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Wirtschaft: Goldrausch nach dem Krieg

Der Wiederaufbau macht geschäftstüchtige Mittelsmänner, Ex-Diplomaten und ehemalige Militärs reich

Mac McClelland steuert seinen Wagen ziemlich gewandt durch das Verkehrsgewühl von Dubai, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Im Kopf überschlägt er ein paar Zahlen, rechnet Positionen durch und schätzt Kosten ab. Soeben hat der frühere Major der US-Marine von einer neuen Ausschreibung für einen Auftrag im Irak erfahren: Es wird ein Lebensmittel-Lieferant für die 12 500 im Irak stationierten US-Soldaten gesucht.

Bekäme McClelland den Zuschlag, würde er ein Sub-Subunternehmer des amerikanischen Dienstleistungskonzerns Kellogg Brown & Root. Das Unternehmen sorgt für die Truppenversorgung der US-Armee, wenn die Soldaten im Ausland eingesetzt werden. „Zwölftausendfünfhundert Mäuler“, grübelt McClelland, „das sind etwa 40000 Mahlzeiten am Tag.“ Wenn er selbst zehn Cent an jeder Mahlzeit verdienen könnte, wären das 4000 Dollar (rund 3370 Euro) am Tag, „viel Geld“, sagt er.

Der Wiederaufbau des Iraks kostet Milliarden Dollar. Unternehmer wie McClelland reißen sich darum, etwas von dem Geldregen abzubekommen. Die Mittelsmänner sind meist pensionierte Militärs oder Diplomaten, die im Nahen Osten gearbeitet haben und nun als Makler ihre Dienste anbieten. Sie tun alles: Sie trommeln Lieferanten für Bauprojekte zusammen oder helfen Unternehmen, eine Niederlassung im Irak aufzumachen.

McClelland hat bisher mehr als 30 Verträge abgeschlossen, die mit dem Wiederaufbau des Iraks zu tun haben. Der 47-jährige Ex-Major unterstützte den Mischkonzern 3M und einen Hersteller von Röntgengeräten beim Einstieg in den irakischen Markt. Er mischt bei der Ausrüstung der neuen irakischen Polizei mit neuen Dienstwagen mit, indem er Angebote von einheimischen Unternehmen organisiert. Sogar einem amerikanischen Schrotthändler half er dabei, an die Überreste der zerstörten irakischen Panzer zu kommen, die immer noch überall im Irak herumstehen. Nebenbei versucht sich McClelland auch im Musikgeschäft: Er will das erste Jazz-Festival in den Vereinigten Arabischen Emiraten organisieren. Der Amerikaner ist gerade dabei, bedeutende Mitglieder der königlichen Familie für seinen Plan zu gewinnen.

Trotz seiner zahlreichen Aufträge ist McClelland ein Leichtgewicht unter den Goldgräbern im irakischen Wiederaufbau. Doch als Leichtgewicht kann man zur Zeit viel Geld verdienen, sagt er. „Wenn nur zehn Prozent meiner Projekte klappen, habe ich zweimal ausgesorgt", sagt er.

Mittelsmänner wie McClelland, die immer noch gute Kontakte zum amerikanischen Militär haben, tauchen an Kriegsschauplätzen immer dann auf, wenn mit der US-Truppenversorgung etwas zu verdienen ist. Der Irak verspricht ein besonders einträgliches Geschäft zu werden, weil die USA eine hohe Zahl von Soldaten stationiert haben, die vermutlich noch eine ganze Weile dort bleiben werden. Das amerikanische Verteidigungsministerium gibt jeden Monat mehrere Milliarden Dollar aus, um die eigenen Streitkräfte im Ausland zu versorgen.

Die US-Regierung schreibt nicht jedes Projekt einzeln aus, sondern vergibt große Aufträge an eine Handvoll von Unternehmen. Dazu zählt der US-Baukonzern Bechtel, der 680 Millionen Dollar für die Koordinierung des Wiederaufbaus erhält. Dazu gehört auch die Halliburton-Tochter Kellogg Brown & Root, die für die Verpflegung und Unterbringung der Soldaten Aufträge in Höhe von 425 Millionen Dollar bekommen hat. Die großen Konzerne vergeben dann hunderte von Unteraufträgen. So vergibt Bechtel rund 90 Prozent seiner Arbeit an Subunternehmer.

Einen Fuß in die Tür bekommen

Für große Wiederaufbauprojekte ist der Irak noch zu instabil. Deswegen sind die ersten Verträge für die Subunternehmer noch vergleichsweise klein. Neben der Truppenversorgung geht es um Infrastruktur-Projekte. Die Aufträge seien aber trotzdem sehr wertvoll, sagt Frances Cook, frühere US-Botschafterin in Oman und nun Unternehmensberaterin im Nahen und Mittleren Osten. Es geht bei den ersten Aufträgen nämlich darum, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Deshalb gebe es so viel Wettbewerb um die ersten Subaufträge, es komme einer Auszeichnung gleich, einen zu erhalten. Cook berät drei Baukonzerne aus Ägypten und Oman und hat in Dubai das Phoenix- Irak-Konsortium gegründet. Über dieses Konsortium können arabische Unternehmen für Wiederaufbau-Aufträge im Irak mitbieten.

3M beauftragte McClelland zunächst nur damit , dem Unternehmen durch das Nachkriegschaos im Irak zu helfen. Eigentlich wollte der Konzern ein eigenes Büro in Bagdad aufmachen und vor Ort Wiederaufbau-Aufträge erjagen. Doch dann änderten die 3M-Manager ihre Meinung. Die irakische Hauptstadt sei zu gefährlich. Stattdessen reiste ein Unternehmensvertreter nach Dubai zu einer Subunternehmer-Konferenz des Baukonzerns Bechtel. Mit McClellands Hilfe kam 3M dort tatsächlich zu einem Auftrag.

Bevor sich McClelland selbständig machte, arbeitete er als politischer Berater für die amerikanische Marine in Nahost und Zentralasien. Er ging 1996 in Pension. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ernannte sich McClelland kurzerhand selbst zum Sicherheitsberater. Er entwarf Evakuierungspläne für die Nahost-Niederlassungen von Unternehmen wie Gillette und Emerson Electric.

Sein erstes großes Geld im Irak machte McClelland allerdings schon bei den Kriegsvorbereitungen. Er erhielt von einem früheren Botschaftskollegen in Oman den Tipp, dass der Militärdienstleister Dyncorp in der Nähe von Dubai eine US-Luftwaffenbasis errichten werde. Einen großen Teil der Arbeit vergab Dyncorp an Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Innerhalb von zwei Tagen hatte McClelland ein halbes Dutzend Unternehmen zusammengetrommelt, die Essen, Toiletten, Duschen und Generatoren liefern konnten. Weniger als 24 Stunden später erhielt McClelland den Zuschlag für den Auftrag.

Greg Jaffe[Dubai]

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