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Wirtschaft: Globalisierung: Die Gegner des Freihandels rüsten auf

Im Vorfeld der WTO-Gespräche zur Liberalisierung des weltweiten Dienstleistungssektors, die in dieser Woche in Genf stattfinden, versuchen Befürworter und Gegner des Freihandels, die Medien auf ihre Seite zu ziehen. Die Globalisierungsgegner wollen am heutigen Montag am Ufer des Genfersees neben dem Sitz der Welthandelsorganisation an ihre Proteste in Seattle und Davos anknüpfen und mit einem publikumswirksamen Auftritt eine neue Anti-WTO-Aktion starten.

Im Vorfeld der WTO-Gespräche zur Liberalisierung des weltweiten Dienstleistungssektors, die in dieser Woche in Genf stattfinden, versuchen Befürworter und Gegner des Freihandels, die Medien auf ihre Seite zu ziehen. Die Globalisierungsgegner wollen am heutigen Montag am Ufer des Genfersees neben dem Sitz der Welthandelsorganisation an ihre Proteste in Seattle und Davos anknüpfen und mit einem publikumswirksamen Auftritt eine neue Anti-WTO-Aktion starten. Hauptziel ist es, auf mögliche negative Auswirkungen der WTO-Pläne aufmerksam zu machen, bisher staatliche Dienstleistungen von privaten Anbietern abdecken zu lassen. Die Proteste richten sich auch gegen die Vergabe des nächsten WTO-Ministertreffens ins ferne Katar.

Die Welthandelsorganisation reagierte prompt und blies schon vor dem eigentlichen "Angriff" ihrer Gegner zur medialen Gegenattacke: Als sie von den für Montag geplanten Protesten und den Argumenten, mit denen die Nichtregierungsorganisationen (NGO) gegen die kommenden Dienstleistungsgespräche wettern, vernahm, berief sie am Freitag überraschend eine Pressekonferenz ein, auf der eine Schrift mit dem Titel "Fact and Fiction" verteilt wurde. Der Direktor der Abteilung für den Handel mit Dienstleistungen (Gats), David Hartridge, warf den Globalisierungsgegnern vor, sie würden Tatsachen mit erfundenen Unwahrheiten vermischen. "Das Gats-Abkommen ist keinerlei Bedrohung für den öffentlichen Sektor", sagte Hartridge zu den Vorwürfen gegen die Welthandelsorganisation.

Staatsbetriebe im Infrastruktur-, Gesundheits und Bildungsbereich sowie geschützte Märkte in der Telekommunikation, beim Verkehr oder im Tourismus sorgen dafür, dass die Globalisierung bei den meisten Dienstleistungen noch weitgehend in den Kinderschuhen steckt. Das könnte sich allerdings bald ändern: Vor allem die Regierungen der Industrieländer sowie einflussreiche multinationale Unternehmen drängen darauf, auch bei den Dienstleistungen dem internationalen Wettbewerb einen größeren Spielraum zu verschaffen. Sie verlangen, dass die Welthandelsorganisation WTO sowohl verbindliche Investitions- und Wettbewerbsregeln verabschiedet als auch den Abbau von Handelshemmnissen und Zoll- und Steuerschranken voran treibt.

Die Gegner der Marktöffnung wiederum warnen vor einem "Ausverkauf des Staates" und der damit verbundenen Preisgabe der Einflussmöglichkeiten durch die Politik. Sie werfen zudem die Frage auf, ob eine Privatisierungswelle für die Gesellschaft von Nutzen sei. Schliesslich gelten die missglückten Privatisierungen im Infrastrukturbereich wie bei der Stromwirtschaft in Kalifornien, den Eisenbahnen in Grossbritannien oder den mexikanischen Autobahnen selbst vielen Liberalen als Sinnbild für falsch geplante oder umgesetzte Entstaatlichungsprojekte. Denn die Gesamtwirtschaft ist durch diese Liberalisierungsversuche letztendlich mehr belastet als entlastet worden.

Noch fataler könne sich solche Pleiten auswirken, wenn sie in den ärmsten Entwicklungsländern passieren. Als Paradebeispiel dient die vorübergehend privatisierte Wasserverteilung in der drittgrössten Stadt Boliviens, Cochabamba. Die entsprechende Lizenz war letztes Jahr von der Regierung zurück genommen worden, nachdem es in der Bevölkerung zu anhaltenden und äusserst heftigen Protesten gegen die massiv gestiegenen Wasserzinsen gekommen war.

Solche nofallmässigen Eingriffe der Behörden zugunsten der Bevölkerung wären aber nicht mehr möglich, reklamieren entwicklungspolitische Organisationen wie das britische World Development Movement und die Erklärung von Bern, wenn die geplanten Investitionsabkommen in den neuen Dienstleistungsvertrag aufgenommen würden. Dem hält Hartridge entgegen, dass unter dem Gats "keine Regierung dazu gezwungen werden kann, irgend einen Sektor zu öffnen oder dessen Regulierung aufzugeben".

Daniel Birchmeier

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