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Wirtschaft: Grenzüberschreitende Buchpreisbindung: EU-Kommission lässt Verlage durchsuchen

Fünf Verlage und Buchhändler in Deutschland und Österreich hat die EU-Kommission am Mittwoch überraschend durchsuchen lassen. Der Grund dafür ist der schwelende Streit um die grenzüberschreitende Buchpreisbindung.

Fünf Verlage und Buchhändler in Deutschland und Österreich hat die EU-Kommission am Mittwoch überraschend durchsuchen lassen. Der Grund dafür ist der schwelende Streit um die grenzüberschreitende Buchpreisbindung. Die Razzia hat einen Konflikt zwischen deutschen Verlagen und der österreichischen Kette Libro ausgelöst, wie ein Sprecher der EU-Kommission bestätigte. Auch das Bundeskartellamt in Bonn unterstützt die Durchsuchung. Die EU-Behörden haben den Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Visier, außerdem die Bertelsmann Verlagsgruppe, den Berliner Aufbau Verlag, die Buchgroßhändler KNO und K & V in Stuttgart, aber auch Libro selbst.

Libro hatte Anfang Juli begonnen, über seine Internet-Tochter Lion.cc Bücher für weniger Geld als den vorgegebenen Ladenpreis anzubieten und damit deutsche ebenso wie österreichische Verlagshäuser verärgert. Viele hatten daraufhin ihre Lieferungen an den österreichischen Buchhändler eingestellt. Libro reagierte mit rund 100 einstweiligen Verfügungen gegen verschiedene Verlage. Jetzt sucht die EU-Kommission "nach Beweisen für eine Absprache, Libro zu boykottieren", sagte ein Sprecher von EU-Kommissar Mario Monti.

Die Ermittler haben aber auch Libro selbst im Auge, weil der Buchhändler Ende Juli mit Bertelsmann übereingekommen ist, die Lieferungen wieder aufzunehmen. Danach hatte Libro seine Rabatte für zahlreiche Bestseller ausgesetzt und dabei auf Gespräche mit Bertelsmann verwiesen. Die EU-Kommission prüft diesen Fall auf den Verdacht einer unzulässigen Preisabsprache hin.

René Strien, Programm-Geschäftsführer des Aufbau-Verlags, nannte es "absurd", dass der Aufbau-Verlag seine Liefersperre gegen Libro mit anderen Häusern abgesprochen habe. Der Berliner Traditionsverlag habe mit dem Boykott im "ureigensten Interesse" gehandelt. "Wir sind darauf angewiesen, dass man sich nicht nur den Rahm unserer Bestseller abschöpft", sagte Strien und betonte, sein Haus habe "nichts zu verbergen". Libro hatte den Aufbau-Bestseller "Die Päpstin" von Donna Woofolk über seine Internet-Filiale für 15,92 Mark angeboten. Der Ladenpreis liegt bei 19,90. Die Durchsuchung des Aufbau-Verlages begann Strien zufolge am Mittwoch morgen und dauerte am Nachmittag noch an.

Auch die Dachorganisation des Deutschen Buchhandels gibt sich empört: Eugen Emmerling, Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sieht die Durchsuchung der EU-Kommission als "Einschüchterungsversuch gegen einen unbequemen Verhandlungspartner". Bei Bertelsmann reagiert man offiziell nüchterner. Sprecherin Heike Wamser nennt die "Vorwürfe unbegründet". Bertelsmann argumentiert, Libro habe mit seinem verbilligten Handel im Internet gegen die grenzüberschreitende Buchpreisbindung verstoßen. Diese habe die EU-Kommission zwar offiziell zum 1. Juli dieses Jahres aufgehoben, de facto jedoch bestehe sie weiterhin. Die deutschen Verlage hätten "privatrechtliche Vereinbarungen getroffen", die letztlich ebenfalls einer grenzüberschreitenden Buchpreisbindung entsprächen.

Dem widerspricht Claudia Conrad, Pressebeauftragte von Libro in Deutschland. Ihr Verlag vertritt den Standpunkt, grenzüberschreitende Direktverkäufe unterlägen seit dem EU-Beschluss zum 1. Juli keinerlei Preisbindungen. "Das gilt auch für das Internet." Gegen das Gesetz in Österreich habe Libro jetzt zudem eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Was die Absprachen der deutschen Verlage untereinander betreffe, könne sie nur sagen: "Die Verlage können vereinbaren was sie wollen. Unmöglich aber ist, dass man uns zwingt, sich auch so zu verhalten."

val

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