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Wirtschaft: Greenspan: US-Wirtschaft braucht keine Hilfe

Notenbank hält Konjunkturprogramm derzeit für verfrüht/Experten fordern neue Ausrichtung der US-Geldpolitik

Washington. Der amerikanische Zentralbankchef Alan Greenspan macht die Angst vor einem Krieg gegen den Irak für die schleppende Erholung der US-Konjunktur verantwortlich. Die mit einem möglichen Krieg verbundenen Unsicherheiten „haben beachtliche Hindernisse für neue Investitionen und deshalb für eine Wiederaufnahme der lebhaften Expansion der gesamten wirtschaftlichen Aktivität geschaffen,“ sagte Greenspan am Dienstag vor dem Bankenausschuss des US-Senats bei seiner halbjährlichen Präsentation des Berichts zur Geldpolitik. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hält es für wahrscheinlich, dass die amerikanische Konjunktur stärker wachsen wird, sobald der Irak-Konflikt gelöst ist.

Ihre Wachstumserwartungen senkte die Fed für dieses Jahr auf 3,25 bis 3,5 Prozent. Vor sieben Monaten hatten die Zentralbanker noch mit 3,5 bis vier Prozent Wachstum gerechnet. Greenspan wies jedoch darauf hin, dass Prognosen wegen der kriegsbedingten Unsicherheiten derzeit äußerst schwierig seien. Er hält deshalb einen finanzpolitischen Stimulus derzeit für „verfrüht“. „Der wichtigste Stimulus ist die Beseitigung der geopolitischen Unsicherheiten,“ sagte Greenspan. Allerdings unterstützte der Zentralbankvorsitzende die von US-Präsident George W. Bush vorgeschlagene Abschaffung der Dividendenbesteuerung. Sie sei kein kurzfristiger Stimulus, sondern gute und wünschenswerte Steuerpolitik, die langfristig ein höheres Wirtschaftswachstum ermögliche.

Gleichzeitig warnte Greenspan vor steigenden Haushaltsdefiziten. Der negative Effekt, den Steuersenkungen und Staatsausgaben für den Bundeshaushalt haben, müsse durch andere Maßnahmen aufgefangen werden. Die Staatsschulden dürften im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nicht steigen, forderte Greenspan. „Es ist keine Frage, dass steigende Defizite Auswirkungen auf die langfristigen Zinsen haben,“ erklärte der Fed-Vorsitzende. Die US-Regierung hat diesen Effekt stets bestritten und darauf verwiesen, dass dafür empirische Beweise fehlten.

Beobachter werteten die Rede Greenspans als Zeichen dafür, dass die Fed auch künftig die Leitzinsen unverändert lassen wird. In der Vergangenheit hatte die US-Notenbank im Gegensatz etwa zur Europäischen Zentralbank (EZB) mit aggressiven Zinssenkungen schnell auf die lahmende Konjunkturentwicklung reagiert. In Europa preist Oskar Lafontaine die Fed als Impulsgeber für den Aufschwung und fordert die EZB zur Nachahmung auf. In den USA plädieren die Währungshüter selbst für eine Europäisierung der amerikanischen Geldpolitik. Dabei geht es vor allem um die Frage ob sich die Fed künftig ein festes Inflationsziel setzen wird – so wie es etwa die EZB tut.

Auslöser der Debatte ist die im Juni kommenden Jahres bevorstehende Ablösung des Fed-Chefs Greenspan. „Die Person des Vorsitzenden ist das entscheidende Element der Fed-Politik,“ sagt Eric Engen vom American Enterprise Institute, der selbst neun Jahre lang leitender Fed-Ökonom war.

Der Ruf nach einem Inflationsziel ist der Versuch, die Macht eines künftigen Fed-Vorsitzenden zu begrenzen und die Kontinuität in der US-Geldpolitik zu sichern. Mit einem Inflationsziel legt eine Notenbank den Rahmen fest, in dem sie Geldentwertung toleriert. Die Zinsen werden in diesem Modell nur dann verändert, wenn das Ziel deutlich über- oder unterschritten wird. „Im Vorstand der Fed befürworten mehrere Leute ein Inflationsziel,“ sagt Alan Meltzer, Geldtheoretiker von der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh.

Viele Experten in Europa halten die strikte Ausrichtung an der Geldwertstabilität für falsch. Diese Kritiker loben die Fed, die mit Zinssenkungen sensibler auf die wirtschaftliche Schwäche reagieren kann, weil sie keine Rücksicht auf fest vereinbarte Stabilitätsziele nehmen muss. Außerdem ist die politische Macht des Fed-Chefs sehr viel größer als die des EZB-Chefs.

Jim Saxton, der republikanische Vorsitzende des gemeinsamen Wirtschaftsausschusses von Senat und Repräsentantenhaus plädiert dagegen seit Jahren dafür, dass die Fed sich ein Inflationsziel setzen soll. „Das Ziel der Preisstabilität zu institutionalisieren und zu entpersonalisieren würde dazu beitragen, dass die Leistung der Federal Reserve mehr von einem transparenten System von Regeln abhängt, als von den Launen von Einzelnen, und dass es weniger anfällig für politische Manipulationen ist,“ heißt es in einer Studie, die Saxton in Auftrag gegeben hat.

Doch Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass die US-Regierung sich jetzt für eine solche Änderung einsetzt. „Es würde als ökonomisch unsensibel gelten, wenn das Weiße Haus mitten in den Problemen eines möglichen neuen Abschwungs ein Inflationsziel fordert, das der Fed den Spielraum nimmt,“ sagt William Dickens von der Denkfabrik Brookings Institution.

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