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Sonnenuntergang. Die Regierung in Athen kämpft um die nächste Kredittranche, die im Oktober nötig wird.

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Griechenlandkrise: Athen umwirbt die Troika

Finanzminister Venizelos erklärt Vertretern des IWF, der EZB und der EU-Kommission den Stand der griechischen Sparbemühungen. Gerüchte über ein Referendum zum Verbleib der Griechen in der Euro-Zone hat die Regierung dementiert.

Es sind Schicksalstage in Athen. Griechenland braucht bis Oktober die nächste Tranche aus dem Hilfspaket der Europäer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von acht Milliarden Euro, um eine drohende Pleite abzuwenden. Doch die Geldgeber erwarten von Athen im Gegenzug deutliche Reformsignale. Die Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou müsse einige Staatsfirmen schließen und die Zahl der Angestellten im aufgeblähten öffentlichen Sektor verringern, sagte ein Vertreter des IWF in der so genannten Troika am Montag in Athen. „Der Ball liegt im griechischen Feld“, sagte er.

Die Troika aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) war Anfang September überraschend aus der griechischen Hauptstadt abgereist, weil versprochene Reformschritte während der Sommerpause nur unzureichend umgesetzt worden waren. Das Urteil der Troika über Papandreous Bemühungen bei der Haushaltskonsolidierung ist entscheidend für die Griechen: Nur wenn EU-Kommission, IWF und EZB grünes Licht geben, kann auch die nächste Acht-Milliarden-Tranche aus dem Hilfspaket ausgezahlt werden. Um eine rasche Rückkehr der Troika nach Athen zu erwirken, erläuterte Finanzminister Evangelos Venizelos am Montagabend knapp zwei Stunden lang den Vertretern des IWF, der EZB und der EU-Kommission in Washington, Frankfurt und Brüssel per Telefonkonferenz den Stand der Umsetzung des griechischen Sparpaketes. Aus Venizelos’ Ministerium hieß es anschließend, dass die Gespräche „substanziell und produktiv“ gewesen seien. An diesem Dienstagabend sollen die Verhandlungen über die Rückkehr der Troika fortgesetzt werden.

Als einer der Kernpunkte des Reformprogramms gelten geplante Entlassungen in griechischen Staatsunternehmen. In der vergangenen Woche hatte das Finanzministerium in Athen Entlassungen im öffentlichen Dienst angekündigt – etwa zehn Prozent der Mitarbeiter sollen ihren Job verlieren. Rund 20 000 Beschäftigte von 151 Firmen könnten damit innerhalb des kommenden Jahres entlassen werden. Im Gespräch ist zudem eine Kürzung von Beamtengehältern, für die es bislang kein einheitliches Besoldungssystem gibt.

Die EU-Kommission dringe lediglich die vereinbarten Spar-, Reform- und Privatisierungsziele, bekräftigte ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn am Montag. „Wir wollen eine volle Erfüllung der vereinbarten Ziele – nicht mehr, nicht weniger“, sagte der Sprecher. Auch aus Kreisen des Finanzministeriums hieß es, die Troika fordere die Einhaltung längst gegebener Zusagen. Demnach sollen rund 50 000 Staatsbedienstete sofort und weitere 100 000 bis 2015 entlassen werden. 117 Betriebe, die vom Staatshaushalt unterstützt werden, müssen so bald wie möglich schließen.

Finanzminister Venizelos sagte, sein Land werde die notwendigen Schritte unternehmen, um die Auszahlung der nächsten milliardenschweren Hilfstranche der Europäer und des IWF zu sichern. Zu den Maßnahmen zählte der Minister ausdrücklich die Schließung unrentabler Staatsunternehmen bis zum Jahresende.

Lesen Sie auf Seite 2, was die griechische Regierung außerdem plant.

Neben den geplanten Entlassungen will die griechische Regierung auch erneut an der Steuerschraube drehen, um das Haushaltsdefizit zu senken. Allerdings bezweifeln Mitglieder der Troika, dass eine von Papandreou geplante Sonder-Immobiliensteuer in den kommenden zwei Jahren tatsächlich vier Milliarden Euro einbringen wird. Die Gewerkschaft der Elektrizitätsgesellschaft hat nämlich bereits Widerstand gegen den Plan angekündigt, die neue Steuer mit der Stromrechnung einzutreiben. Geplant ist offenbar auch eine Erhöhung der Heizölsteuern.

Wie angespannt die wirtschaftliche Lage in Griechenland ist, machte der Vertreter des IWF in der Troika am Montag deutlich. Nach seinen Worten wird die Wirtschaftsleistung in dem Mittelmeerland nicht nur in diesem Jahr um voraussichtlich 5,5 Prozent einbrechen, sondern auch 2012 unter dem Strich voraussichtlich ein Minus von 2,5 Prozent aufweisen. Erst am Ende des kommenden Jahres dürfte nach der Ansicht des Experten die Trendumkehr zu schaffen sein: „Ich gehe davon aus, dass Griechenland 2013 wieder Wachstum aufweisen wird.“ Auch die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit, die bei mehr als 16 Prozent liegt, könnte nach den Angaben des IWF-Vertreters noch weiter steigen.

Während 75 Prozent der Griechen von einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in ihrem Land ausgehen, schwindet auch der politische Rückhalt für die sozialistische Regierung unter Premierminister Papandreou. Die griechische „Kathimerini“ berichtete, der griechische Regierungschef erwäge einen Volksentscheid über den Verbleib in der Euro-Zone. Ein Regierungssprecher dementierte dies am Dienstag aber und wies den entsprechenden Bericht zurück.

Laut Umfragen könnte sich der Oppositionsführer Antonis Samaras von der liberalkonservativen Partei „Nea Dimocratia“ derzeit im Fall einer Parlamentswahl einen Vorsprung vor Papandreous Pasok-Partei ausrechnen. Am Wochenende hatte Samaras, der trotz der Schuldenkrise von einer Zusammenarbeit mit der Pasok nichts wissen will, Neuwahlen gefordert. Dass der Oppositionschef derzeit große Popularität genießt, hat seinen Grund – schließlich verspricht er den Griechen weniger drastische Steuererhöhungen und einen behutsameren Stellenabbau im öffentlichen Dienst.

Die Märkte reagierten auf die weiter anhaltenden Unsicherheiten bei der Griechenland-Rettung mit teils erheblichen Einbußen. Nach mehreren Tagen mit Gewinnen verlor der deutsche Aktienindex Dax am Montag zeitweise fast vier Prozent und schloss 2,8 Prozent schwächer. Auch der Dow Jones stand im Minus. Der Euro fiel zeitweilig unter die Marke von 1,36 US-Dollar. (mit AFP/dpa/Reuters)

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