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Wirtschaft: Gewerkschaften wieder sauer auf die Regierung

IG-Metall-Chef Peters: Unternehmer schieben die Verantwortung für Ausbildung ab/ Clement: Jeder Jugendliche kriegt ein Angebot

Berlin - Die Gewerkschaften haben zum Teil erbost auf den Ausbildungspakt von Regierung und Wirtschaftsverbänden reagiert. Sie sind zum Einen verärgert, weil die Zusagen der Arbeitgeber völlig unverbindlich seien und das Gesetz über eine Ausbildungsabgabe nun mindestens bis Ende 2005 verschoben ist. Zum Anderen werde „die Verantwortung der Unternehmer (für die Ausbildungsplätze) bei den Gewerkschaften abgeladen“, schimpfte IG Metall-Chef Jürgen Peters am Mittwoch in Berlin. Der Metaller regte sich über eine Textpassage im Ausbildungspakt auf, in der die Tarifparteien aufgefordert werden, „zusätzliche Anreize zur Ausbildung zu schaffen und bestehende Hindernisse abzubauen“.

Peters befürchtet nun, dass die Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen die Ausbildungsvergütungen senken, den Berufsschultag abschaffen und den Urlaub der Azubis reduzieren wollen. „Und wenn dann die IG Metall sagt, ,mit uns nicht’, dann sind wir schuld, dass es nicht genügend Plätze gibt“, sagte Peters auf einem Mittelstandskongress der IG Metall in Berlin bei einem Streitgespräch mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement. Dieser verteidigte den Pakt als eine „verbindliche Vereinbarung“ zwischen Bundesregierung und Wirtschaftsverbänden. „Jeder Jugendliche, der arbeitslos ist, bekommt am 1. Januar ein Angebot“, kündigte Clement an. Zur Kontrolle der Umsetzung würden Begleitkommissionen eingesetzt, die ab November ständig Zwischenbilanzen vorlegen sollen. „Und wenn der Pakt scheitert, wird das Gesetz im Herbst nächsten Jahres wieder hervorgeholt“, sagte Clement.

Der Kritik Peters, die Qualität der Ausbildung werde „ohne Not nach unten gefahren“, entgegnete Clement mit dem Hinweis auf Zehntausende Jugendliche, die für eine Ausbildung nicht geeignet seien. Für diese jungen Leute will die Wirtschaft jährlich 25000 Praktikumsplätze für „betrieblich durchgeführte Einstiegsqualifikationen“ einrichten. Dagegen meinte IG Metall-Chef Peters, „wir brauchen eine qualitativ hochwertige Ausbildung, nicht weniger Qualifikationen“. Alles in allem habe die Regierung „alle Wünsche der Unternehmer in den Pakt aufgenommen“, klagte Peters.

Ähnlich äußerte sich der DGB-Vorsitzende Michael Sommer. „Zehntausende junge Menschen, die unversorgt bleiben, werden es bitter zu spüren bekommen“, sagte Sommer in Berlin. Die Bundesregierung habe mit der Ausbildungsumlage auf ein „wirkungsvolles Instrument zur Behebung einer nationalen Katastrophe verzichtet“. Der Bundeskanzler bekomme nun „wieder einmal Applaus von den Arbeitgeberfunktionären“, ärgerte sich Sommer. „Wünschenswerter wäre es, wenn die jungen Menschen Grund zum Applaudieren hätten.“ Nach DGB-Angaben fehlten im vergangenen Jahr rund 100000 betriebliche Ausbildungsplätze. „Die Statistik lügt nicht“, meinte Peters. Seit mehr als zehn Jahren würden die Unternehmen versprechen, mehr Ausbildungsplätze anzubieten – dennoch werde die Lehrstellenlücke immer größer. „Wir haben noch nie so wenig Ausbildungsplätze gehabt wie 2003“, sagte Peters.

Der stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, sprach von einem „weiteren Glaubwürdigkeitsverlust“ der Bundesregierung. Von einem Rückschlag in den ohnehin belasteten Beziehungen zwischen Regierung und Gewerkschaften wollte Werneke aber nicht sprechen. „Beziehungspflege ist für mich kein Maßstab, sondern die Geradlinigkeit der Politik.“ Verdi werde die Kooperation mit „neuen sozialen Bewegungen und traditionellen Sozialverbänden“ intensivieren, um mit einem „breiten Bündnis Einfluss auf den Umbau der Gesellschaft zu nehmen“, sagte Werneke.

Der Verdi-Vize kritisierte am Pakt die versprochene Zahl von 30 000 neuen Arbeitsplätzen. Wenn gleichzeitig 30000 alte Lehrstellen vom Markt verschwinden – etwa weil die Unternehmen Pleite gehen, dann sei zwar die Vorgabe des Paktes erfüllt. Unterm Strich gebe es jedoch keinen einzigen Ausbildungsplatz mehr. Ferner berücksichtige der Pakt überhaupt nicht den tatsächlichen Bedarf. Werneke zufolge sind derzeit allein 100000 Jugendliche in so genannten Parkpositionen: Weil sie keine Lehrstelle bekommen haben, befinden sie sich in berufsvorbereitenden Maßnahmen.

Die meisten Wirtschaftsverbände bewerteten den Pakt positiv. „Damit ist ein grottenschlechtes Gesetz auf Eis gelegt und ein bürokratisches Monster vom Tisch“, freute sich der Präsident des Deutschen Maschinenbauverbandes, Diether Klingelnberg.

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