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Aktionen, Proteste und Kampagnen. Ein gutes Dutzend Jahre trommeln die Gewerkschaften schon für den gesetzlichen Mindestlohn, unter einer CDU-Kanzlerin wird er nun eingeführt.

© picture alliance / dpa

Gewerkschaften beklagen geringe Personalzahl: Hat der Zoll eine Chance, die Einhaltung des Mindestlohns zu kontrollieren?

6500 Zollbeamte sollen ab 1. Januar die Einhaltung des Mindestlohns überwachen – viel zu wenig, meinen die Gewerkschaften. Wird es in den Unternehmen nur Schwerpunktüberprüfungen geben?

Illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit: Wenn die Mitarbeiter des Zolls bislang zum Außendienst ausrückten, waren sie vor allem der Schattenwirtschaft auf der Spur. Zum 1. Januar 2015 gibt es eine weitere Aufgabe: Ab dann wachen sie auch über die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns, der flächendeckend zum Jahreswechsel eingeführt wird. „Ganz neu ist die Sache für uns nicht“, sagt Michael Kulus vom Hauptzollamt Berlin. „Schließlich galt der Mindestlohn in einzelnen Branchen schon vorher.“ Aber jetzt kommt er eben flächendeckend – jedenfalls fast.

Ab dem Stichtag haben rund 3,7 Millionen Beschäftigte in der Bundesrepublik nach einer Schätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes Anspruch auf einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro – er soll grundsätzlich für alle Branchen und Regionen gelten. Von 2017 an sollen es dann 4,5 Millionen sein; die Differenz kommt durch Ausnahmen und Übergangsregelungen zustande. So können Branchen mit länger laufenden Tarifverträgen von der gesetzlichen Lohnuntergrenze für zwei weitere Jahre abweichen. Spätestens im Januar 2017 ist damit aber auch Schluss – dann gilt bundesweit der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro.

Mindestlohn gilt erst ab 18 Jahren

Für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft oder in der Gastronomie beispielsweise gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro bereits vom kommenden Jahr an. Allerdings wird die kurzfristige Beschäftigung, während der sie von der Sozialversicherungspflicht befreit sind, von 50 auf 70 Tage ausgeweitet, befristet auf vier Jahre. Für Zeitungszusteller wird der Mindestlohn von 8,50 Euro zwischen 2015 und 2017 stufenweise eingeführt: Verleger müssen für ihre Austräger im ersten Jahr nur 75 Prozent des Mindestlohns von 8,50 Euro zahlen, im zweiten Jahr dann 85 Prozent.

Der Mindestlohn gilt nicht für Jugendliche unter 18 Jahren. Durch diese Altersgrenze soll vermieden werden, dass sich junge Leute einen Job suchen, anstatt eine Berufsausbildung zu machen. Und Auszubildende bekommen grundsätzlich keinen Mindestlohn. Und wer nach mindestens zwölfmonatiger Arbeitslosigkeit einen neuen Job findet, hat in den ersten sechs Monaten auch keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Damit soll der Anreiz für Arbeitgeber erhöht werden, Erwerbslose auch unterhalb von 8,50 Euro einzustellen. Pflichtpraktika sowie freiwillige Praktika von bis zu drei Monaten während der Ausbildung oder des Studiums sind von der Mindestlohnregelung ausgenommen. Nach Abschluss der Ausbildung oder des Studiums gilt der Mindestlohn grundsätzlich auch für Praktikanten – es sei denn, sie wollten in einem anderen als dem erlernten Beruf ihre beruflichen Kenntnisse vertiefen.

Gewerkschaften fordern flächendeckende und regelmäßige Kontrollen

Bei den Gewerkschaften feiert man den Mindestlohn als sozialpolitische Errungenschaft und gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass der Erfolg an regelmäßige, flächendeckende Kontrollen in den Unternehmen geknüpft ist. Zwar drohen Arbeitgebern, die gegen das Gesetz verstoßen, empfindliche Geldstrafen zwischen 30 000 und 500 000 Euro. Christoph Schmitz von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi rechnet dennoch damit, dass einige Unternehmer versuchen werden, das Gesetz zu unterwandern. „Regulierungen des Arbeitsrechts in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass es immer wieder schwarze Schafe gibt, die geltendes Recht umgehen“, sagt Schmitz. „Sie werden mit allen Mitteln dafür kämpfen, ihr Geschäftsmodell des Lohndumpings zu bewahren.“

Rund 10 000 Kontrolleure seien nötig, um die Umgehung von Mindestlöhnen aufzudecken, heißt es bei der IG Bau. Bei den deutschen Zollbehörden stehen laut Bundesfinanzministerium derzeit rund 6500 Mitarbeiter zur Verfügung, um gegen Schwarzarbeit vorzugehen und die Einhaltung der bereits existierenden Mindestlöhne in den einzelnen Branchen zu überprüfen. 2015 soll das Personal in diesem Bereich um 1600 Stellen aufgestockt werden. Reichlich spät, findet Verdi-Sprecher Schmitz. „Wenn der Mindestlohn in Kraft tritt, wird es realistischerweise in den Unternehmen nur Schwerpunktüberprüfungen geben, aber keine zuverlässige Kontrolle in allen Branchen“, prognostiziert er.

Aus seiner Sicht könnte es besonders schwer werden, private Post- und Paketdienste, Zeitungszusteller sowie die Taxibranche in Sachen Mindestlohn zu überwachen. In diesen Bereichen gebe es viele unterschiedliche Beschäftigungsformen und Bezahlungsarten. So würden viele Taxifahrer eben nicht pro Stunde bezahlt, sondern erhielten ein Grundgehalt plus Umsatzbeteiligung. „Das macht es für die Kontrolleure schwer.“

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