, dann steht oben an der Treppe ein spöttelnder Ministerpräsident.Und wenn das Telefon nachts um elf klingelt, dann kann der wirtschaftspolitische Sprecher der nordrhein-westfälischen SPD-Fraktion vermuten, daß gleich die sauber modulierende Stimme des Niedersachsen zu hören sein wird. Bodo Hombach gehört zu den Männern und Frauen, die den Ministerpräsidenten in einen Kanzler verwandeln sollen.Oder wenigstens seine täglichen Geschäfte am laufen halten.Über die Jahre hat Schröder eine Art virtuelle Tafelrunde um sich geschart - virtuell, weil sie nie zusammenkommt.Und doch ist jeder einzelne, wenn Schröder ihn braucht, erreichbar.Wirtschaftsleute sind darunter wie der Unternehmensberater Roland Berger und der Continental-Chef Hubertus von Grünberg oder der frühere Vorstand der Veba Kraftwerke Ruhr AG, Werner Müller.Natürlich ist Schröder nicht nur auf Sachverstand von außen angewiesen; in der Staatskanzlei arbeiten die Leute, die von Berufs wegen seine Politik konzipieren und im Land durchsetzen.Als eng gilt Schröders Verhältnis zu seinem Staatskanzleichef, Staatssekretär Frank Steinmeier.Im "Ärztehaus", einem Nebenbau der Staatskanzlei, sitzen die drei wichtigsten Politikplaner.Allesamt promoviert (deshalb "Ärztehaus"), arbeiten sie meist im Hintergrund. Am bekanntesten ist Christel Möller.Die Gartenbauökonomin hat beispielsweise Schröders Öko-Wende argumentativ unterfüttert und ist, wie die Visitenkarte ausweist, zuständig für "Strategische Planung und Projektorgansiation".Als Verwaltungsexperte in der Staatskanzlei gilt Heinz Thörmer, der sich auch schon mit Schröder angelegt hat, weil er einen entschiedeneren Sparkurs verfocht.Als dritter Mann komplettiert Gerd Weiberg den Denkerflügel.Er versteht etwas von Kunst und Kultur, kümmert sich aber auch um die Expo.Einen guten Verkäufer hat Schröder mit seinem Regierungssprecher an sich gebunden; Uwe Karsten Heye, der früher fürs ZDF und die "Süddeutsche Zeitung" arbeitete, hat beste Kontakte zu den wichtigen Medien.Auf die Staatskanzlei allein will sich Schröder nicht verlassen.Wenn es um Wirtschaftspolitik geht, hat er, an Minister Peter Fischer vorbei, einen direkten Draht zu seinem Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Alfred Tacke.Er gilt als der Macher von Schröders Industriepolitik, zuletzt bei der spektakulären Übernahme von Preussag Stahl. Gäbe es einen Wettbewerb für den ungewöhnlichsten Spitzenbeamten, Tacke würde wohl vorn liegen.Wo andere sich absichern, arbeitet er ohne Netz, gewiß nur, daß Schröder ihn auffangen wird.Ob er Stimmung für die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei der IHK macht oder die IG Metall wegen ihrer Tarifpolitik angreift - Tacke hat keine Angst und riskiert, daß die Verbände ihn eher behindern als unterstützen.Die Loyalität zur SPD-Mehrheitsmeinung ist bei dem promovierten Volkswirt und früheren DGB-Referenten nicht sehr ausgeprägt.Wer mit ihm über Makroökonomie sprechen will, über Währungsrelationen und Binnenkaufkraft, also die Wirtschaftsprogrammatik von SPD-Chef Oskar Lafontaine, dem spuckt er förmlich ins Gesicht: "Ach, dieser ganze Ableitungsquatsch.Entscheidend ist die Produktivität." Deregulierung, Flexibilisierung soweit teilt er das Glaubensbekenntnis der Neoliberalen.Worin Tacke sich unterscheidet: Ordnungsprinzipien wie Flächentarife hält er für notwendig, um der Gesellschaft Halt zu geben.Schröder hat ihm 1990 einen Job angeboten, seitdem zählt er zu seinen engsten Beratern.In der Regel, so schildert Tacke, spanne Schröder seine Berater nicht zusammen.Statt dessen holt er sich einzeln Ratschläge ein, die er mit den Positionen anderer Vertrauter abgleicht.Der heimatverbundene Tacke würde für Schröder auch Niedersachsen verlassen: "Berlin ist eine schöne Stadt." Ins Gespräch gebracht wurde er als Leiter der Wirtschaftsabteilung im Kanzleramt.Hombachs Karriereambitionen sind weniger eng mit Schröder verbunden.Viele in der nordrhein-westfälischen SPD können sich ihn als Nachfolger von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement vorstellen, wenn dieser Ministerpräsident wird.Hombachs Image gründet immer noch auf seinen Talenten als Wahlkampfmanager: Er verschaffte Johannes Rau dreimal die absolute Mehrheit, obwohl er seit Jahren als Landtagsabgeordneter und Mitglied der Geschäftsführung bei Preussag Handel auf eigenen Beinen steht.Sein Ruf hat in letzter Zeit gelitten, vor allem seit er sich für Schröder engagiert.In der Bonner Baracke mag man ihn nicht, und wenn er und SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering sich begegnen, scheint die Raumtemperatur um einige Grad zu fallen.Hombach leidet an seinem Ruf als Trickser und Strippenzieher.Auch die Unterstellung, er sei zu einem Luxus-Sozi geworden, macht ihm so zu schaffen, daß er dem Besucher bedeutet, seine Zigarren kosteten keineswegs 20 DM das Stück, sondern nur 4 DM.An Selbstzweifeln leidet er aber - auch nicht im Verhältnis zu Schröder.Er fühlt sich als dessen "letzter Sparringspartner in der Frage, was man tun muß".Wenn Hombach den Aufstieg zu Schröders Dachwohnung genommen hat, findet er dort übrigens meist schon eine Beraterin vor.Doris Köpf hat nicht nur als Ehefrau den Platz von Hiltrud Schröder eingenommen.Die Journalistin kümmert sich inzwischen ähnlich intensiv um Gerhard Schröders Karriere, wie ihre Vorgängerin das einmal tat.(HB)

MARTIN NOÉ

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