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Wirtschaft: Globalisierung: Die Furcht vor dem schlechten Image. Multinationale Konzerne setzen sich längst mit den Argumenten der Globalisierungskritiker auseinander

Die Liste der Verfehlungen ist lang: Sportartikelproduzenten wie Nike oder Adidas lassen in Südostasien Turnschuhe unter erbärmlichen Arbeitsbedingungen fertigen. Pharmakonzerne testen gefährliche Medikamente an ahnungslosen Patienten in Ländern der Dritten Welt.

Die Liste der Verfehlungen ist lang: Sportartikelproduzenten wie Nike oder Adidas lassen in Südostasien Turnschuhe unter erbärmlichen Arbeitsbedingungen fertigen. Pharmakonzerne testen gefährliche Medikamente an ahnungslosen Patienten in Ländern der Dritten Welt. Oder Kraftwerksproduzenten liefern Turbinen für umstrittene Staudammprojekte, die tausenden Menschen die Lebensgrundlage entziehen. Um die Misstände aufzudecken, sammeln Organisationen wie Attac, Weed oder Sweatshop Watch die Aussagen von Arbeitern oder werten Zeitungsartikel aus.

Die Globalisierungskritiker werfen den multinationalen Konzernen vor, bei ihren Geschäften gegen die Menschenrechte zu verstoßen, die Umwelt zu schädigen oder grundlegende Sozialstandards zu verletzen. "Viele Länder der Dritten Welt haben Handelsschranken abgebaut, um ausländische Investitionen anzulocken. Doch Gesetze zum Arbeitsschutz oder gegen Umweltverschmutzung haben sie nicht erlassen", sagt Jens Martens, Vorstandsmitglied der Organisation Weed. "Die Konzerne nutzen diese Lücken gnadenlos aus."

Viele Unternehmen haben schon auf die Bewegung reagiert. Mit eigenen Abteilungen, veränderten Leitlinien und viel Öffentlichkeitsarbeit wollen sie die Menschen davon überzeugen, dass sie nicht zu den "Bösewichten" gehören. Die Vorwürfe sind nicht neu: In den siebziger und achtziger Jahren protestierten Umweltschützer und Menschenrechtsorganisationen zum Beispiel gegen die Rodung des tropischen Regenwaldes oder giftige Produktionsanlagen. Doch seit den gewalttätigen Demonstrationen bei den Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO 1999 in Seattle haben die Proteste eine neue Dimension bekommen. "Inzwischen wird kaum noch geleugnet, dass Globalisierung auch negative Folgen haben kann", sagt Felix Kolb, Sprecher der Organisation Attac. Die Gruppe wurde vor drei Jahren gegründet und plädiert auch für die Abschaffung von Steueroasen wie Liechtenstein oder die Cayman Inseln. "Die Großbanken organisieren die Steuerflucht und die Unternehmen folgen ihnen nur zu gern", sagt Kolb. "Durch die Steuerflucht fehlen den Staaten einerseits Einnahmen. Andererseits versuchen sich die Staaten durch niedrigere Steuersätze gegenseitig Steuereinnahmen abzujagen." Das könnten die Konzerne ausnutzen und die Länder bei Entscheidungen über Investitionen gegeneinander ausspielen. "Wir treten daher für eine internationale Angleichung der Steuersätze ein", sagt Kolb.

Im Visier der Globalisierungskritiker sind auch die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben der Multis. Die Textilindustrie fiel hier in der Vergangenheit besonders negativ auf. Auch Nike geriet in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass bei Zulieferern Hungerlöhne gezahlt, Kinder beschäftigt und Frauen sexuell belästigt wurden. "Wir fordern, dass alle Unternehmen die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation Ilo befolgen müssen", sagt Weed-Sprecher Martens. Ebenfalls auf der Agenda: Die Einführung eines weltweit gültigen Umwelthaftungsrechts. "Dann können Unternehmen und ihre Tochtergesellschaften bei Umweltzerstörungen zur Rechenschaft gezogen werden", sagt Martens. Unternehmen wie Nike haben reagiert. Seit Jahren überprüft man regelmäßig seine Zulieferer. Auf Webseiten nimmt das Unternehmen zu Vorwürfen Stellung. Denn nichts ist für eine Marke wie Nike schlimmer als ein beschädigtes Image.

Der Pharmakonzern Novartis versucht schon seit über 20 Jahren, ethische und soziale Grundsätze zu befolgen. "Die Novartis-Stiftung für nachhaltige Entwicklung ist der Think-Tank für unser Unternehmen", sagt Klaus Leisinger, Geschäftsführer der Stiftung. Neben der Erarbeitung von Studien betreut die Stiftung auch konkrete Projekte. Nach langer Diskussion hat sich Novartis mit anderen Pharmaherstellern und der Südafrikanischen Regierung darauf geeinigt, im Rahmen des Access-to-Medicine-Programms die Produktion billiger Aids-Medikamente für die Dritte Welt zu erlauben.

An Vorschlägen für eine ethisch-moralische Geschäftspolitik mangelt es nicht. Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit OECD hat "Leitsätze für multinationale Unternehmen" formuliert. Sie beschäftigen sich unter anderem mit Arbeitsbedingungen, Umweltschutz, der Bekämpfung der Korruption und sogar den Verbraucherinteressen.

In Deutschland beschäftigen sich Arbeitsgruppen im Umweltministerium und im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit dem Thema. Daran nehmen Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen teil. Ziel der Arbeitsgruppe beim Umweltministerium ist die Ausarbeitung von Leitlinien für deutsche Auslandsinvestitionen. Deren Ergebnisse sollen beim nächsten Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im September 2002 in Johannesburg als deutscher Beitrag vorgestellt werden. Organisationen wie Weed oder Attac hoffen, dass die Gespräche nicht zu reinen Papiertigern verkommen. Weed-Sprecher Martens: "Die Frage ist, ob die Unternehmen verantwortungsbewusst sind oder ob sie blockieren."

Maurice Shahd

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