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Nicolas Berggruen

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Glanz und Elend: Wer die Wirtschaft 2010 bewegte

Jedes Jahr schreibt das Leben Geschichten von großen Erfolgen und bitteren Niederlagen - auch in der Wirtschaft. Wir geben einen Überblick über Manager, Unternehmer und Ökonomen, die 2010 Schlagzeilen machten.

Nicolas Berggruen

Kunstliebender Karstadt-Käufer

Nicolas Berggruen hatte nicht damit gerechnet, dass ihm die Übernahme von Karstadt so schwer gemacht werden würde. „Normalerweise ist es ein bisschen einfacher, und die Leute sind ein bisschen rationaler“, sagte der Investor im Juli dem Tagesspiegel. Dabei hatte er bereits am 7. Juni den Zuschlag für die Übernahme der Warenhauskette bekommen. Bis endlich alle Details mit dem Vermieterkonsortium Highstreet geklärt waren und alle Gläubiger zugestimmt hatten, wurde es Ende September. Zuletzt schaltete sich auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein, denn immerhin ging es um die Zukunft von 25 000 Beschäftigten. Karstadt sei ein wichtiges Unternehmen für Deutschland, betonte Berggruen immer wieder. Und er wolle verhindern, dass es zerstört wird. Dennoch ließ er keinen Zweifel daran, dass er Karstadt als Investment und nicht etwa als soziales Engagement betrachtet.

Berggruen ist lange Diskussionen nicht gewohnt, weil er sein eigenes Geld einsetzt, auch bei Karstadt. Sein Vermögen wird auf 2,2 Milliarden Dollar geschätzt. Berggruen wurde 1961 in Paris geboren. Sein Vater ist der berühmte Kunstsammler und Mäzen Heinz Berggruen, der vor den Nazis in die USA floh. Auch Nicolas Berggruen liebt die Kunst. Zu seiner Sammlung gehören Werke von Jeff Koons und Damien Hirst. Berggruen wuchs in Paris auf, hat einen amerikanischen Pass, aber kein Zuhause. Er lebt in Hotels.

Bereits 1979 ging er nach New York, arbeitete bei verschiedenen Investmentbanken und machte sich früh als Investor selbstständig. Die Berggruen Holdings investiert heute weltweit mehrere Milliarden Dollar vorrangig in Unternehmensbeteiligungen und Immobilien. Sie hat auch eine Niederlassung in Berlin, wo Berggruen rund 60 Immobilien besitzt. 2009 gründete er zudem eine Denkfabrik in New York, die neue Ideen in die Politik bringen soll. Der Investor selbst tritt bescheiden auf. Geld sei ihm nicht wichtig, sagte er einmal. Jedoch beschreibt er sich selbst auch als jemanden, der Geld verdienen will. Er habe dabei aber auch eine Seele, fügt er hinzu. vis

Foto: dpa
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Klaus Zimmermann

Verdacht auf Untreue gegen den Präsidenten des DIW

Führt seinen Konzern wie ein Ingenieur: Auto-Boss Martin Winterkorn. Foto: dpa
Führt seinen Konzern wie ein Ingenieur: Auto-Boss Martin Winterkorn. Foto: dpa

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Er ist durchgekommen. Zu Beginn des Jahres sah das nicht so aus, doch dann zog die Karawane weiter. Und Klaus Zimmermann macht wieder business as usual. Der Berliner Rechnungshof hatte dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) eine nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung vorgeworfen. Und da das Institut zum großen Teil aus dem Berliner Landes- und dem Bundeshaushalt finanziert wird, ist das eine pikante Angelegenheit. Denn für öffentliche Mittel gibt es bestimmte Restriktionen und Vorgaben. Wer das Geld der Allgemeinheit ausgibt, hat besondere Regeln zu beachten.

Muss Zimmermann denn auch mit Steuergeldern ein Institut in Washington finanzieren, dessen Nutzen schwer ersichtlich ist? Und war der Umzug des DIW von Dahlem nach Mitte nicht viel zu teuer? Schließlich: Kommt Zimmermann überhaupt seinen Pflichten als Präsident nach, wo ihn doch alle möglichen anderen Jobs, unter anderem als Chef des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit, ziemlich in Beschlag nehmen? Diese und ein paar andere, nachrangige Fragen warfen die Prüfer des Rechnungshofes auf. Und am Ende konzentrierten sich die diversen Fragestellungen und Ungereimtheiten im Vorwurf der Untreue, dem die Staatsanwaltschaft nachgeht.

Zimmermanns Gegenstrategie: Ein PR-Profi, der den Rechnungshof als Kleinkrämertruppe beschimpfte; ein Gutachten, das die Relevanz der wissenschaftlichen Freiheit betonte und gegenüber dem schnöden Vergabemodalitäten für öffentliche Mittel verteidigte. Schließlich und überhaupt: Einmauern und Aussitzen. Das funktionierte, weil das Kuratorium des DIW, sozusagen Zimmermanns Aufsichtsrat, schwach besetzt ist und die innerbetriebliche Opposition – im eigenen Haus wird dem Präsidenten ein autokratischer und bisweilen autistischer Stil vorgeworfen – sich nicht traute aufzubegehren. Wissenschaftler neigen selten zur Revolte. Und weil die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen seit Monaten auf der Stelle treten.

Im Verlauf des Jahres gab es jedoch Veränderungen. An der Spitze des Kuratoriums sitzt jetzt mit dem ehemaligen Wirtschaftsweisen Bert Rürup ein Schwergewicht, mit dem sich Zimmermann arrangieren muss. Und in der Staatsanwaltschaft haben die Zuständigkeiten gewechselt, so dass die Ermittlungen in absehbarer Zeit abgeschlossen werden dürften. Wenn es zur Anklage kommt, wird es doch noch eng für Zimmermann. Als Präsident des größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts wäre er dann kaum mehr zu halten.

Für viele, etwa auch seinen Vorgänger auf dem Präsidentenstuhl, wäre der Verlust zu verschmerzen. Denn Zimmermann hat das DIW – über Jahrzehnte profiliert mit und durch Konjunkturanalysen inklusive eines eher linken, keynesianischen Ansatzes – nach rechts geführt zum wirtschaftsliberalen Mainstream der vergangenen Jahre. Besonders bitter dabei: Am Gemeinschaftsgutachten der Forschunginstitute nimmt das DIW seit einigen Jahren nicht mehr teil. Falls Zimmermann gehen muss, stünde ein Nachfolger in unmittelbarer Nähe bereit: Bert Rürup. alf

Sehnte sich nach seinem alten Leben: Tony Hayward. Foto: AFP
Sehnte sich nach seinem alten Leben: Tony Hayward. Foto: AFP

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Martin Winterkorn

Bodenständig erfolgreich an der Spitze des VW-Konzerns

Wie immer im schwarzen Rolli: Steve Jobs stellte am 27. Januar in San Francisco das iPad vor. Foto: AFP
Wie immer im schwarzen Rolli: Steve Jobs stellte am 27. Januar in San Francisco das iPad vor. Foto: AFP

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Martin Winterkorn hebt nicht ab. Der Volkswagen-Chef regiert den größten Autokonzern Europas, der bis 2018 Toyota an der Weltspitze überholen will, wie ein Ingenieur. Auch 2010 war der 63-Jährige mit diesem unglamourösen Führungsstil sehr erfolgreich. Porträts über ihn werden mit „Der Bodenständige“, „Der Arbeiter“ oder „Der Perfektionist“ überschrieben. Wahrscheinlich kann man einen riesigen Konzern, der zehn Marken versammelt, 370 000 Mitarbeiter beschäftigt, mehr als 100 Milliarden Euro umsetzt und zuletzt 6,3 Millionen Autos verkaufte, nur so führen. Zu viel Tamtam passt nicht zu einem Autoboss – das übernehmen besser die Marketingleute. Dabei war „Wiko“, wie Winterkorn bei VW genannt wird, 2010 auch ein sehr talentierter Verkäufer. Schon Ende November hatte er weltweit mehr Autos und Lastwagen abgesetzt als im gesamten Vorjahr. Nach internen Planungen sollen es 2011 insgesamt 7,2 Millionen werden. Im Jahr nach der Abwrackprämie, von der VW als einziger deutscher Hersteller kräftig profitiert hatte, legte der Wolfsburger Konzern also weiter rasant zu. Dabei geht für Winterkorn die Saat auf, die seine Vorgänger gelegt haben: zum Beispiel in China. Weil VW schon seit Anfang der 80er Jahre in dem Land Autos verkauft, sind die Deutschen auf dem boomenden Markt heute so stark. Volkswagen verkauft in der Volksrepublik inzwischen mehr als in Deutschland. Aber auch zu Hause hat Winterkorn viel zu tun. Da ist die Integration von Suzuki, MAN/Scania und Porsche. Bis 2013 will VW zudem ein eigenes Elektroauto auf den Markt bringen. Und dann ist da noch Ferdinand Piëch, der Aufsichtsratschef und VW-Patriarch. Sein Expansionsdrang, so scheint es, kennt keine Grenze. Die Fiat-Tochter Alfa Romeo interessiert Piëch schon lange, auch an der Motorradmarke Ducati soll er Gefallen gefunden haben. Winterkorn, der Piëchs volles Vertrauen genießt, wird den Wachstumskurs fortsetzen – angeblich bis 2016. Manchem Branchenbeobachter wird schwindelig bei der rasenden Fahrt. Viele fragen sich inzwischen: Wie groß darf ein Konzern werden, um noch steuerbar zu sein? mot

Die Europäische Zentralbank im Blick: Axel Weber. Foto: ddp
Die Europäische Zentralbank im Blick: Axel Weber. Foto: ddp

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Tony Hayward

Ex-BP-Chef mit Zeit zum Segeln nach dem Deepwater-Horizon-Desaster

Wollte etwas für Deutschland tun: Modeschöpferin Gabriele Strehle. Foto: picture alliance/dpa
Wollte etwas für Deutschland tun: Modeschöpferin Gabriele Strehle. Foto: picture alliance/dpa

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Wahrscheinlich hätte Tony Hayward seinen Posten als BP-Chef so oder so aufgeben müssen – gipfelte die Explosion der Plattform „Deepwater Horizon“ im April doch in der größten Ölkatastrophe überhaupt. Doch der 53-Jährige musste gehen, bevor die juristische Aufarbeitung des Unglücks überhaupt begonnen hatte. Eigentlich war es nur ein kurzer nachgeschobener Satz, mit dem sich der Engländer für die Öffentlichkeit – vor allem in den USA – untragbar machte: „Es gibt niemanden, der sich stärker wünscht, dass diese Ölkatastrophe ein Ende findet als ich“, sagte er Anfang Juni der Zeitung „USA Today“. Und schob dann nach: „Ich will mein altes Leben zurück.“

Vier Wochen später kam die Abberufung. Denn mit dem Satz hatte er den Eindruck erweckt, dass er sich mehr Gedanken um sein persönliches Wohlergehen machte als um die vielen tausend Fischer, Restaurant- und Hotelbetreiber am Golf von Mexiko, denen sein Unternehmen gerade die Existenzgrundlage entzog. Der Satz „I’d like my life back“ wurde zum geflügelten Wort und war offenbar ernst gemeint: Wenig später tauchten Fotos auf, die ihn bei einer Segelregatta zeigten – während weiter Millionen Barrel Rohöl ins Meer strömten. Dann war Hayward mehrfach tagelang wie vom Erdboden verschwunden. Nicht erreichbar, für niemanden. Die Ironie der Geschichte ist, dass Hayward auch ins Amt gekommen war, weil er hausintern den Umgang seines Unternehmens mit den Folgen einer Raffinerieexplosion in Texas mit 15 Toten kritisiert hatte. Anfang 2007 löste er den glücklosen Lord Browne ab. Der BP-Aufsichtsrat hatte sich von der Berufung Haywards einen Imagewandel erhofft. Und tatsächlich gab der BP auch einen grünen Anstrich. Allerdings bröckelte die Fassade mit jedem neuen Auftritt Haywards vor wütenden US-Abgeordneten, die ihn zur Katastrophe im Golf von Mexiko befragten.

Zum 1. Oktober musste Hayward gehen – gegen eine stattliche Abfindung. Ihm folgte Robert Dudley, ein Manager, der die Sprache der Menschen am Golf spricht. Der 55-Jährige wuchs in Mississippi auf. kph

Unter Dampf: Der „Adler“ war 1835 hierzulande die erste Lok. 2010 musste Rüdiger Grube viel Kritik aushalten und seine Leute antreiben, um die Pannen zu bewältigen. Foto: dpa
Unter Dampf: Der „Adler“ war 1835 hierzulande die erste Lok. 2010 musste Rüdiger Grube viel Kritik aushalten und seine Leute antreiben, um die Pannen zu bewältigen. Foto: dpa

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Steve Jobs

Der Apple-Chef erweckt tot geglaubte Tablet-Computer zu neuem Leben

Er hat es auch 2010 geschafft. Apple war dank seines Gründers und Chefs Steve Jobs rund um den Globus ein Gesprächsthema. Wenigen Topmanagern gelingt es, einen solchen Hype um eine durchaus überschaubare Produktpalette zu entfachen. 2009 hatten sich Technikfreaks und Kunden des US-Technologieunternehmens noch mit den lebensbedrohlichen Folgen der Lebertransplantation beschäftigt, der sich Jobs unterziehen musste. 2010 ging es endlich wieder um neue Apple-Produkte: vor allem um das iPad, aber auch um die neue Generation des iPhones und um neue iPods.

Der genesene Jobs erweckte mit dem iPad die längst tot geglaubten Tablet-Computer zu neuem Leben. Am 27. Januar stellte Jobs das iPad in San Francisco als „magisches Gerät“ vor. Andere Hersteller waren mit ihren Tablet-Computern gescheitert. Das Apple-Gerät dagegen ist ein Hit. Rund 13 Millionen Mal soll es sich allein in diesem Jahr verkauft haben. Wettbewerber wie der koreanische Hersteller Samsung versuchen nun, diesen Erfolg mit eigenen Geräten zu kopieren. Vor allem aber die Medienbranche hofft auf einen ganz neuen Markt und zusätzliche Erlösmodelle.

Apple sitzt derweil mit seinen weltweit 46 600 Beschäftigten auf einem Geldberg von mehr als 50 Milliarden Dollar. Und überholte beim Börsenwert (295 Milliarden Dollar) in diesem Jahr zum ersten Mal den Erzrivalen Microsoft. Der einstige Computerbauer mischt nicht nur im digitalen Musikgeschäft kräftig mit, sondern ist inzwischen auch einer der großen Spieler auf dem Smartphone-Markt. Hinter dem Handyhersteller Nokia kann Apple mit dem iPhone rund ein Viertel des Marktes für sich beanspruchen. Zur Geldmaschine entwickelte sich auch der App-Store, in dem hunderttausende kleine und große Anwendungen für die mobilen Apple-Geräte gekauft werden können. Auch die Fernseh-Settopbox Apple-TV ist für Steve Jobs nicht länger mehr nur ein „Hobby“. Man werde von der zweiten Apple-TV-Generation noch vor Weihnachten eine Million Geräte verkauft haben, teilte Apple vergangene Woche mit.

Steve Jobs, der seine Auftritte in Jeans, Turnschuhen und schwarzem Rollkragenpulli kultiviert, wurde im Februar 1955 in San Francisco geboren. 1976 gründeten er gemeinsam mit Steve Wozniak und Ronald Wayne die Apple Computer Company in seiner Garage in Palo Alto. 1985 verließ Jobs das Unternehmen im Streit. Er gründete eine weitere Firma: Next Computer. Die wurde wiederum 1996 von Apple übernommen. Und so kehrte Jobs zu seinem alten Unternehmen zurück, das er seither führt. Sein Vermögen wird vom Magazin „Forbes“ auf 6,1 Milliarden Dollar geschätzt.

2010 konnte Jobs noch einen weiteren Erfolg für sich verbuchen. Jahrelang soll der bekennende Beatles-Fan versucht haben, die Songs der „Fab Four“ in seinen Online-Shop zu bekommen. Doch die Musikfirma Apple Corps (1968 von den Beatles selbst gegründet) stritt sich erbittert mit dem acht Jahre später gegründeten Computerkonzern Apple Inc. über die Verwendung des gleichlautenden Namens und des Apfel-Logos. Nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten einigten sich beide Seiten im November. Seither gibt es die Musik der Beatles legal im Netz zu kaufen.

Jobs will auch 2011 im Gespräch bleiben. Angeblich soll es schon eine neue Variante des iPads geben. Derweil platzt die Konzernzentrale im kalifornischen Cupertino aus allen Nähten. Ende November kaufte Apple seinem Konkurrenten und Nachbarn Hewlett Packard Firmengelände ab. mot/vis

Axel Weber

Der Bundesbank-Präsident bleibt der Stabilität verpflichtet

Es gab Zeiten in diesem Jahr, da hat sich Bundesbank-Präsident Axel Weber weit aus dem Fenster gelehnt. Was nicht jedem Kollegen im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) gefallen hat. Wenig begeistert war besonders Jean-Claude Trichet, der Chef im Frankfurter Eurotower. Zumindest bis Mai gehörte Weber zu den Herren des Gremiums, die sich als linientreu erwiesen. Im Frühjahr aber fühlte sich der 53-Jährige bemüßigt, seine Stimme nachdrücklich zu erheben. „Der Ankauf von Staatsanleihen birgt erhebliche stabilitätspolitische Risiken“, kritisierte er den gerade gefassten Beschluss des Rates, genau das zu tun. Er sehe das „außerordentlich“ kritisch. Tatsächlich war das Votum eine Wende in der EZB-Politik. Eigentlich darf sie keine Staatsanleihen kaufen, doch nun reagierte sie auf die Krise. Die Bank hat mittlerweile für gut 72 Milliarden Euro Staatsanleihen aus Griechenland, Irland und Portugal gekauft.

Weber zählt zu den Protagonisten der Krise. Euro- Bonds sind ihm ein Graus, sie würden die Eigenverantwortung der Staaten für eine solide Finanzpolitik untergraben, sagt er. Noch bevor der EU-Gipfel einen permanenten Rettungsschirm für Euro-Krisenstaaten beschließt, bringt er die Aufstockung des bisherigen Rettungsfonds von 750 Milliarden Euro ins Gespräch. Weber unterstreicht mit seinen Äußerungen indirekt seinen Anspruch auf den Chefposten im Eurotower. Der wird im November 2011 neu besetzt. Öffentlich hat er sich noch nicht beworben. Regierungen, die auf den Deutschen als Nachfolger von Trichet setzen, wissen aber, woran sie sind: Weber ist ein Geldpolitiker, konsequent der Stabilitätspolitik verpflichtet, Inflation ist sein größter Feind. Verbiegen lassen will er sich nicht. Ob sein Verhalten die Chancen gegen Mario Draghi erhöht, ist fraglich. Der Italiener ist inoffiziell bislang der einzige Mitbewerber. Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Gruppe, hat sich im Frühjahr offen gegen Weber ausgesprochen. Auch die kleinen Euro-Länder sind skeptisch.

Zum Jahresende verbucht Weber Minuspunkte. Das EZB-Programm zum Kauf von Staatsanleihen der Krisenländer wird an den Finanzmärkten gewürdigt. Weber sieht es nach wie vor kritisch, die Hilfen für Griechenland und den Rettungsschirm für die Euro-Krisenstaaten hält er aber für vertretbar. International nicht zum Vorteil gereicht ihm auch, dass die Bankenaufsicht in Deutschland doch nicht allein bei der Bundesbank angesiedelt wird. Und die von Weber kritisch beäugte Finanzaufsicht Bafin wird sogar aufgewertet. Ob es da in seine Planungen passt, als möglicher Nachfolger von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gehandelt zu werden? ro

Gabriele Strehle

Die Chefdesignerin von Strenesse entwarf den blauen Glückspulli von Jogi Löw

Er ist blau und aus feinstem Babykaschmir. Und er brachte Glück – jedenfalls bis zum Halbfinale. Bundestrainer Jogi Löw trug seinen blauen Pullover bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika sechsmal. Er durfte ihn zwischendurch nicht einmal mehr waschen, weil Spieler und Zuschauer fest an die glücksbringende Wirkung des Kleidungsstücks glaubten. Inzwischen wurde der Pullover allerdings professionell gereinigt und vor Weihnachten für eine Million Euro bei der Spendengala „Ein Herz für Kinder“ versteigert.

Damit ist der Glückspullover wohl zu einem der teuersten Kleidungsstücke aufgestiegen, die je gestrickt wurden. Entworfen hat ihn Gabriele Strehle, Chefdesignerin der Modefirma Strenesse. Traditionell fertigt das Unternehmen aus dem schwäbischen Nördlingen hochwertige Damenbekleidung. Seit 2002 gibt es auch eine Herrenlinie. Um die bekannter zu machen, wurde Strenesse bereits 2006 offizieller Ausstatter der Fußballnationalmannschaft. Gabriele Strehle selbst ist gar kein Fußballfan. Während ihr Mann Gerd Strehle, Mehrheitsgesellschafter und Vorstandschef von Strenesse, sich die Spiele anschaut, bereitet sie schon mal das Essen vor. Die 59-Jährige stammt aus dem Allgäu und studierte Modedesign an der Meisterschule in München. 1973 kam sie als junge Designerin zum Familienbetrieb Strenesse. „Angefangen haben meine Eltern mit Kleidung. Gabriele hat Mode daraus gemacht“, sagt ihr Mann über sie. Mit großer Willenskraft schuf Gabriele Strehle in den vergangenen Jahren aus der Kleiderfabrik ein international anerkanntes Prêt-à-porter-Label. Dennoch fällt die Designerin in der schrillen internationalen Modewelt durch ihre Zurückhaltung auf. Ihre Leidenschaft gilt der Qualität von Material und Verarbeitung. Wer das mal probieren will: Jogi Löws Glückspullover gibt es immer noch im Onlineshop von Strenesse. Es ist zwar nicht das Original, dafür kostet er aber auch nicht eine Million, sondern nur 199 Euro. vis

Rüdiger Grube

Der Bahn-Chef hat vier Feinde: Frühling, Sommer, Herbst und Winter

Auch nach anderthalb Jahren an der Spitze der Deutschen Bahn wundert sich Rüdiger Grube noch immer über seinen Arbeitgeber. „Ich dachte, der Luftverkehr sei an Komplexität nicht zu überbieten“, erzählt er. „Aber seit ich bei der Bahn bin, weiß ich, dass das nicht stimmt.“

Grube, 59, hatte im abgelaufenen Jahr eine Menge Gelegenheiten, sich über Deutschlands größten Staatskonzern zu wundern. Wohl kein Vorstandschef und kein Unternehmen standen derart im Zentrum der Kritik wie die Bahn. Es schien, als habe der Konzern eine Krise für jede Jahreszeit. 2010 begann, wie es endete: mit massiv verspäteten und ausgefallenen Zügen infolge von Schneemassen und Blitzeis. Der Winter setzte der Bahn zu wie lange nicht – und der Slogan „Alle reden vom Wetter, wir nicht“ aus den 60er Jahren wurde zur steten Antithese des Bahn-Alltags.

Das „Brot-und-Butter-Geschäft“ wolle er in Ordnung bringen, hatte Grube bei seinem Amtsantritt im Mai 2009 gesagt. Jetzt zeigt sich, dass diese Ankündigung beinahe leichtfertig war. Denn der Sparkurs der vergangenen Jahre, das hat Grube rasch erkannt, lässt sich mit ein paar schnellen Manager-Entscheidungen nicht korrigieren. Weder bei der S-Bahn in Berlin noch bei den schnellen ICEs: Im Winter fehlen vor allem Reservezüge, aber auch Personal, das Weichen enteist, Bahnsteige vom Schnee befreit, Lokomotiven repariert oder die Fahrgäste mit Informationen versorgt. „Bei der Eisenbahn gibt es eben keine Verbesserungen von heute auf morgen“, sagt Grube nun.

Auf seinen Vorgänger Hartmut Mehdorn, der jeden Cent dreimal umdrehen ließ, lässt er trotzdem nichts kommen – schließlich sind die beiden Freunde, seit Grube Anfang der 90er Jahre eine Zeit lang Mehdorns Büroleiter war. Nicht einmal das Chaos um in der Sommerhitze überforderte Klimaanlagen lastete er ihm an. Überhaupt hat sich Grube trotz aller Probleme in seinem 300 000 Mitarbeiter zählenden Riesenkonzern im Griff – zumindest in der Öffentlichkeit. Er spricht diplomatisch von „großen Herausforderungen“. Doch das Weiche, Milde in seinem Gesicht ist ein wenig gewichen, seit er die Bahn führt – der Einsatz beinahe rund um die Uhr fordert seinen Tribut.

Vor allem, wenn auch Frau und Kinder spüren, was es heißt, einen Bahn-Chef in der Familie zu haben. Als die Diskussion um Stuttgart 21, den neuen Tiefbahnhof, eskalierte, gab es Drohungen gegen sie von Gegnern des Projekts, ein Brief enthielt weißes Pulver. Der Bau wurde zur umstrittensten Bahnstation der Welt, nachdem die Polizei im Schlosspark Demonstranten heftig attackiert hatte. Sogar live im Fernsehen wurde danach über die Vorzüge von Sackbahnhöfen, Gefahren im Gestein, Tunnelquerschnitte und den Juchtenkäfer verhandelt. Das Ende ist offen – die endgültige Entscheidung bringt wohl erst die Landtagswahl im März.

Dass Grube zugleich 175 Jahre Eisenbahn zu feiern hatte, die Bahn weiter umbaute, für fast drei Milliarden Euro den britischen Arriva-Konzern kaufte und nicht zuletzt die Wirtschaftskrise bewältigen musste, ging in der steten Bahn-Kritik beinahe unter. Der gebürtige Hamburger hat damit zu leben gelernt. Wenn etwas schief läuft, hat er jüngst gesagt, „ist alles Positive über Nacht weg“. brö

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