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Im Einsatz: US-Soldaten mit Abrams-Panzern vom Typ M1A1 in der Wüste von Kuwait.

© AFP

Griechenland: Kein Geld für Pensionen – aber für Panzer

Während die Steuerzahler der Euro-Staaten Griechenland mit Milliardenkrediten beistehen sollen, leben griechische Politiker und Militärs ihren Waffenwahn aus. Die Begründung erscheint absurd.

Die Objekte der Begierde stehen im US-Bundesstaat Nevada, unweit des Spielerparadieses Las Vegas: Mehr als tausend ausgediente Panzer des Typs M1A1 Abrams hat die US Army hier abgestellt. Die meisten wurden bereits nach dem ersten Golfkrieg 1991 ausrangiert. Die trockene Wüstenluft schützt die Kriegsmaschinen vor Korrosion. Doch schon bald könnten die Motoren wieder aufheulen und die Panzerketten rasseln. Es gibt einen Interessenten für die Abrams-Tanks. Ausgerechnet das hoch verschuldete Griechenland will rund 400 Panzer von den US-Streitkräften übernehmen.

Die Athener Regierung muss die Renten kürzen und zehntausende Staatsbedienstete entlassen, der griechische Finanzminister steht bei Baufirmen und Lieferanten mit 6,6 Milliarden Euro in der Kreide, in den staatlichen Kliniken mangelt es mitunter sogar an Mullbinden, und die Streitkräfte schulden der Raffineriegesellschaft Hellenic Petroleum einen zweistelligen Millionenbetrag für gelieferte Treibstoffe. Dass Griechenland trotz leerer Kassen und offener Rechnungen nun hunderte Panzer beschaffen will, erscheint absurd. Als im vergangenen Oktober erste Berichte über das geplante Rüstungsprojekt die Runde machten, wiegelte das Athener Verteidigungsministerium ab: Ein solches Geschäft sei „derzeit nicht vorgesehen“. Der damalige Regierungssprecher Elias Mosialos dementierte energisch: „Es gibt nicht einmal den Gedanken an ein solches Geschäft, das den Staatshaushalt weiter belasten würde.“

Doch Mosialos sagte offenbar nicht die Wahrheit. Denn Anfang Dezember 2011 brach eine neunköpfige Expertenkommission des griechischen Generalstabs nach Nevada auf, um die Panzer zu begutachten. Sie sollten aus den mehr als 1000 Fahrzeugen die 400 besterhaltenen auswählen. Der Generalstab habe bereits Kontakt zu griechischen Reedern aufgenommen, um Angebote für den Schiffstransport der Panzer von den USA nach Griechenland einzuholen, berichten Insider. Das griechische Verteidigungsministerium will sich zu dem Thema nicht äußern. Es ließ eine Anfrage dieser Zeitung unbeantwortet.

Zwar wollen die USA die Panzer kostenlos abgeben. Dennoch könnte die Beschaffung für die Griechen teuer werden. Allein der Transport aus den USA dürfte zwischen fünf und acht Millionen Euro kosten. Einen zweistelligen Millionenbetrag würde es kosten, die eingemotteten Panzer wieder einsatzbereit zu machen. Und ihr Betrieb wird ebenfalls gehörig ins Geld gehen, denn die Gasturbine, die den M1A1 Abrams antreibt, verbraucht ein Drittel mehr Treibstoff als die Dieselmotoren vergleichbarer Panzer.

Die Abrams-Panzer sollen in Nordgriechenland stationiert werden, nahe der Grenze zur Türkei – um eine befürchtete Invasion des Nato-Partners abwehren zu können. Selbst wenn man dieses Bedrohungsszenario akzeptiert, ist aber fraglich, ob Griechenland die 400 US-Panzer überhaupt benötigt. Schließlich hat es bereits mehr als 1600 Panzer in seinen Arsenalen – umgerechnet auf die Bevölkerung mehr als jedes andere Nato-Land Europas. Erst vor drei Jahren bekam das griechische Heer 170 moderne Leopard-2-Panzer des deutschen Herstellers Krauss-Maffei Wegmann (KMW). Kosten: 1,72 Milliarden Euro. Sie sind allerdings weitgehend wertlos. Denn wegen der Finanzklemme hat Griechenland bisher keine Munition für die Panzer beschaffen können. Da fragen sich viele Fachleute, welchen Sinn es macht, jetzt noch mehr Panzer zu beschaffen, die dann womöglich auch nicht schießen können.

Deutsche Hersteller profitieren vom Rüstungswahn

Während die Steuerzahler der Euro-Staaten Griechenland mit Milliardenkrediten beistehen sollen, leben griechische Politiker und Militärs ihren Waffenwahn aus. Kein anderes Nato-Land mit Ausnahme der USA gibt in Relation zur Wirtschaftsleistung so viel für die Rüstung aus wie Griechenland. Begründung: Die angebliche Bedrohung durch die benachbarte Türkei. Nach Berechnungen der OECD erreichten die griechischen Militärausgaben 2010 4,3 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 1,7 Prozent. Im vergangenen Jahrzehnt steigerte Griechenland sein Militärbudget von 4,5 auf 7,6 Milliarden Euro. Der Rüstungswettlauf mit den Türken ist eine der Ursachen für das Schuldendesaster. Zwar stutzte die Regierung unter dem Eindruck der Krise 2011 den Etat für Waffenkäufe von 1,5 Milliarden auf 600 Millionen Euro. In diesem Jahr steigt er allerdings wieder auf eine Milliarde.

Deutschland, das zur Griechenlandrettung bisher rund 20 Milliarden Euro beigetragen hat, kann sich immerhin damit trösten, dass die deutsche Industrie vom Rüstungseifer der Griechen besonders profitiert. Griechenland ist der beste Kunde der deutschen Waffenschmieden. Die Bestellungen aus Athen machten in den Jahren 2005 bis 2010 immerhin 15 Prozent ihres Gesamtumsatzes aus. Nicht nur der Panzer-Fabrikant KMW machte in Griechenland gute Geschäfte. Auch die Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft konnte sich über griechische U-Boot-Aufträge im Wert von fast drei Milliarden Euro freuen.

Nicht selten traten deutsche Politiker wie Vertreter der Rüstungsindustrie in Athen auf. So drängte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Sommer 2007 bei einem Athen-Besuch den damaligen Premier Kostas Karamanlis, endlich die bereits seit 1996 diskutierte Bestellung über 60 Eurofighter-Kampfflugzeuge zu unterschreiben. Sogar im Frühjahr 2010, als die griechische Finanzmisere sich bereits in ihrer ganzen Dramatik abzuzeichnen begann, brachte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die Flugzeugbestellung zur Sprache und forderte von den Griechen „ein Bekenntnis zum Eurofighter“, wie sich Gesprächsteilnehmer erinnern. Hartnäckig halten sich in Athen Gerüchte, wonach Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy sogar noch Anfang November 2011 bei einem Treffen in Cannes den griechischen Premier Giorgos Papandreou gedrängt haben sollen, als Gegenleistung für weitere Hilfskredite müsse Griechenland an beide Länder Rüstungsaufträge vergeben. Die Beteiligten lassen das allerdings dementieren.

Ein griechisch-französisches Waffengeschäft war zu dem Zeitpunkt bereits eingefädelt: Griechenland will bei der französischen Staatswerft DCNS bis zu vier neue Fregatten bestellen. Weil das Land aber zurzeit den Kaufpreis von rund 300 Millionen Euro pro Schiff nicht aufbringen kann, will Frankreich die Fregatten der griechischen Kriegsmarine für fünf Jahre lang kostenlos überlassen. Danach können die Griechen die Schiffe entweder bezahlen oder an Frankreich zurückgeben. Deutsche Konkurrenzunternehmen, die sich ebenfalls Hoffnung auf die Fregatten-Bestellung gemacht hatten, protestieren: Sie sehen in dem Geschäft einen Verstoß gegen die Subventions- und Vergabevorschriften der EU.

Unterdessen zerschlagen sich offenbar die Hoffnungen auf einen griechischen Eurofighter-Auftrag, der ein Volumen von knapp fünf Milliarden Euro haben sollte. Frühestens im Zeitraum 2018 – 2020 werde Griechenland finanziell in der Lage sein, sich neue Kampfflugzeuge zu leisten, so die Einschätzung des Herstellers. Zum 1. Januar machte das Konsortium deshalb sein bereits Anfang der 90er Jahre in Athen eingerichtetes Verkaufsbüro dicht.

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