zum Hauptinhalt
Gesenkten Hauptes. Sollte die Ratingagentur S&P die USA tatsächlich herabstufen, kommt es im schlimmsten Fall zu einer erneuten Finanzkrise. Ein solcher Schritt würde Schockwellen durch das Finanzsystem jagen, sagen Analysten.

© dpa

Gigantische Schulden: Amerika kämpft um seinen Ruf

Die USA wehren sich gegen den Vorwurf, ein schlechter Schuldner zu sein. Die Börsen verdauten den Schock der drohenden Abwertung durch die Ratingagentur Standard & Poor`s.

Berlin - Zwischen Amerika und Griechenland liegt mehr als ein großer Ozean. Welten trennen die größte Wirtschaftsnation der Welt von dem kleinen Land auf dem Peloponnes, der Wiege der Demokratie – eigentlich. Doch nun ist alles anders. Seit die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) damit gedroht hat, den Vereinigten Staaten den Status als Top-Schuldner abzuerkennen, sehen viele die USA beinahe auf Augenhöhe mit Griechenland. Zumindest in Sachen Finanzen. „Die Anleger haben immer nur auf die Politik Athens geschaut“, sagt Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen. „Plötzlich steht Washington ebenso im Fokus.“

Dass es so weit kommen würde, schien lange undenkbar – obwohl die USA allein in diesem Etatjahr bis zu 1,65 Billionen Dollar neue Schulden anhäufen und mit insgesamt 14,2 Billionen Dollar in der Kreide stehen. Sollte S&P tatsächlich den Daumen senken, kommt es schlimmstenfalls zu einer erneuten Finanzkrise. „Eine Herabstufung würde Schockwellen durch das gesamte Finanzsystem schicken“, sagt Kai Carstensen, Konjunkturchef beim Ifo-Institut. Staatsanleihen in den Portfolios von Banken und Versicherungen würden dann an Wert verlieren. „Die Folge wären Notverkäufe und Kursverluste von Aktien und Unternehmensanleihen quer durch alle Branchen. Das kennen wir von der letzten Finanzkrise.“ Einige Banken würden das womöglich nicht überleben.

Um das zu verhindern, wandte sich US-Finanzminister Timothy Geithner am Dienstag gegen die Einschätzung von S&P, sein Land sei womöglich weniger kreditwürdig. Die Chancen, dass sich Republikaner und Demokraten auf eine Sparpolitik einigten, sei so gut wie lange nicht. „Wenn man genau hinblickt, sieht man, dass sich ein Konsens herauszubilden beginnt.“ Genau daran zweifelt S&P. Zwar hielt die Agentur an der Bestnote AAA fest, senkte aber den Ausblick von „stabil“ auf „negativ“. Als Grund nannte sie den Streit über die Sparpolitik bis 2013. Je schlechter die Bonität eines Landes, desto höhere Zinsen muss es Anlegern bieten, um seine Schuldtitel zu verkaufen. Die Börsen verdauten den Schock, der am Montag zu einem Kursrutsch im Dax geführt hatte – am Dienstag stabilisierte sich der Index.

Ohnehin ist die Lage der USA weit entfernt von der Griechenlands. „Washington ist ökonomisch in der Lage, seine Finanzen zu sanieren – es muss nur wollen“, sagt Carstensen. Für den Moment profitieren Europäer und Deutsche aber von der Unsicherheit. Anleger schichten ihr Geld auf der Suche nach sicheren Häfen auch in deutsche Anleihen um. Deren Kurse sanken – das bedeutet, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) weniger Zinsen für Kredite zahlen muss.

Gänzlich auszuschließen sei eine Herabstufung aber nicht, findet die US-Ökonomin Carmen Reinhart, Mitautorin einer Studie über Staatsschuldenkrisen der vergangenen acht Jahrhunderte. „Japan, der Hauptgläubiger der Welt, wurde bereits mehrmals herabgestuft. Davon auszugehen, dass an die USA nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden, ist eine sehr gefährliche Prämisse.“ Nach dem Platzen der Aktien- und Immobilienblase in Japan Ende der 80er Jahre hatte sich der Schuldenstand binnen einer Dekade verdoppelt. Im Jahr 2000 lag er bei 135 Prozent des BIP, kurz darauf war das Top-Rating AAA Geschichte. Zum Vergleich: Die US-Verschuldung, im Jahr 2000 noch bei 55 Prozent der Wirtschaftsleistung, liegt mittlerweile bei fast 100 Prozent.

Damit Washington nicht das Schicksal Tokios ereilt, sei nun rasch ein handfestes Bekenntnis zum Schuldenabbau nötig, fordert Ifo-Mann Carstensen. „Lippenbekenntnisse reichen nicht.“ Helaba-Expertin Traud kann der S&P-Aktion daher sogar Gutes abgewinnen. „Obama muss S&P eigentlich dankbar sein. Jetzt hat er ein klares Druckmittel, mit dem er Sparmaßnahmen durchsetzen kann.“ mit rtr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false