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Wirtschaft: Gold zu Dumping-Preisen

Von Argentinien über Kanada bis zu Belgien haben Zentralbanken in den vergangenen Jahren große Teile ihrer Goldreserven verkauft. Die Schweiz hat sogar kürzlich die Verfassung geändert, um ihren Goldbestand deutlich reduzieren zu können.

Von Argentinien über Kanada bis zu Belgien haben Zentralbanken in den vergangenen Jahren große Teile ihrer Goldreserven verkauft. Die Schweiz hat sogar kürzlich die Verfassung geändert, um ihren Goldbestand deutlich reduzieren zu können. Die Goldverkäufe wurden kaum beachtet. Lediglich Juwelierhändler und der Weltgoldrat in London, eine Vereinigung von Goldproduzenten, haben gemurrt.Dagegen hat der Goldverkauf in Großbritannien heftige Reaktionen ausgelöst. Der Goldpreis stürzte auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren, als die Bank von England kürzlich mit 25 Tonnen Gold die erste Tranche ihrer Goldreserven zum Verkauf anbot. Ein Goldbarren wurde für 261,20 Dollar pro Unze gehandelt, nachdem der Unzenpreis noch Anfang Mai bei 289 Dollar notiert hatte. Am 7. Mai hatte der britische Finanzminister Gordon Brown angekündigt, die Zentralbank werde insgesamt 400 Tonnen der 715 Tonnen britischen Goldreserven abstoßen. Der Goldverkauf soll dazu dienen, einen Teil der britischen Reserven in andere Finanzanlagen umzuschichten, unter anderem in auf Dollar und Euro lautende Wertpapiere.Vor allem Euroskeptiker kritisieren den Goldverkauf der Bank von England. Sie unterstellen Tony Blair, er bezwecke damit, Großbritannien hinterrücks in die Europäische Währungsunion zu bringen. Wegen der Halbierung der Bestände könnten die Goldreserven leichter an die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt "transferiert" werden, wenn Blair eines Tages entscheidet, das Sterlingpfund gegen den Euro einzutauschen. Der Vorwurf ist haltlos, denn die Zentralbanken in Euroland müssen ihre Goldreserven nicht physisch nach Frankfurt schaffen. Sie geben einfach einen Teil der Goldreserven als Pfand an die EZB, die ihnen im Gegenzug einen Anspruch auf ihre Reserven einräumt.Neben den Befürchtungen der Euroskeptiker gibt es andere Bedenken. Einigen Menschen ist grundsätzlich nicht wohl bei dem Gedanken, einen Anlagewert aufzugeben, der seit Urzeiten ein beliebtes Geldmittel war. Aber man kann nicht bestreiten, daß die heutige Welt nur mit handlichen Papierwährungen funktioniert. Außerdem haben die umfangreichen britischen Goldreserven der Briten nicht verhindern können, daß das Pfund in den 70er Jahren infolge einer schlechten Geldpolitik unter Druck geriet. Darüber hinaus dürfte es zu Zeiten niedriger Inflation sogar von Nachteil sein, wenn das Portfolio des Finanzministeriums zuviel Goldbestände enthält.Noch ernster freilich ist der Vorwurf, daß der Verkauf ungünstig eingefädelt worden sei. Nach der Ankündigung Anfang Mai fiel der Wert der Reserven in den Keller. Die Bank hat das Gold zu einem Zeitpunkt verkauft, als die Marktpreise auf einem Tiefstand waren. Andere Länder, zum Beispiel die Niederlande und Belgien, sind mit mehr Geschick vorgegangen. Der Preissturz, rechtfertigen sich die Briten, wäre wohl noch größer gewesen, wenn man versucht hätte, die Goldreserven heimlich zu verkaufen.Ungeachtet dessen, stellt sich vor allem eine Frage: Was passsiert, wenn die Inflation wieder aufflackert und auch die Wertpapiere der Zentralbanken an Wert verlieren? Und: Wird der Goldkauf ebenso leicht wie der Goldverkauf sein, wenn die Preise steigen? Man hoffe nur, Gordon Brown und Eddie George werden mit ihrer Einschätzung recht behalten, daß sie diese Fragen niemals beantworten müssen.

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