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Krankenkassenkarte

© dpa

Gesundheitsreform: Kassenbeträge steigen auf 15,5 Prozent

Fortschritte bei Gesundheitsreform: Die Bundesregierung hat sich offenbar auf einen Einheitssatz von 15,5 Prozent für alle gesetzlich Krankenversicherten verständigt. Zwischen Politik und Experten herrscht Uneinigkeit über die Folgen der Anhebung für Kassen und Patienten.

Der als Folge der Gesundheitsreform absehbare massive Anstieg der Krankenkassenbeiträge bleibt in der Koalition, aber auch bei Kassen und Experten umstritten. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" will die Bundesregierung der Empfehlung von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) jedoch folgen und den Einheits-Krankenkassenbeitrag für gesetzlich Versicherte am Dienstag im Kabinett auf 15,5 Prozent festlegen. Darüber sei man sich in der großen Koalition einig, weitergehende Forderungen der Krankenkassen würden als "maßlos" beschrieben, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise.

Zugleich seien CDU, CSU und SPD um einen Ausgleich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bemüht und wollten den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 3,3 Prozent so weit als möglich absenken, berichtet die "SZ" weiter. Darüber würden die Spitzen der großen Koalition bei ihrem Treffen am Sonntag in Berlin beraten.

Schmidt lehnt Forderung von 15,8 Prozent ab

Die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann warnte allerdings vor einer vorschnellen Festlegung des Einheitsbeitrags. Der vom Schätzerkreis vorgelegte Bericht müsse zunächst eingehend geprüft werden, sagte sie der "Berliner Zeitung". "Auch vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise und der daraus folgenden wirtschaftlichen Auswirkungen müssen wir uns die prognostizierten Einnahmen und die erwarteten Ausgaben genau anschauen", sagte sie. Die Gesundheitsministerin hatte dagegen erklärt, sie werde dem Kabinett vorschlagen, den von ihrem Ministerium und dem Bundesversicherungsamt vorgeschlagenen Satz von 15,5 Prozent zu beschließen. Den von den Krankenkassen geforderten Beitrag von 15,8 Prozent lehnte Schmidt ab.

Scharfe Kritik kam von der Opposition. "Der Streit im Schätzerkreis zeigt, dass der Gesundheitsfonds eine Fehlkonstruktion ist und sich die Politik nicht bei den Beitragssätzen einmischen darf", sagte der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr der "Berliner Zeitung".

Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem verteidigte die Arbeit des Schätzerkreises gegen Kritik, nachdem es nicht gelungen war, eine gemeinsame Empfehlung über die Höhe des neuen Kassenbeitrages zu geben: "Wenn man den Weg eines Gesundheitsfonds mit staatlich festgesetztem Beitrag geht, dann braucht man auch ein Forum, in dem insbesondere die Kassen die Möglichkeit haben, ihre Ausgabenprognosen kundzutun", sagte Wasem der "Thüringer Allgemeinen". Das Gremium sei sinnvoll, "ob es immer formal etwas empfehlen muss, wird man sicher überdenken".

Krankenkassen-Sterben erwartet

Der Chef der Deutschen Angestellten Krankenkasse DAK, Herbert Rebscher, forderte in der "Welt" eine Verschiebung des Einheitsbeitrags um ein Jahr. "Die Politik schickt die gesamte gesetzliche Krankenversicherung auf einen Blindflug", sagte Rebscher der Zeitung. Das sei unseriös. Kassen, die mit dem Geld aus dem Fonds nicht auskommen, müssten einen Zusatzbeitrag bei den Versicherten erheben.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach prognostiziert ein "großes Sterben der Betriebskrankenkassen". Mit dem einheitlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent werde die Konsolidierung des Marktes und die Fusionen zwischen den Krankenkassen beschleunigt, sagte er der "Rheinischen Post". Dass die Krankenkassen reihenweise einen Zusatzbeitrag einführen werden, um ihre Kosten aufzufangen, glaubt Lauterbach nicht. "Das werden sie vermeiden, weil ihnen sonst die Mitglieder davonlaufen."

DIHK: Enorme Belastung für Arbeitnehmer

Vor einer zusätzlichen Belastung für Arbeitnehmer warnt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun. "Ob 15,5 oder 15,8 Prozent: Der Gesundheitsfonds startet auf jeden Fall mit einem Einheitssatz, der weit über dem bisherigen durchschnittlichen Beitrag liegt", sagte Braun der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" am Samstag. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden damit "enorm belastet".

Zudem lasse der einheitliche Beitragssatz keinen Vergleich der Kassen mehr zu, kritisierte Braun. Die möglichen Zusatzbeiträge seien "viel zu bürokratisch sowie eng begrenzt und deshalb als echtes Wettbewerbsinstrument untauglich". Mit dem Gesundheitsfond werde "ein großer Schritt in Richtung Vereinheitlichung und Zentralisierung" gegangen." Stattdessen müssten Reformen gewagt werden, die den Wettbewerb unter den Anbietern im Gesundheitswesen und unter den Kassen gleichermaßen anfachen, die Finanzierung nachhaltig gestalten und rigide Strukturen auf allen Ebenen aufbrechen, erklärte Braun. (jr/jg/dpa/AFP)

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