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Der Protest der Occupy-Bewegung richtet sich gegen Moralverlust und Profitgier der Banken.

© Reuters

Geschäft und Moral: Renaissance der Ehrlichkeit

Die Deutschen sehnen sich nach Werten. Das zeigen die Ergebnisse einer Studie, die vom Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung in Auftrag gegeben wurde. Der Wirtschaft glauben sie nur wenig.

Die Menschen in Deutschland sehnen sich nach mehr Moral. Sie wollen ein verlässliches Wertesystem, an dem sie sich in einer immer komplexer werdenden Welt orientieren können. Ehrlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit sind ihnen dabei besonders wichtig. Das sind die Ergebnisse einer Studie, die vom Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung RAL in Auftrag gegeben wurde. RAL ist ein Industrieverband für Gütezeichen und hilft, Kriterien für Siegel wie den Grünen Punkt oder den Blauen Engel zu entwickeln.

Doch wenn es um moralische Werte geht, stehen die Deutschen vor einem Problem: Die Institutionen, die früher Werte vermittelten, haben ausgedient. Nur sechs Prozent der Bevölkerung glauben der Studie zufolge, dass Moral überzeugend von der Wirtschaft oder der Politik vorgelebt wird. Elf Prozent sagen das von der Kirche. „Das ist ein katastrophaler Wert, wenn man bedenkt, dass wir auch Kirchenmitglieder befragt haben“, sagt Ines Imdahl vom Rheingold-Institut, das die Studie durchgeführt hat.

Die Wirtschaft hat den Trend erkannt und nutzt Werte als Verkaufsargument. Unternehmen geben sich Richtlinien für nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Handeln: So legen Banken beispielsweise „grüne Fonds“ auf und Kaffeeröster haben fair gehandelte Bohnen im Angebot. Allerdings bezweifeln die 1000 in der Studie befragten Deutschen, dass die neue Moral der Firmen viel mehr ist als bloßes Marketing und kaum konkret vermittelt wird.

Anscheinend nicht ganz zu Unrecht: Denn die Studie belegt, dass gerade die Führungskräfte großer Firmen nur eine sehr abstrakte Haltung gegenüber der Moral einnehmen und starre „Codes of Conduct“ aufstellen, die kaum Spielräume lassen. In kleinen und mittelständischen Unternehmen hingegen gebe es Freiräume, Werte selbst zu entwickeln. Hier gehören Ausnahmen von Regeln zum Alltag, wenn sie unmittelbar menschlich oder vernünftig erscheinen.

Die „Occupy“-Bewegung, die gegen das herrschende Finanzsystem protestiert, ist für Ines Imdahl ein Beispiel für das zunehmende Bedürfnis nach Moral. Geld scheint heute die letzte Autorität zu sein, sagt sie. Gleichzeitig habe es ein sehr schlechtes Image: Es mache gierig und rücksichtslos. Die Menschen hätten Angst vor der entfesselten Macht der Märkte, die keinen Platz für Moral haben.

Für manche gäbe es eine ganz einfache Lösung. Petra Ledendecker, Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen, zum Beispiel, ist fest überzeugt, dass Frauen werteorientierter arbeiteten: „Hätten wir mehr Frauen an entscheidenden Positionen, hätte die Finanzkrise nicht so eine Wucht gehabt“, sagt sie. Es sei erwiesen, dass Frauen weniger risikofreudig sind und Entscheidungen gewissenhafter abwägen. Dass Frauen per se moralischer als Männer sind, belegt die Studie jedoch nicht: Hier liegen die Geschlechter nur marginal auseinander.

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