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Wirtschaft: Geteiltes Echo auf Tarifkompromiss

Schröder: Schub für die Konjunktur/Volkswirte: Keine neuen Arbeitsplätze

Berlin (Tsp). Der Tarifkompromiss in der Metallindustrie ist in Wirtschaft und Politik überwiegend mit Erleichterung aufgenommen worden, Volkswirte äußerten sich dagegen zum Teil skeptisch. Am Donnerstagmorgen hatten sich nach 16stündigen Verhandlungen IG Metall und Arbeitgeber in Baden-Württemberg auf einen Pilotabschluss geeinigt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte, er hoffe jetzt, dass der Abschluss auf das gesamte Bundesgebiet übertragen werde. Dies könne „Schubkraft für den beginnenden Aufschwung“ in Deutschland bringen.

Gewerkschaft und Arbeitgeber vereinbarten im Südwesten einen neuen Tarifvertrag für 26 Monate. Nach zwei Null-Monaten sollen die Löhne und Gehälter vom 1. März an um 2,2 Prozent steigen, ein Jahr später noch einmal um 2,7 Prozent. Die Laufzeit endet am 28. Februar 2006 und ist damit mit 26 Monaten ungewöhnlich lang. Die IG Metall hatte ursprünglich vier Prozent mehr Geld für zwölf Monate gefordert. Die Arbeitgeber boten jeweils 1,2 Prozent in zwei Stufen und wollten eine Laufzeit von 27 Monaten.

Die Einigung von Pforzheim betrifft 3,5 Millionen Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie – sofern alle Tarifbezirke den Abschluss übernehmen. Während verschiedene Bezirke die Übernahme signalisierten, wollen die Arbeitgeber in Sachsen weiter verhandeln.

Der Volkswirt und Sachverständige Jürgen Kromphardt sagte der Deutschen Presseagentur, „die Lohnprozente schöpfen den Verteilungsspielraum aus, überstrapazieren ihn aber nicht“. Die Einkommenserhöhungen seien gesamtwirtschaftlich im Rahmen des Vertretbaren. Dagegen meinte der Volkswirt des Münchener Ifo Instituts, Gerhard Flaig, „für einen aktiven Beitrag zum Beschäftigungsaufbau ist der Abschluss deutlich zu hoch“. Auch der Chef des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW, Wolfgang Franz, kritisierte die Höhe des Abschlusses, der „keine neuen Arbeitsplätze schafft“. Der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel sprach von einem „für beiden Seiten relativ harten, aber vernünftigen“ Abschluss.

IG Metall-Chef Jürgen Peters hob hervor, dass die IG Metall die flächendeckende Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche auch ohne Bezahlung verhindert habe. „Wir sind froh, dass wir die Arbeitgeber von der Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens überzeugen konnten“, sagte er. Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser räumte ein, dass die Lösung „ein anderer Weg ist, als wir uns ursprünglich vorgestellt haben“. Die Forderung nach betrieblichen Öffnungsklauseln für die Arbeitszeitverlängerung habe aber das Selbstverständnis der IG Metall berührt. „Wir können auf verbrannter Erde, die entstanden wäre, keine betrieblichen Spielräume bauen“, sagte Kannegiesser. Wie die nun verabredeten betrieblichen Spielräume wirklich genutzt werden, will sich Gesamtmetall genau anschauen. Bislang habe die IG Metall Abweichungen vom Tarif erst zugestimmt, wenn der Betrieb bereits in einer Schieflage war. Künftig soll das früher möglich sein, hänge aber von der Bereitschaft der IG Metall ab, hieß es bei Gesamtmetall.

Mit dem Abschluss für die 800000 Beschäftigten in Baden-Württemberg einigten sich die Tarifparteien auf Regelungen, die es erlauben, auf betrieblicher Ebene in bestimmten Fällen die Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden zu verlängern. Die Tarifparteien sollen dabei mitwirken und die Zuständigkeit bei betrieblichen Abweichungen von Tarifnormen behalten. Die Arbeitgeber wollten ursprünglich die Zuständigkeit über längere Arbeitszeit in die Hände der Betriebsparteien legen. „Die IG Metall bleibt im Boot, hat sich aber verpflichtet, mit uns in die gleiche Richtung zu rudern“, sagte Südwestmetall-Chef Otmar Zwiebelhofer. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach in Berlin von einem Kompromiss mit Licht und Schatten. Der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, Anton Börner, sagte: „Mit dem Tarifabschluss ist es gelungen, die Tarifverträge weiter zu flexibilisieren. Dies stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit und ist ein positives Signal auch für andere Branchen.“

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