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Wirtschaft: Geschickt gespart

Bei Immobilienschenkungen innerhalb der Familie fallen de facto kaum Steuern an. Der Wert von Häusern und Grundstücken wird von den Finanzbehörden oft zu niedrig angesetzt. Ob das mit rechten Dingen zugeht, entscheidet in Kürze das Bundesverfassungsgericht

Übertragen Eltern schon zu Lebzeiten Wertgegenstände wie Aktien, Geld oder Immobilien auf ihre Kinder, sprechen Juristen von „vorweggenommener Erbfolge“. Das lohnt sich dank steuerlicher Freibeträge. Bei Immobilienübertragungen profitieren die Kinder aber noch durch einen weiteren Effekt: Der Wert von Immobilien wird von den Finanzbehörden nach einem gesetzlich vorgegebenen Verfahren oft viel niedriger angesetzt, als er tatsächlich ist. So machen sich die Steuerfreibeträge bei der Immobilienübertragung gleich doppelt bezahlt.

Noch zumindest. Doch wer Immobilienbesitz steuergünstig auf die nächste Generation übertragen möchte, sollte bald handeln. Der Grund: In Kürze werden die Vorschriften für die steuerliche Bewertung von Immobilien voraussichtlich verschärft. Derzeit wartet der Gesetzgeber allerdings noch auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der vom Bundesfinanzhof vorgelegten Frage, ob die gegenüber Aktien und Geldgeschenken im Schenkungs- und Erbschaftsteuergesetz festgeschriebene Unterbewertung von Immobilien gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt (Aktenzeichen: 1 BvL 10/02).

Hintergrund: Der Wert von Immobilien wird vom Finanzamt gesondert festgestellt. Dabei bestimmt sich der Wert unbebauter Grundstücke nach ihrer Fläche und den um 20 Prozent ermäßigten Bodenrichtwerten. Bei bebauten Grundstücken wird die Jahresmiete mit 12,5 multipliziert und anschließend um eine prozentuale Wertminderung wegen Alters gekürzt. „Das führt dazu, dass vom Finanzamt häufig nur 50 bis 60 Prozent des realen Wertes einer Immobilie angesetzt werden“, erläutert Notar Reinhold Kössinger. Eine Immobilie mit einem Verkehrswert von einer Million Euro wird demnach im Fall einer Schenkung vom Fiskus unter Umständen nur mit einem Wert von 500 000 Euro besteuert – wobei für die Ehefrau 307 000 Euro und für jedes Kind 205 000 Euro an Freibeträgen einzusetzen sind. Bei einer Immobilienschenkung innerhalb der Familie fallen somit de facto fast keine Steuern an.

Steuerrechtsexperten gehen allerdings mehrheitlich davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Unterbewertung von Immobilien für gleichheitswidrig erklären und dem Gesetzgeber eine Frist zur Beseitigung der Ungleichbehandlung einräumen wird. Notar Kössinger mag dem Gericht zwar nicht vorgreifen. „Das Risiko, dass die Verfassungsrichter die derzeitige Immobilienbesteuerung für gleichheitswidrig halten, ist aber auf jeden Fall gegeben“, meint der Experte und macht seine Prognose an einem einfachen Beispiel fest: Kind Nummer eins erhält eine Immobilie im Verkehrswert von 400 000 Euro als Geschenk. Die Immobilie wurde vom Finanzamt aber nur mit 200 000 Euro bewertet. Steuern fallen nicht an. Kind Nummer zwei erhält 400 000 Euro in Aktien oder Bargeld – und muss die Summe, die den Freibetrag in Höhe von 205 000 Euro übersteigt, sehr wohl versteuern.

Mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings frühestens Ende dieses, eher noch Anfang kommenden Jahres zu rechnen, heißt es aus dessen Presseabteilung. Höchste Zeit also, sich über eine lebzeitige Übertragung des Immobilienvermögens jetzt noch Gedanken zu machen und fachkundigen Rat einzuholen.

Davon machen gerade vermögende Mandanten auch regen Gebrauch, berichten Anwälte und Notare einstimmig. Allerdings sollten Eltern nicht allein aus steuerlichen Gründen eine Immobilie schon zu Lebzeiten auf die Kinder übertragen. Denn immerhin ist diese Entscheidung endgültig. Und nicht wenige haben Angst, dass die Kinder sie nach der Übertragung des Grundbesitzes einfach vor die Tür setzen. Doch Notar Reinhold Kössinger beruhigt die Skeptiker: „Gerade bei Schenkungsverträgen gibt es viele Möglichkeiten der Absicherung.“ So könnten beispielsweise die weitere Nutzung der Immobilie durch die Eltern festgeschrieben oder Mieterträge gesichert werden.

Familien, die jetzt noch den Steuervorteil mitnehmen wollen, der sich aus der Unterbewertung von Immobilienbesitz ergibt, sollten also schnell handeln. Denn hat das Bundesverfassungsgericht erst einmal entschieden, könnte die Chance auf eine weitestgehend steuerfreie Immobilienübertragung für immer vertan sein. Andererseits sollte aber auch niemand übereilt zum Notar laufen, wenn die Aufgabe einer Immobilie eigentlich so gar nicht ins derzeitige Lebenskonzept passt – denn Steuervorteile allein machen schließlich auch nicht glücklich.

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