zum Hauptinhalt
316672_3_xio-fcmsimage-20100101175047-006004-4b3e27e746741.heprodimagesfotos84120100102eattherich.jpg

© epa anp

Griechenland: Nächster Akt der Tragödie

Wie der sozialistische Ministerpräsident Papandreou das Land aus der Schuldenfalle befreien will.

Athen - Viel Hoffnung kann der griechische Premier Giorgos Papandreou seinen Landsleuten zum Jahreswechsel nicht machen: „2010 wird ein schwieriges Jahr“, sagt Papandreou. „Wir stehen vor Einschnitten und Umwälzungen.“

Tatsächlich dürfte 2010 für das Land zu einem Schicksalsjahr werden. Es geht um nicht weniger als eine drohende Staatspleite. Das wäre nicht nur ein Desaster für Griechenland, sondern auch eine schwere Belastungsprobe für die vor elf Jahren eingegangene Währungsunion. Deshalb beobachten die europäischen Partner das Land mit wachsender Sorge. Griechenland war von Anfang an ein Problemfall – vor allem wegen hoher Inflationsraten und Haushaltsdefizite. Die Griechen konnten deshalb der Eurozone erst mit zweijähriger Verspätung beitreten.

Jetzt ist Hellas wieder in Not. Im abgelaufenen Jahr explodierte der Fehlbetrag im Staatshaushalt auf 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die höchste Defizitquote in der EU. Und 2010 dürfte Griechenland mit Staatsschulden von mehr als 120 Prozent des BIP den bisherigen Schuldenkönig Italien übertrumpfen. Die hohen Defizite beeinträchtigen die Bonität des Landes und verteuern die Kreditaufnahme, was den Schuldenberg weiter wachsen lässt und die Kreditwürdigkeit zusätzlich drückt – ein Teufelskreis, der in den Staatsbankrott führen könnte.

Nachdem in den vergangenen Wochen die drei großen Ratingagenturen Griechenlands Kreditwürdigkeit herabstuften, gingen die Kurse griechischer Staatsanleihen auf Talfahrt. Dafür stieg natürlich die Rendite, damit Anleger trotzdem zugreifen. Aktuell muss der Athener Finanzminister Giorgos Papakonstantinou den Anlegern rund zweieinhalb Prozentpunkte höhere Zinsen zahlen als sein deutscher Kollege Wolfgang Schäuble. Der hat keine Lust, den Griechen zu helfen, denn das würde die Bonität seines eigenen Landes schmälern. „Es wäre falsch verstandene Solidarität, wenn wir den Griechen mit Finanzhilfen unter die Arme greifen würden“, sagte Schäuble der „Börsenzeitung“.

Alle Experten sind sich einig: spätestens bis Ende März muss Papandreou die Finanzmärkte überzeugen, dass es ihm Ernst ist mit der Sanierung der Staatsfinanzen. Sonst wird das Land noch tiefer in den Schuldenstrudel geraten.

Griechenland ist ein gebranntes Kind. Es ist nicht eine einmalige Entgleisung, die Athen jetzt in Schwierigkeiten bringt. Statt sich mit einer wirklichen Konsolidierung der Staatsfinanzen für den Euro zu qualifizieren, frisierten die Athener Politiker Ende der 1990er Jahre einfach ihre Bilanzen. Und als einziges Mitglied der Eurozone hat Griechenland seither nicht in einem einzigen Haushaltsjahr die Defizitvorgaben des Stabilitätspaktes von maximal drei Prozent des BIP eingehalten. Hemmungslos schleusten die Athener Politiker gepumpte Milliarden in den aufgeblähten Staatsapparat. Während im Rest Europas die Renten gekürzt werden, gehen viele Griechen ungerührt mit Mitte 50 in Pension. Umso tiefer müssen nun die Einschnitte sein, wenn das Land seine Staatsfinanzen endlich konsolidieren will.

Neben der überfälligen Rentenreform geht es nun vor allem um die Bekämpfung der grassierenden Steuerhinterziehung. Experten schätzen sie auf ein Volumen von rund 30 Milliarden Euro. Das entspricht dem aktuellen Haushaltsdefizit. Wenn also alle Griechen ehrlich ihre Steuern zahlen würden, hätte das Land einen ausgeglichenen Haushalt. Premier Papandreou und sein Finanzminister Papakonstantinou wollen nun vor allem die Selbstständigen wie Ärzte, Anwälte und Handwerker zur Kasse bitten, die bisher einen Großteil ihrer Einkünfte verschleiern. Um die Steuerhinterziehung einzudämmen, sollen die Griechen nun fleißig Quittungen sammeln, die steuermindernd geltend gemacht werden können. Papakonstantinou denkt auch daran, Mehrwertsteuer auf Arzt- und Anwaltshonorare zu erheben. Bei den Staatsausgaben setzt der Finanzminister den Rotstift an: Sie sollen 2010 gegenüber dem Vorjahr um vier Prozent gekürzt werden. So hofft die Regierung, in diesem Jahr die Defizitquote auf 8,7 und bis 2013 auf drei Prozent drücken zu können. Offen bleibt die Frage, ob Papandreou für seine Einschnitte die Zustimmung der Bevölkerung findet. Bisher sieht es nicht danach aus: zwei Drittel der Bürger, so eine Umfrage, machen die Politiker für die Misere verantwortlich – und sind deshalb nicht bereit, für die Konsolidierung der Staatsfinanzen Opfer zu bringen. Immerhin: das Kabinett geht mit gutem Beispiel voran. Premier Papandreou und die Minister wollen auf zehn Prozent ihrer Bezüge verzichten. Gerd Höhler

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false