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Im Wartemodus: Die meisten Geflüchteten haben ihr Geld beim Lageso bislang in bar bekommen. Was immer mal wieder zu Diebstählen führte.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Gleichberechtigung: Das Recht aufs Konto

Künftig dürfen Banken Flüchtlinge und Obdachlose nicht mehr abweisen. Das dürfte in der Praxis nicht ganz ohne Probleme ablaufen.

Bisher mussten sich Geflüchtete mindestens einmal im Monat beim Lageso anstellen, um ihr Taschengeld zu bekommen. Bar auf die Hand. Ein Konto konnten sie nicht eröffnen. Die Banken verwehrten es ihnen meistens, weil sie keinen Ausweis vorlegen konnten. Das wird sich ab diesem Sonntag ändern. Von da an hat jeder ein Recht auf ein eigenes Konto. Auch ohne Ausweis und festen Wohnsitz. Er muss nur 18 Jahre alt sein und sich legal in der EU aufhalten.

Das neue Zahlungskontengesetz verbietet die Diskriminierung am Bankschalter und folgt einer EU-Richtlinie aus dem vergangenen Jahr. Zwar hatten sich die Banken schon 1995 auf eine Selbstverpflichtung geeinigt, jedem Menschen ein Konto zu ermöglichen. In der Praxis hielten sich viele Institute aber nicht daran. Die Zahl der „Kontolosen“ schätzt die Bundesregierung hierzulande auf rund 600000; der Bundesverband der Verbraucherzentrale geht von 700000 bis drei Millionen aus. Dazu zählen Asylbewerber, Obdachlose und Menschen, die einen Eintrag bei der Schufa haben. Nur ist es ohne Konto kaum möglich, eine Wohnung oder Arbeitsstelle zu bekommen. Ohne eine EC-Karte kann jemand mancherorts gar nicht bezahlen. Zum Beispiel beim Bürgeramt.

Wenig Begeisterung

Bei einigen Banken stieß die Vorgabe auf wenig Begeisterung. Sie befürchteten, dass es Geldwäsche erleichtert, wenn sich Kunden nicht mehr eindeutig identifizieren müssten. Gerade bei Flüchtlingen und Obdachlosen, die häufig kein Ausweisdokument haben, werden die Standards damit gesenkt. Sie können künftig auch andere Dokumente vorlegen – etwa das der Asylbehörde. Die Kreditwirtschaft wollte außerdem einen Katalog mit mehr Ablehnungs- und Kündigungsgründen.

Künftig können sie jemandem nur dann ein Konto verweigern, wenn der Betroffene längst eins hat oder wenn das Institut ihm schon einmal einen Vertrag wegen Zahlungsverzug gekündigt hat. Sie können ihn außerdem als Kunden abweisen, wenn er bestimmte Straftaten begangen hat. Beispielsweise Geldwäsche. Ihre Ablehnung müssen die Banken schriftlich begründen.

Erste Erfahrungen mit dem Jedermann-Konto haben bereits die Sparkassen gemacht. Sie hatten im September 2012 eine Erklärung zum Bürgerkonto abgegeben und sich verpflichtet, ein Grundkonto für alle einzuführen. Bislang sollen 250000 Flüchtlinge ein Konto bei den Sparkassen eröffnet haben. In Berlin seien es mehr als 20000. Weil im vergangenen Herbst immer mehr Flüchtlinge in die Filialen kamen, hat das Kreditinstitut in Lichtenberg und Wilmersdorf damals zwei Extra-Kundencenter für Migranten eingerichtet. Die Grundvoraussetzung sind eine Registrierung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) und eine Berliner Meldeadresse. Auch eine Turnhalle wird als „Wohnort“ akzeptiert.

Das Sprachenproblem

„Ein großes Problem zu Beginn war die Spachbarriere“, sagt Sprecherin Constanze Stempel. Deswegen habe das Kreditinstitut zusätzlich zu seinen Mitarbeitern Sprachmittler eingestellt, die die Kontoeröffnung auf arabisch begleiten. „Die Warteschlangen sind dort immer noch wahnsinnig lang“, erzählt Diana Henniges von „Moabit hilft“.

Wie die anderen Banken das Sprachproblem lösen, konnten oder wollten sie auf Nachfrage nicht sagen. Zwar gibt es Vertragsformulare auch auf englisch – bei Geflüchteten, die nur Dari oder Farsi sprechen, müsste der Geflüchtete einen Übersetzer bei sich haben. Die Verbraucherzentralen rechnen in den nächsten Monaten mit einigen Hilfsanfragen. Auch ein Bank-Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, ist etwas skeptisch. Er sagte: „Die Kunden sollen ja auch verstehen, was sie da unterschreiben.“

Das Basiskonto:

Beim Basiskonto handelt es sich um ein Konto, das nur die Nutzung der elementaren Zahlungsdienste ermöglicht: Geld einzahlen, Überweisungen und Lastschriften tätigen oder mit der Girokarte bezahlen. Die Banken gewähren den Nutzern in der Regel aber keinen Dispo-Kredit und keine Kreditkarte – damit sie sich nicht verschulden können. Wer bei einer Bank kein Konto erhält, kann bei der Finanzaufsichtsbehörde Bafin ein Verwaltungsverfahren anfordern. Wenn bei der Prüfung herauskommt, dass das Konto zu Unrecht abgelehnt wurde, ordnet die Aufsicht an, das Basiskonto für den Betroffenen zu eröffnen. Wie teuer das Basiskonto ist, unterscheidet sich von Bank zu Bank. Die Gebühren müssen aber „angemessen und marktüblich“ sein, heißt es im Gesetz. Bei der Sparkasse Berlin koste es für Filialnutzer vier Euro. Bei der Postbank beträgt der monatliche Grundpreis 5,90 Euro, bei der Commerzbank 6,90 Euro und bei der Deutschen Bank 8,99 Euro.

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