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Wirtschaft: Grenzenloser Wettbewerb

Im vorigen Jahr ist mit der Dresdner Bank auch die letzte deutsche Großbank in den Markt für Direct Banking eingetreten.Jetzt sind nahezu alle relevanten Wettbewerber am deutschen Markt präsent.

Im vorigen Jahr ist mit der Dresdner Bank auch die letzte deutsche Großbank in den Markt für Direct Banking eingetreten.Jetzt sind nahezu alle relevanten Wettbewerber am deutschen Markt präsent.Das Marktverhalten der Anbieter wird derzeit durch eine nahezu ausschließliche Fokussierung auf den deutschen Markt sowie ein hartes Ringen um Kundenpotentiale gekennzeichnet - mit einem hohen Einsatz von Ressourcen, insbesondere beim Marketing.

Allerdings sollte sich das Wettbewerbsverhalten vor dem Hintergrund zunehmend internationaler und global werdender Finanzdienstleistungsmärkte nicht nur auf den deutschen Markt konzentrieren.Denn die europäische Harmonisierung und Angleichung von bankspezifischen Standards im Euroland führt zu einem zunehmenden Verkauf von Europaprodukten über die innereuropäischen Landesgrenzen hinaus.Zudem entwickeln sich innovative Vertriebswege wie das Internet zu einer strategischen Herausforderung, da über solche neuen Kommunikationsmedien Produkte landesgrenzenunabhängig angeboten und nachgefragt werden können.Die größten Märkte für Direct Banking - in den Vereinigten Staaten und Großbritannien - sind schon reifer als der deutsche Markt, und führende Wettbewerber aus dieser Region werden die heimische Konkurrenz angreifen.Schließlich ist auch auf Kundenseite ein Entwicklungs- und Reifeprozeß erkennbar: Der Kunde wird immer anspruchsvoller und hat immer weniger Probleme bei der Nutzung neuer Medien, so daß als einziges Differenzierungskriterium des Anbieters nur noch Preis oder Zusatznutzen - beispielsweise ein hervorragender Service - verbleibt.

Das Vordringen ausländischer Konkurrenten wird viele deutsche Direktbanken gerade treffen, wenn sie eigentlich das erste Mal mit schwarzen Zahlen rechnen.Somit besteht die Gefahr, daß sie ihre derzeit aktuellen Geschäftspläne nach unten korrigieren müssen.Manche Direktbanken werden deshalb auch mittelfristig keine positiven Deckungsbeiträge erwirtschaften.

Vor diesem Hintergrund wird sich der europäische und der deutsche Markt für Direct Banking zunehmend in zwei Segmente differenzieren.Ein Segment bilden die sogenannten Full Service Provider unter den Direktbanken mit vollständigem Produktportfolio und hoher Beratungsintensität.Diese Direktbanken verstehen sich als Substitut für Filialbanken und versuchen mit den Kunden eine Erstbank-Verbindung aufzubauen.Das Segment wird in Zukunft repräsentiert von national und europaweit tätigen Direktbanken sowie Tochtergesellschaften regionaler Filialbanken.Demgegenüber nehmen Direktbanken mit niedriger Beratungsintensität und eingeschränktem Produktportfolio das Segment der Nischenversorger ein.Zu diesen Anbietern gehören meist die Discount Broker dar.

Die erste Marktbereinigungswelle wird insbesondere die Marktteilnehmer treffen, die keine konsequente Positionierung hinsichtlich Beratungsintensität und Produktportfolio vorgenommen haben und somit über einen Bauchladen an Produkten verfügen, ohne in einzelnen Produkt- und Servicebereichen nachhaltige Wettbewerbsvorteile innezuhaben.Eine zweite Welle folgt: Denn im Kampf um Marktanteile werden innerhalb Europas nur wenige Topadressen dauerhaft profitabel arbeiten können.Anbieter, die sich lediglich auf ihre nationale Nische verlassen, werden entweder zur dauerhaften Verlustübernahme, zur konzerninternen Quersubventionierung aus Imagegründen, oder zur Geschäftsaufgabe gezwungen.Marktteilnehmer, die mittel- bis langfristig positive Deckungsbeiträge erwirtschaften wollen, kommen nicht umhin, sich als Anbieter innerhalb des europäischen Direktbankenmarktes zielstrebig für eine europaweite Expansionsstrategie zu entscheiden.

Zwar erscheint eine Positionierung als nationaler Full Service Provider mit hoher Beratungsqualität, nationalem Produktspektrum und nationaler Kundenbindung zunächst denkbar.Jedoch wird dieser Anbieter mittelfristig mit solchen Full Service Providern konkurrieren müssen, die unter Ausnutzung europäischer Niedrigkosten-Produktions- und Abwicklungsstandards europaweit agieren.Aufgrund der daraus resultierenden, bis zu einem Drittel geringeren Kosten sind diese Anbieter in der Lage, die Wettbewerber zu übertrumpfen.Darüber hinaus können sie mit geringen Profitmargen noch positive Deckungsbeiträge erwirtschaften.Denn sie verfügen auf europäischer Ebene über größere Volumina.Full Service Provider haben nur dann eine langfristige Überlebenschance, wenn eine europaweite Expansionsstrategie konsequent verfolgt wird.

Das trifft auch auf Nischenanbieter und Discount Broker zu.Allerdings dürfte hier der Zeithorizont bis zu einem internationalen Wettbewerb noch kürzer sein: Für den kundigen Anleger bestehen bereits heute Möglichkeiten, mittels neuer Kommunikationsmedien wie dem Internet Wertpapiertransaktionen online und unabhängig von Landesgrenzen abzuwickeln.Deutsche Discount Broker haben langfristig nur dann eine Chance, wenn sie ihre Vertriebsstrukturen früh auf die neuen Medien ausrichten und gleichzeitig eine Internationalisierung anstreben.Vor dem Hintergrund der sich derzeit bereits positionierenden internationalen Wettbewerber erscheint für die deutschen Marktteilnehmer dringender Handlungsbedarf.

Die deutschen Direktbanken werden zweifelsohne im deutschen Markt noch viele Herausforderungen zu lösen haben.Doch eine ausschließliche Konzentration auf den deutschen Markt würde wesentliche Marktentwicklungen auf internationaler Ebene außer acht lassen.

Der Autor ist Projektmanager Financial Services bei Roland Berger & Partner in München.

HEIKO ROGG

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