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Wirtschaft: Globalisierung: Markt ohne Moral - oder Menschen ohne Wissen?

So richtig sympathisch ist der Unternehmer als solcher den Deutschen nicht. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger halten die Wirtschaftslenker für egoistisch, über 40 Prozent für rücksichtslos, ein Drittel glaubt, dass sie seelenlos und dem reinen Materialismus verpflichtet sind.

So richtig sympathisch ist der Unternehmer als solcher den Deutschen nicht. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger halten die Wirtschaftslenker für egoistisch, über 40 Prozent für rücksichtslos, ein Drittel glaubt, dass sie seelenlos und dem reinen Materialismus verpflichtet sind. Verschwindend gering die Gegenmeinung: Nur 15 Prozent der Deutschen gestehen Unternehmern zu, dass sie "sozial eingebettet" sind, wie eine Allensbach-Umfrage ergab.

Woran das liegt? Joachim Milberg, Chef der BMW-Group, macht die "Unwissenheit und Unsicherheit über die Macht" für das Negativ-Image der Unternehmer verantwortlich. Sein Rezept: Aufklärung. Aufgabe der Unternehmer sei es, sich den kritischen Fragen der Bevölkerung zu stellen, sagte Milberg, der am Dienstagabend Gastgeber des sechsten Berliner Hauptstadtgesprächs war, zu dem BMW zusammen mit der FU Berlin und der "Süddeutschen Zeitung" geladen hatte. Diesmal ging es unter dem Titel "Markt ohne Moral?" um die gesellschaftspolitische Verantwortung der Wirtschaft.

Ganz so neu sei das Thema nicht, meinte der Philosoph Peter Sloterdijk. Nicht umsonst habe der englische Theoretiker Adam Smith bereits im 17. Jahrhundert zwei Werke verfasst - das eine zum "Wohlstand der Nationen", das andere zur "Theorie der moralischen Gefühle". Auch Hans-Olaf Henkel, früherer Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, fand "objektiv keinen Beweis dafür, dass die Moral in der Wirtschaft in den letzten 20 Jahren schlechter geworden" sei. Für das Misstrauen der Deutschen gegenüber der Wirtschaft machte Henkel vor allem Missverständnisse aus, die durch die politischen Eliten ganz bewusst geschürt würden. Und noch eine Erklärung fand der frühere BDI-Chef für das Misstrauen gegenüber den Unternehmenslenkern: "Der Rest der Gesellschaft entwickelt sich nicht mit der Geschwindigkeit der Wirtschaft", die ihr Heil immer öfter in weltweiten Fusionen sucht. Die Globalisierung also als Ursache allen Übels? Das Problem sei, sagte der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, dass die nationale Rechtsordung die global agierene Wirtschaft nicht mehr begleiten könne. Der Schwerpunkt des Wirtschaftens verlagere sich dorthin, wo der größte Ertrag zu erwarten sei. "Die Gewinnmaximierung steht der europäischen Kultur der Mäßigung entgegen." Kirchhof, der als Verfassungsrichter schon die große Steuerreform angeschoben hatte, machte erneut einen "gewaltigen Reformbedarf" aus - auch bei den Unternehmen. Die müssten die Folgen des weltweiten Wirtschaftens so organisieren, dass ihre Auswirkungen für jeden sichtbar würden, forderte der Staatsrechtler.

Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, wollte die Debatte nicht auf die Frage nach Macht und Moral beschränken. "Was die Menschen verunsichert", sagte die Grüne, "ist, dass sie nicht wissen, nach welchen Regeln gespielt wird." Während die Globalisierung voranschreite, sei die Bildung neuer Institutionen, die für einen Ausgleich zwischen "glücklichen und weniger glücklichen Biografien" verantwortlich sein sollten, noch ganz am Anfang. Um das Beste aus der Situation zu machen, forderte sie dazu auf, aus der negativ besetzten Globalisierungs-Debatte eine "Erfolgsdebatte" zu machen. Bei der Ökologie-Debatte sei das schon einmal gelungen.

pet

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