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Mit erhobener Faust. Schon jetzt kommt es in Griechenland zu politischen Unruhen. Die Folgen eines Euro-Ausstiegs kann niemand absehen.

© AFP

Griechenland: Ein bisschen Euro geht nicht

Wie wäre es, wenn die Griechen eine Parallelwährung zum Euro einführten? In jedem Fall keine gute Idee - wie Beispiele aus der Vergangenheit zeigen.

Es ist der Lieblingsvorschlag all jener Ökonomen, die nicht an einen Verbleib Griechenlands in der Währungsunion glauben, vor einem Rausschmiss aber zurückschrecken: Die Regierung in Athen solle einfach eine Parallelwährung einführen – eine Art Zusatzwährung neben dem Euro. Einen "Geuro" etwa, wie es vor Wochen der frühere Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer vorschlug. Der griechische Staat würde dabei ein Papier ausgeben, auf dem eine Summe steht, die er den Bürgern schuldet. Die Schuldscheine würden dann wie eine zweite Währung im Land zirkulieren.

Solche Ideen hört man jetzt wieder öfter. Selbst CSU-Generelsekretär Alexander Dobrindt empfahl den Griechen zuletzt, sie sollten eine Parallelwährung neben dem Euro einführen. Aber ist das wirklich eine gute Idee?

Auf den ersten Blick wäre die Einführung einer Parallelwährung eine vergleichsweise einfache Lösung: Der griechische Staat könnte die Schuldscheine einfach drucken und unter das Volk bringen, ohne sich an den nervösen Finanzmärkten Geld leihen zu müssen. Auch wäre er dann nicht mehr so stark auf Hilfen der Euro-Partner angewiesen, denen gerade die Lust am Retten vergeht. Griechenland würde sich weniger im Ausland und mehr bei den eigenen Bürgern verschulden.

Zudem würde die neue Währung vermutlich nicht so stabil sein wie der Euro – sie würde also abwerten. Wenn auch die privaten Unternehmen die Währung verwenden, um Gehälter zu zahlen, würden die Lohnkosten sinken. Die heimische Wirtschaft würde so wettbewerbsfähiger gegenüber der internationalen Konkurrenz, was hilfreich für das Exportgeschäft wäre. Wenn die Krise vorbei ist, könnte die Regierung die Schuldscheine einfach wieder einsammeln und in Euro umtauschen.

Klingt ganz gut. Aber es gibt gleich mehrere Haken. Das wird deutlich, wenn man sich die beiden Fälle anschaut, in denen die Regierungen der jüngsten Zeit versucht haben, eine Parallelwährung einzuführen: Kalifornien und Argentinien.

Schuldscheine mit geringem Wert

Argentinien im Jahr 2001: Das Land steckt in einer schweren Rezession und ist hoch verschuldet. Nur die Finanzhilfe des IWF hält den Staat am Leben. Wer kann, schafft sein Erspartes ins Ausland. Weil die argentinische Währung aber strikt an den Dollar gekoppelt ist, sinkt die Menge an Bargeld im Land genau in dem Maß, in dem die Devisen das Land verlassen. Bargeld wird so knapp, dass Einzelhändler mancherorts kein Wechselgeld mehr vorhalten können. Weil der Staat kaum noch Einnahmen hat und alles Sparen nicht nützt, können manche Provinzverwaltungen ihre Rechnungen nicht mehr begleichen. 

Keine Lösung für die Griechen

Euro oder Drachme?
Euro oder Drachme?

© dpa

Sie helfen sich, indem sie eigenes Geld drucken und damit zahlen: Schuldscheine, sogenannte bonos. Doch wer seinen Lohn in Schuldscheinen erhält, ist gekniffen: Nicht alle Unternehmen akzeptieren die bonos; in harte Währung umtauschen lassen sie sich nur mit hohen Abschlägen. Zudem sind viele Argentinier hoch verschuldet. Ihre Löhne sind in der Rezession stark gesunken, und es ist gängige Praxis, auch kleinere Einkäufe mit Kreditkarte zu begleichen. Doch die Kreditkartenunternehmen akzeptieren keine bonos. Wer mit der Rückzahlung seiner Schulden bei ihnen in Verzug kommt, muss höhere Zinsen in Kauf nehmen und gerät dadurch noch tiefer in die Klemme.

Letztlich halfen Argentinien die bonos nicht. Als der IWF Ende 2001 seine Hilfszahlungen einstellte, stürzte das Land ins Chaos. Nachdem die Regierung den Wechselkurs des Peso freigeben musste, verlor die Währung innerhalb eines halben Jahres mehr als 70 Prozent an Wert. Später erklärte Argentinien den Staatsbankrott. Manche Schuldner von damals warten bis heute auf ihr Geld.

Kürzungen zu Lasten Armer

Am Beispiel Kalifornien zeigt sich noch ein weiteres Problem. Weil sich die Politiker des Bundesstaates weder auf höhere Steuern noch auf ein hartes Sparprogramm einigen konnte, griff die Regierung im Sommer 2009 ein und brachte Schuldscheine im Wert von 2,6 Milliarden Dollar unters Volk – sogenannte I.O.U. (auf englisch: I owe you). Um die Bevölkerung nicht zu sehr zu verärgern, verteilte die Regierung die unpopulären Papiere jedoch vor allem an arme Bürger, die sich kaum wehren konnten: an Empfänger von Sozialtransfers und Arbeitsunfähige. Die Bezieher staatlicher Pensionen bekamen weiter Dollar. Weil viele Banken das Papiergeld nicht akzeptieren, war ein Teil der Bevölkerung gleich doppelt getroffen: Ihre Tranfers waren weniger wert und sie konnten mit dem Geld nicht das kaufen, was sie wollten.

Griechische Ökonomen wie Panayotis Petrakis warnen deshalb eindringlich vor einer griechischen Parallelwährung. Der Wirtschaftsprofessor aus Athen hat ausgerechnet, dass die griechische Regierung rund 25 Milliarden Euro an Schuldscheinen ausgeben müsste, um das bestehende Haushaltsloch bis 2016 zu stopfen – also fast die zehnfache Summe an Schuldpapieren, die Kalifornien vor drei Jahren in Umlauf brachte. Petrakis zentrales Argument gegen ein solches Vorgehen: Gibt man Griechenlands Regierung einmal die Mittel, eigenes Geld zu drucken, wird sie dementsprechend weniger sparen. "Es würde alle Fortschritte der vergangenen zwei Jahren zunichte machen", sagt Petrakis. "Das kann keine Handlungsoption für die Politik sein."

Der Artikel erschien zuerst auf Zeit Online.

Philip Faigle, Alexandra Endres

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