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Wirtschaft: Gerster gibt Langzeitarbeitslose auf

Bundesanstalt will sich auf gut vermittelbare Erwerbslose konzentrieren/Kommunen wittern „Kriegserklärung“

Berlin (ce/asi). Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Florian Gerster, hat vor zu großen Erwartungen an die Vermittlungsaussichten in einen Job für Langzeitarbeitslose gewarnt. Nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen und Sozialhilfe werde sich sein Haus vor allem um die Arbeitslosen kümmern, die sich „mit realistischem Aufwand“ für den ersten Arbeitsmarkt qualifizieren lassen, kündigte er am Montagabend auf einer Diskussionsveranstaltung an. Wer innerhalb von sechs Monaten nicht fit gemacht werden könne, für den sollten die Kommunen einen „ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt“ schaffen – sprich: Arbeitsplätze subventionieren.

Damit relativiert Gerster die Hoffnungen der Bundesregierung, dass nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen deutlich besser gelingen könne als bisher. Statt dessen tritt der Kostenaspekt in den Vordergrund: Nach den Rechnungen der Arbeitsmarktforscher benötigen Weiterbildungsinstitute für jeden Langzeitarbeitslosen etwa genau so viel Zeit zur Qualifizierung, wie er vorher arbeitslos war. Dies sei nicht mehr bezahlbar, argumentiert Gerster. Die BA müsse vielmehr dafür sorgen, dass aus Menschen, die jetzt arbeitslos würden, keine Langzeitarbeitslosen würden.

Langzeitarbeitslose, die als erwerbsfähig eingestuft werden, sollen nach den Plänen der Bundesregierung ab 2004 das steuerfinanzierte Arbeitslosengeld II erhalten. Das solle auf „die Größenordnung der Sozialhilfe“ abgesenkt werden, kündigte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering am Dienstag an. Bislang war ein Niveau im Gespräch, das sich zehn Prozent oder 29 Euro oberhalb des Sozialhilferegelsatzes bewegen sollte. Laut Müntefering plant die Bundesregierung, Langzeitarbeitslosen einen anrechnungsfreien Zuverdienst zu ermöglichen.

Den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit bezeichnete Gerster als „Illusion“. „Das kann man sich nicht bei vielen Menschen leisten“, sagte der BA-Chef. Für die Arbeitsämter sei der Abbau „immens teuer“ und „mit extremem Zeitaufwand verbunden“. Die Bundesanstalt bezeichnete er als „Träger der Arbeitsmarktpolitik, nicht der Sozialpolitik“. Für letztere seien die Kommunen zuständig. Die Arbeitsämter müssten sich auf Menschen konzentrieren, „die schneller eingliederungsfähig sind“, forderte Gerster.

Gerster Vorstoß sorgte am Dienstag in der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen für einen Eklat. Kommunalvertreter wiesen die Pläne des BA-Chefs als „Kriegserklärung“ zurück. Gerster wolle die „Gutläufer“ unter den Langzeitarbeitslosen behalten und den Kommunen die „Beinlahmen“ überlassen, hieß es nach der Sitzung. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, kündigte „massiven Protest“ der Kommunen an, wenn es zu einer solchen „Betonierung der zwei Klassen von Arbeitslosen“ kommen sollte. Er schloss nicht aus, dass sich in einem solchen Fall die Kommunen sogar gänzlich einer Neuregelung der Gemeindefinanzen verschließen werden.

BA-Chef Gerster dringt auch darauf, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes deutlich zu verkürzen. Ältere Arbeitslose erhalten die Unterstützung, die aus Beiträgen der Arbeitslosenversicherung finanziert wird, bis zu 32 Monate lang. Im internationalen Vergleich sei das ein Spitzenwert und „eine Fehlentwicklung“, die die Langzeitarbeitslosigkeit mit verursacht habe. „Die Arbeitseinstellung leidet unter langer Arbeitslosigkeit“, warnte Gerster. Je länger ein Mensch ohne Arbeit sei, desto mehr entferne er sich vom Arbeitsmarkt.

Gerster räumte ein, dass seine Behörde in diesem Jahr möglicherweise doch nicht ohne zusätzliches Geld vom Bund auskommen werde. „Aber wir versuchen es“, sagte er. Der Behördenchef hat der Bundesregierung versprochen, die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik und die Transfers für Arbeitslose allein aus den Einnahmen der BA zu bestreiten. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit hatte die BA 2002 einen Zuschuss in Höhe von 5,6 Milliarden Euro benötigt.

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